Archiv für Juli, 2012

Bilderrätsel

von CHRISTOPH WESEMANN

Frage an die Starkstromelektriker, Sicherungimdunkelnwechsler und Buenos-Aires-Kenner: Wo ist das? Sie können natürlich auch schreiben, was das ist, bringt aber nichts, weil ich unmöglich beurteilen kann, ob Sie Recht haben. Damit es ein bisschen einfacher wird, hier noch ein zweites Bild:

Der Gewinner kriegt irgendwas, also wahrscheinlich wieder eine Kaffeetasse.

Abstammungsgeschichte

von CHRISTOPH WESEMANN

Hoppla, heute ist ja Unabhängigkeitstag.

Achtung: Wenn Sie sich halbwegs in der lateinamerikanischen Geschichte auskennen, überspringen Sie den nächsten Absatz, bitte. Es folgt die Befreiung von den bösen Kolonialherren im Schnelldurchlauf.

Die Versammlung von Tucumán erklärte am 9. Juli 1816 die Unabhängigkeit der Vereinigten Provinzen am Río de la Plata von Spanien. Schon am 25. Mai 1810 hatten die städtischen Patrizier den Vizekönig des Vizekönigreiches des Río de la Plata ab- und einen Regierungsrat eingesetzt. Argentinien hat deshalb zwei Nationalfeiertage: den Tag der Revolution am 25. Mai und den Tag der Unabhängigkeit am 9. Juli.

Wenn in der Stadt nicht Zehntausende Fahnen hingen, gerne auch zwanzig an einem Hotel, hätte ich es vielleicht vergessen. Es ist ein bisschen schwierig, am Automaten Pesos zu bekommen, aber Fahnen gibt es reichlich. Okay, Banken und Bankautomaten auch, aber eben ohne Geld.

Ich habe mir gerade La Boca angeschaut, das berühmte Viertel im Osten. »Fahren doch nur Touristen hin und lassen sich beklauen. Palermo ist viel schöner«, sagt der Kioskbesitzer, ist natürlich aus Palermo und hat natürlich Recht. Die berühmte Straße El Caminito ist eine Flaniermeile mit Gedränge, Gedröhne, Gefälschtem – im Augenblick, wir haben ja Winter, gerade noch erträglich. Doch das, was dieses Viertel ausmacht, ist für Touristen unerreichbar weit weg (also eine Seitenstraße). Buenos Aires wäre ohne La Boca eine andere Stadt. Die Argentinier und erst recht die Bürger der Hauptstadt, die Porteños, sagt ein Sprichwort, stammten nicht von den Affen ab, sondern von Schiffen. In La Boca kamen sie an – Italiener, Spanier, auch Deutsche.

Der Journalist Jakob Strobel y Serra nennt in seinem »Reiselesebuch« La Boca das »eigenartigste Viertel von Buenos Aires« und beschreibt es so:

Treibgut und Kloake der Stadtgeschichte, zusammengehämmert aus den Wellblechbehausungen der einstigen Hafenarbeiter, bunt bemalt mit den Resten der Schiffslacke, hingehauen an die Ufer eines stinkenden Hafenbeckens voller Schiffsleichen.

Noch immer ist dies einer der ärmsten Flecken der Stadt, ein Ort, den man besser meidet, wenn’s dunkel geworden ist.

Ach ja, der letzte Vizekönig war Baltasar Hidalgo de Cisneros y la Torre. Wollen wir uns den Namen merken?

 

Schon GEZahlt?

von CHRISTOPH WESEMANN

Sonntagabend an der U-Bahnstation Scalabrini Ortiz im recht angesagten Stadtviertel Palermo:

In der Klapsmühle

von CHRISTOPH WESEMANN

Vielleicht bin ich ein bisschen früh, ich lebe erst drei Tage hier, und von diesen drei Tagen wiederum habe ich viel Zeit verschlafen, erschöpft von der Wucht, mit der diese Stadt Neuankömmlinge empfängt. Aber steile Thesen sind ja durchaus reizvoll, also bitte: Buenos Aires, das ist nicht nur die Hauptstadt Argentiniens, sondern auch die tollste Klapsmühle der Welt.

»Dreihundert Millionen Widersprüche« hat der spanische Philosoph José Ortega y Gasset einst hier gezählt und gleich den Satz hinterher geschoben: »Buenos Aires ist eine absurde Stadt, die ich von Tag zu Tag mehr liebe.« Sie soll weltweit die höchste Dichte an Psychiatern und Psychologen haben, lässt also sogar das ach so notorisch neurotische New York gesund im Oberstübchen erscheinen.

Vielleicht kann nur in einer Stadt wie Buenos Aires die U-Bahn mit einem großen Schwindel für sich werben: »más fácil, más rápido«. Einfacher und schneller – das ist die Subte ganz sicher nicht. Sie ist: voll. Schon gut, ich weiß, auch in Berlin ist die U-Bahn manchmal voll. In Buenos Aires ist sie: manchmal nicht voll. So wie hier auch manchmal nicht gehupt wird und es manchmal nicht laut ist. Ja, und es gibt wohl Hunde, die nicht direkt auf den Bürgersteig wursten, und wohl auch Hundehalter, die den Kot aufsammeln. Meine Schuhsohlen bestreiten das aber.

Vielerorts erinnert mich Buenos Aires an Odessa: das Improvisierte mit seinen kleinen Ständchen voller Krimskrams am Straßenrand, das Löchrige und Holprige auf allen Lebenswegen, der morbide Charme, das Abgeranzte, das Geflickte. Und immer wieder: Fassadenmelancholie, ein Hauch von alter Herrlichkeit. Atemberaubend schön ist all das gewesen, damals, vor 100 Jahren, als Argentinien eine Wirtschaftsmacht war und Auswanderer aus Europa anzog.

Der Unterschied zwischen Odessa und Buenos Aires, zwischen Odessiten und Porteños ist: Hier weist der Kioskmann geduldig den Weg, der Kellner bindet mit einer Tischdecke das Zappelbaby am zu großen Kinderstuhl fest, die Wildfremde auf der Straße sieht die drei Kinder und ruft: »Ich würde sie sofort betreuen.« Es wird überhaupt mehr gelächelt als dort.

Eine absurde Stadt, gewiss. Liebe nicht ausgeschlossen. Ein Traum schon jetzt.

 

Don’t cry for me Germany

von CHRISTOPH WESEMANN

Mission großer Bahnhof

von CHRISTOPH WESEMANN

Seit Wochen bereitet sich das argentinische Volk auf meine Ankunft vor. Geplant ist eine mehrstündige Willkommensfeier in Buenos Aires. Ich habe mal meine Geheimdienstkanäle angezapft und von den Schlapphüten am Río de la Plata netterweise ein Foto von den letzten Proben bekommen:


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Musik: Somos de acá

Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)