Logo des WM-Tagebuchs - Zeichung: Danü (Daniel Schlierenzauer)

Bevor am Sonntagabend die Weltmeisterschaft in Brasilien beginnt, verteile ich noch ein paar Lesebefehle. Ich erwarte, dass sich alle ordentlich vorbereiten auf Argentiniens Spiel gegen Bosnien-Herzegowina. Anpfiff in Río de Janeiro ist um 19 Uhr oder Punkt Mitternacht in Deutschland.

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Andreas Geipel von Argifutbol (Argentinischer Fußball auf Deutsch) hat gleich mal das ganze große Besteck ausgepackt. Hier bei uns wird ja eher aus dem Ärmel geschüttelt, wobei ich oft vergesse, vorher was hinein zu tun. Dort drüben, ach ja, ein ganz anderes Niveau, wobei der Geipel natürlich auch schüttelt — aber bei ihm kommt halt was heraus. Jedenfalls: Nach dem Lesen weiß man alles, was man wissen kann über Kader, Taktik und Aufstellung des kommenden Weltmeisters. Man könnte drei Tage in dem Text verbringen.

Auftrag Maracanazo

»Am besten platzieren sie einen Helikopter am Spielfeldrand, dann können sie sofort flüchten, sobald das Endspiel gewonnen ist«, sagt Stürmerlegende Hernán Crespo mit stolzem Lächeln und verschmitzen Blick. Der ehemalige Weltklassestürmer trägt sein Herz auf der Zunge und spricht aus, was 40 Millionen Argentinier denken: »Wir wollen endlich wieder den Titel holen! Am liebsten im Finale gegen den Erzrivalen Brasilien.« Markante Worte, wie man es aus dem Land des zweifachen Weltmeisters gewohnt ist. Die Albiceleste um Superstar Lionel Messi ist heiss und hat einen klaren Auftrag: Maracanazo, der Finalsieg im altehrwürdigen Estádio do Maracanã. Weiterlesen

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Marc Koch, Lateinamerika-Korrespondent der Deutschen Welle, stellt das Projekt Dritter WM-Titel vor. Er hat Ezequiel Fernández Moores getroffen, den vielleicht tollsten argentinischen Sportjournalisten. Brillant geschrieben ist der Text obendrein. Nur diese Gemeinheit gegen meinen Quilmes Atlético Club (»hüftsteifer Vorstadtverein«) hätte er sich natürlich verkneifen müssen.

Messi und Co. im Auftrag der Nation

(…) Sogar die vielbeschworenen äußeren Umstände scheinen es diesmal gut mit Argentinien zu meinen. Zu gut, fanden viele Beobachter nach der Auslosung der Gruppengegner: Die Gruppe F mit Nigeria, Iran und Bosnien-Herzegowina gilt im Vergleich zu anderen Kombinationen als gehobene Trainingseinheit. Und weil die »Albiceleste« nicht nur im nahegelegenen und klimatisch angenehmen brasilianischen Süden spielt, sondern dort schon vor der Auslosung ein Quartier angemietet hatte, liegt die Frage nahe, ob denn alles mit rechten Dingen zugegangen sei. »Natürlich!«, versicherte die FIFA umgehend. Experte Fernández Moores gibt höflich lächelnd zu Bedenken: »Als ich gesehen habe, dass ausgerechnet England und Italien bei 40 Grad im Schatten spielen müssen, dachte ich: Oh oh, das ist ein Hinweis von Südamerika!« Weiterlesen

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Mutti, der Libero, weiß aus bestens unterrichteten Kreisen, wer Weltmeister wird.

Endlich transparent: FIFA gibt die nächsten WM-Ergebnisse von Gastgeber Brasilien bekannt

In der Debatte um mehr Transparenz beim Fußball-Weltverband hat FIFA-Boss Joseph Blatter am Freitag eingelenkt: Der Schweizer ließ unmittelbar nach dem Eröffnungsspiel gegen Kroatien alle kommenden Turnier-Resultate des brasilianischen Teams veröffentlichen – inklusive des Endspielsieges gegen Titelverteidiger Spanien. Weiterlesen

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Für alle, die Spanisch sprechen: Hier steht, warum Argentinien so gute Chancen hat, endlich mal wieder Weltmeister zu werden.

Por qué Argentina puede ser campeón mundial

(…) Todo puede pasar. Pero aún Brasil, el gran candidato a ganar el título en casa, le teme a nuestra Selección. No quieren otro Maracanazo y mucho menos contra el rival de toda su vida. La pesadilla de Pelé y compañía es ver a Messi levantar la Copa en 2014. Weiterlesen

Hahaha, auf Pelés Gesicht, wenn Messi den WM-Pokal hochhält, freue ich mich auch schon.

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Schon ein paar Monate alt: Reporter Alexander Osang besucht, nein sucht für den Spiegel das deutsche WM-Quartier. Zum Brüllen komisch. Und warum? Auch, weil Osang weiß, was sich gehört: Er macht sich selbst noch ein bisschen mehr fertig als alle anderen.

Alemanha? Futebol?

(…) Ich begann eine Rede, in der ich die Anwesenden darüber informierte, was es bedeutet, Gastgeber einer Weltmeisterschaft zu sein. Ich erklärte ihnen, dass São Paulo ja wohl keinen Dorfflughafen betreiben dürfe. Ich hielt die Rede auf Englisch und bin mir ziemlich sicher, dass das Wort Responsibility vorkam. Verantwortlichkeit. Ich dachte an die halbfertigen Stadien, die unzufriedenen Bürger Brasiliens, das Sommermärchen von 2006 und an das Knie von Sami Khedira. Ich wies alle auf die Notwendigkeit einer ordentlichen Beschilderung hin. Weiterlesen

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Zum Schluss der Hinweis auf meine erste Kolumne aus Buenos Aires, 23. Juli 2012, aber im Grunde Sommer 1986:

Diego und die Holzfäller

Ich war acht Jahre alt und ganz sicher nicht einmal der klügste Achtjährige in meiner Straße, und ich bin nicht in einer Straße wie der Avenida Rivadavia aufgewachsen, die 35 Kilometer lang ist. Meine Straße hieß Ipser Weg. Kürzer geht’s kaum. Vielleicht erklärt das, was jetzt kommt.

Das erste Mal habe ich von Argentinien am 29. Juni 1986 gehört. Ich weiß das genau, obwohl seitdem ordentlich Zeit vergangen ist – wie viel genau, spielt jetzt keine Rolle, bitte. Ich saß an diesem Sonntagabend vor dem Fernseher, bestimmt trug ich einen gestreiften Schlafanzug, und die deutsche Nationalmannschaft stand gegen Argentinien im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft in Mexiko. Wahrscheinlich habe ich damals »BRD« gesagt. Meine Heimat war die DDR, und wer in der DDR lebte, der sagte auch »BRD«, nicht »Bundesrepublik« und nicht »Deutschland«. Weiterlesen

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Und zur Entspannung gucken wir jetzt ein kurzes Video, in dem ich eine tragende Rolle habe — und mein Argentinientrikot auch. Cristian, Sebastián und Cristian, drei Jungs, mit denen ich Fußball spiele, erzählen, wie Argentinier eine Weltmeisterschaft erleben, und sie packen richtig aus. Weil der Beitrag auf Spanisch ist, fasse ich mal den Wahnsinn um Rituale schnell zusammen: Jedes Spiel von Argentinien wird mit denselben Leuten geschaut; die dürfen aber nicht quatschen, sondern höchstens ein Tor bejubeln. Die Stühle bleiben bis zur nächsten Partie stehen, nichts darf verrückt werden. Sebastián hat auch immer zwei Kreuze in der Hand und stoppt obendrein mit der Uhr die Spielzeit. Wie, die wird links oben eingeblendet? Hallo! Das haben wir schon immer so gemacht. Soll Argentinien ausscheiden, weil wir rational geworden sind?

Ich bitte, den eleganten und geschmeidigen Jüngling im weißen Quilmes-Trikot zu beachten. Wie er das Spiel lenkt — herrlich. Und am Ende hält er sogar noch einen sogenannten Unhaltbaren.