Archiv für 2015

Die Echte-Kerle-Komödie

von CHRISTOPH WESEMANN

Hochsommer in Argentinien. Ferienzeit. Alle Schulen geschlossen. Die Kinder besuchen von 9 bis 18 Uhr die colonia, den Ferienhort eines Sportklubs in Buenos Aires. Morgen ist campamento. Das heißt: Die Kinder übernachten im Klub. Die Mutter ist auf Dienstreise.

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ERSTE SZENE

Vater und sein Sohn im Wohnzimmer; die Töchter spielen auf der Terrasse.

VATER. Was müsst ihr denn alles mitbringen? Zeig mal den Zettel.

SOHN. Ich habe schon gepackt.

VATER. Zettel!

SOHN. Ich habe doch aber schon alles …

VATER. Ich muss gleich das Abendessen machen und euch vorher baden und nachher dann aufräumen. Morgen kommt eure Mutter wieder, schau dich mal um, wie’s hier …

SOHN. Okay-okay. (reicht ein Blatt Papier)

VATER. (liest laut vor) Kurze Hose. Lange Hose. T-Shirt. Pullover. Zwei Paar Socken. Unterwäsche. Hut. Sonnencreme. Insektenspray. Zwei Paar Socken, pfffffff, eins reicht ja wohl. Plastikbecher. Schlafsack. Isomatte. Zahnbürste. Kamm. Den lassen wir auch weg. Was ist das hier?

SOHN. Was?

VATER. (liest stockend) Cortina de baño.

SOHN. Das verstehe ich auch nicht.

VATER. »La cortina« ist doch »der Vorhang«, und »baño« heißt »Bad«. Vorhang vom Bad. Badvorhang. Was soll das denn sein?

SOHN. Hmmh.

VATER. Wen könnten wir fragen?

SOHN. Pablo?

VATER. Super Idee. Meinen Freund Pablo.

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ZWEITE SZENE

Zwei Orte, zwei Männer, zwei Mobiltelefone; Getippe auf Spanisch

VATER. Cheeeeeeee Pablo, wie geht’s? Alles gut? Hör mal, die Kinder haben morgen campamento, wir packen gerade die Sachen. Weißt du, was die mit »cortina de baño« meinen?

PABLO. Keine Ahnung. Aber wenn du mich fragst: ein Blödsinn, diese campamentos. Dieser Aufwand!

VATER. Stell dir vor: Die Kinder sollen für eine Nacht zwei Paar Socken mitbringen.

PABLO. Hast du hoffentlich eins gleich wieder ausgepackt.

VATER. Ja, natürlich. Die übernachten doch nicht im »Sheraton«. Also, du weißt auch nicht, was »cortina de baño« sein soll?

PABLO. Wozu brauchen die überhaupt ein Bad?

VATER. Na ja, diese verwöhnten Kinder von heute. Typen wie Du und ich, ich meine, wir pinkeln ja überall hin.

PABLO. Genau. Wir parken, steigen aus und pissen. Wie es sich gehört.

VATER. Manchmal steige ich nicht mal aus.

PABLO. Deswegen leihe ich Dir ja mein Auto auch nicht.

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DRITTE SZENE

Vater und Sohn, noch immer immer Wohnzimmer

SOHN. Darf ich lesen, was Pablo geschrieben hat?

VATER. Nein.

SOHN. Und was hat er gesagt?

VATER. Brauchst du nicht, diese komische cortina.

VORHANG

Leiden und Leben auf Argentinisch

von CHRISTOPH WESEMANN

Ein Sommerabend in Buenos Aires. Der Strom fällt um halb sieben aus, kehrt um halb neun für 40 Minuten zurück und verabschiedet sich dann abermals für Stunden. Stockfinster die Straße, Kerzen und Taschenlampen in den Wohnungen.

Aber bis kurz nach eins brummt der Dieselgenerator vor der Parrilla, dem Restaurant mit Riesengrill.

»Fußball, Gegrilltes und Wein sind die Leidenschaften des argentinischen Volkes«, sagt ein Sprichwort. Ein anderes: »Nur zu grillen, damit der Hunger gestillt wird, ist eine Flegelei.«

Nacht in Buenos Aires

Der kürzeste argentinische Witz

von CHRISTOPH WESEMANN

Geht ein Kaiser in Buenos Aires in ’ne Tango-Bar…

Beckenbauer Franz

Foto im Fenster der »Bar Sur«, Stadtteil San Telmo, Estados Unidos 289 (Ecke Balcarce)

 

 

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Die letzte Zehn der Welt sagt hasta luego: Riquelme-Gastbeitrag bei Cavanis Friseur

von CHRISTOPH WESEMANN

Wenn jemand diesen großen argentinischen Fußballer verabschieden darf, dann ja wohl ich. Juan Román Riquelme und ich sind ja nicht nur ein Jahrgang (1978), sondern auch gleich groß (1,83 m) und – behauptet zumindest das jeweilige Umfeld – zwei ähnliche Diven. Außerdem bin ich immer Riquelme, wenn wir mittwochabends in Buenos Aires unter der Autobahnbrücke fünf gegen fünf kicken. Ich versuche, das Spiel klassisch zu lenken – natürlich auch, weil ich für den sogenannten modernen Fußball zu langsam renne und denke.

Cancha bajo Flores

JR Riquelme

Ich habe eine Schwäche für Menschen, die Erwartungen nicht erfüllen. »Se me escapó la tortuga«, sagt der Argentinier, wenn er eine einmalige Chance vergibt. »Mir ist die Schildkröte entwischt.« Der Spruch stammt, wie so viele andere, die zu Volksweisheiten geworden sind, von Diego Maradona. Auch Riquelme hat die Schildkröte nicht immer festgehalten. Er ist ein Unvollendeter. Er wurde Mitte der Neunziger als neuer Diego empfangen (und reifte dann doch nur zur Weltklasse), er trug schon mit 20 Jahren bei den Boca Juniors die 10 und hat 17 Titel gewonnen, darunter dreimal die Copa Libertadores, sechsmal die argentinische Meisterschaft und am 28. November 2000 den Weltpokal (der in Südamerika einen hohen Stellenwert hat).

Weiterlesen im Fußballblog Cavanis Friseur hier entlang, bitte.


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Musik: Somos de acá

Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)