Zwei Deutsche, räumlich getrennt, auf zwei Kontinenten. MC, früherer Lateinamerikakorrrespondent der Deutschen Welle, ist dem Leser als regelmäßiger Autor des Argentinischen Tagebuchs vertraut und hat bereits in diversen Komödien mitgespielt. Er hat lange in Buenos Aires gelebt. CW tut es noch. Und weil die beiden zwei sehr moderne Helden sind, sprechen sie nicht direkt miteinander, sondern mittels Kurznachrichten.

Heute über: das Champions-League-Finale in Berlin.

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CW. Ich bin schon krass heiß auf Barcelona gegen Juventus. Leo Messi und Carlitos Tévez, der Floh1 gegen den Apachen2! Luis Suárez und Giorgio Chiellini, der Beißer gegen den Gebissenen! Was für ein Finale!

MC. Ähem, der Gebissene kneift.

CW. Schulterverletzung?

MC. Wade! Links.

CW. Simulant.

MC. Es gibt ja auch noch Andrea Pirlo und Andrés Iniesta, die Statue gegen den Bleichen! Pirlo hat auf seinem sagenhaften rechten Fuß mehr Haare als Iniesta auf dem Kopf.

CW. Leider erwarten wir am Sonnabend, Mitte der zweiten Halbzeit, den einzigen Argentinier, der Fußball nicht mag, zum Kaffeekränzchen.

MC. Vor einem Jahr, Real gegen Atléti, saß er bei mir. Hat aber nicht groß gestört.

CW. Unsere Frauen sind echt …

MC. … so tolle Gastgeberinnen. Wir würden vereinsamen und verwahrlosen ohne sie, ach was, wir wären sozial seit Jahren isoliert.

CW. Wir müssten die ganze Zeit Fußballspiele gucken.

MC. Schreckliche Vorstellung.

CW. Für wen bist Du? Als halber Madrilene kannst Du ja nicht wollen, dass Barça die Champions League gewinnt. Also Juve.

MC. ICH WERDE NIEMALS FÜR EINEN ITALIENISCHEN VEREIN SEIN.

CW. Ich zitiere den argentinischen Fußballphilosophen Jorge Valdano, den wir beide ja sehr schätzen, was auch nicht oft vorkommt.

Italien weiß genau, was es will. Wenn ihr ästhetischen Stil wollt, dann schaut euch die Trikots an, die Millimeterfrisuren, den Schnitt der Bärte. Wenn ihr Talent möchtet, schaut auf die Ersatzbank (da sitzt del Piero mit der Feierlichkeit eines Pharaos).

MC. Oder auch:

Es gibt Momente, in denen ein Abwehrspieler klärt, und er sieht zum Beispiel die Beine eines Norwegers sperrangelweit offen, eine schöne Einladung zum Tunneln, die ein freier Mann niemals ablehnen würde. Der italienische Abwehrspieler lehnt die Versuchung ab und klärt trotzdem.

CW. Unsere Frauen allerdings…

MC. …sind für Juve.

CW. Wegen Totti.

MC. Der spielt seit 112 Jahren beim AS Rom.

CW. Das wissen aber unsere Frauen nicht. Für sie wird auch immer Paolo Maldini der Abwehrchef der Nationalelf sein.

MC. Noch so ein Schönling. Überhaupt total attraktive, charmante Männer, diese Italiener, voller Gefühle. Und aufrichtig, natürlich. Nie würde ein Italiener ‘ne Schwalbe machen. Niemals.

CW. Das Fairplay wurde in Italien erfunden. Von Pippo Inzaghi.

MC. Übrigens, Gigi Buffon …

CW. … Weltklasse-Torhüter …

MC. … hatte mal die Rückennummer 88, war aber kein Faschist. Er wollte eigentlich die Doppelnull haben, weil er meinte, das symbolisiere zwei Eier. Kein Witz. Fußballerlogik: Eier haben und so. Der AC Parma, sein damaliger Klub, ließ das aber nicht zu. Buffon, gedankenschnell: »Dann nehme ich die 88, das bedeutet: vier Eier!« Als man ihn darauf hinwies, wofür die Zahl in rechtsextremen Kreisen stehe, sagte er: »Wer ahnt das? Dass 88 der Hitlergruß ist, das wissen doch wirklich nur die Nazis!«

Seite Drei in der »Süddeutschen« am Donnerstag.

CW. Und dann gewinnt der ausgerechnet die Weltmeisterschaft im Berliner Olympiastadion. Da schloss sich ein Kreis.

MC. Du als Argentinier, der argentinischer sein will als jeder Argentinier, müsstest am Sonnabend für Juve sein. Wegen Tévez. Spieler des Volkes. Kindheit im Elendsviertel und so.

Mir ist egal, was die Leute denken. Ich werde meine Wurzeln nicht vergessen. Die Jungs sagen immer zu mir: »Wenn du ganz oben ankommst, vergiss nicht die Armen.«

CW. Ich bin für Juve! Genau aus diesem Grund.

MC. Dacht’ ich mir. Letzte Frage: Und Franziskus?

CW. Für Tévez, natürlich. Der Papst des Volkes. Aber Messi mit dem Pokal würde er auch empfangen.

MC. Es haben ja sowieso alle argentinischen Fußballer einen Hausausweis für den Vatikan.

  1. la Pulga, Messis Spitzname []
  2. el Apache, Tévez‘ Spitzname []