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Der Ausflugsplan sieht die brasilianische Seite dieser geilen Wasserfälle vor. Wir neigen hier ja nicht zu Wortspielen, sonst würde ich sagen, dass der dicke Miguel, der etwas tüttelige Juan und ich völlig nass auf die Fälle sind. »Vielleicht treffen wir da Riesenschlangen«, sagt Miguel. »Oder Gisele Bündchen«, sage ich. »Oder meine Frau«, sagt Juan.

Aber: Vor die brasilianische Seite hat irgendein bescheuerter Tourplaner den Ausflug in einen Vogelpark gesetzt.

»Oooch…«, wimmern die mitreisenden Gattinnen und das Radio mit der Riesennase: »Tukane gucken. Haben die aber einen großen Schnabel. Und gelb ist er auch! noch!! Und die ganz! Kleinen!, wie! süß! die! pic!ken! Und dahinten der, mit dem leuchtend roten Rücken, wie der Marta gerade auf ihre hellrosa Kunst!leder!jacke! kackt. Und sie merkt es gar nicht. Ist!das!nicht!: süüüüßßßß?!!«

Meine neuen Kumpels und ich überlegen, den Vogelpark zu schwänzen. Aber Reiseleiterin Aldana, die inzwischen alle ›Aldi‹ nennen (nur ich nenne sie ›Lidl‹), sagt: »Wer nach Brasilien will, muss!auch!den!ersten! Ausflug mitmachen. WIRFAHRENDOCHNICHTDOPPELT&DREIFACH!!« Sie rät, zum Überbrücken der Wartezeit ein Mate-Equipment mitzunehmen.

Da bekommt Juan so ein Leuchten in den Augen. Er sagt, wir könnten doch am Eingang des Parks, in dieser Bar, ein Bier…? So, wie neulich? Als wir uns doch auch davongeschlichen …. Nee, sagt Miguel, Alkohol um 9:30 Uhr morgens habe ihm der Arzt verboten. Auch im Urlaub. Mich? Fragt ja wieder Keiner.

Wo wir gerade unter uns älteren Männern sind, versuche ich, einen Witz nach dem Muster »Das Fangen von Fliegen und Vögeln in diesem Park ist verboten« zu machen. Aus den spanischen Wörtern ›ave‹ (Vogel!) und ›follar‹ (Haha!!) einen Gag zu machen, der auf der Homophonie der verwendeten Lexeme besteht, ist aber leider nicht möglich. Nicht mal einem Flachwitzer wie mir.

Wir sind dann doch zum Vö….. also, in diesen Vogelpark gegangen.

Dort war es erwartungsgemäß überaus gefährlich: Neben Anakondas (die übrigens unangenehm riechen, kennen Sie das? Aus Ihrem örtlichen Tierpark? Gardelegen? Göttingen? Gladbach?), zuckersüchtigen Riesenschmetterlingen

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und randalierenden Papageien

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gibt es nämlich auch noch solche Kameraden:

 

Das Radio mit der Riesennase, Cristina und meine Gattin fanden das natürlich: Süüüüüßßßßß!!!

Mittagspause. In einer Churrascaria in Foz do Iguaçu. Gleiches Kaff, anderer Name. Aber der Brasilianer hat ja auch seinen Stolz. Bei der Ausreise aus Argentinien wurden wir übrigens kontrolliert, als seien wir eine Bande international gesuchter Drogenbosse. Und nicht ein paar vergnügungssüchtige argentinische Pauschalreisende. Bei der Einreise in Brasilien wurden wir kontrolliert, als seien wir ein paar vergnügungssüchtige argentinische Pauschalreisende. Und nicht eine Bande international gesuchter Drogenbosse.

Die Grillbude am Rande eines nahe zur Autobahn gelegenen Industriegebietes ist – nun ja – sehr freundlich zu uns: Argentinier gelten ja mittlerweile als die potientiellen Hartz-IV-Empfänger Südamerikas. Deswegen müssen wir nur den halben Preis für’s Mittagsbuffet zahlen. Aber auch unsere Kellnerinnen tragen schicke Schuhe.

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Unsere Reisegruppe ist natürlich konservativ und isst argentinisch: Also: Nudeln. Fleisch. Nachtisch. Und noch mehr Nachtisch. Juan fragt, wie das Bier sei. Als seine Frau ihren dritten Teller Lasagne mit Extra-Sahnesauce auf frischen Walderdbeeren holen geht, bestellt er schnell auch eines und prostet mir verschwörerisch zu. Alter Schleimer. »Netter älterer Herr«, flötet meine Gattin, während sie immer noch überlegt, ob sie Bambus- oder Kressesprossen zu ihrem Salatblatt nimmt.

Dann: Der Grenzübergang. Richtung Paraguay. Ciudad del Este. Schmugglerstadt, steuerfrei & staubig. Hier gelten andere Gesetze…. An die sich auch niemand hält. Mundharmonika. Rostige Türangeln. Schnarrende Stimmen…..

»Wo ist Frank?«

»Frank konnte nicht kommen!«

»Habt Ihr einen Bus für mich?«

»Wenn ich mich so umschaue, kann ich nur drei sehen. Sollten wir denn tatsächlich einen vergessen haben?«

»Ihr habt zwei zu viel!«

Dann fallen Schüss…: Ach nee, falscher Film. Die Busfahrer Rubén und Carlitos haben nur mit einem Kollegen über einen Parkplatz gestritten. Jetzt sollen wir also shoppen. Sagt Aldana. »Aber VORSICHTIG!! Denn die Stadt ist vol!ler!Be!trü!ger! Zwie!lich!ti!ge! Gestalten!! Und die Paraguayanerin! steht! auf! argentinische! Männer! Also meiner kommt hier!nicht!rein!«

Die beiden kräftigen Racing-Anhängerinnen dösen weiter, der dicke Miguel schnappatmet, Juan hält die Luft an. Seine Frau guckt krass.

Dann stehen wir aber nicht vor knackigen Paraguayanerinnen, sondern vor einem Shopping Center. Der Mann davor küßt Aldana. Sehr innig, würde Aldanas Mann sagen. Aber der ist ja nicht da, haha! Und wir petzen nicht. Vielleicht nicht. Aldana sagt, das sei der Besitzer. Der sei vertrauenswürdig. Da ist die Reisegruppe aber beruhigt. Gestern haben sie noch mit dem Rentnerpass und Sozialamtsstempeln den Parkeintritt runtergehandelt. Heute kaufen sie Sachen, die sie in Argentinien fast so lange nicht mehr gesehen haben, wie guten Fußball: Markenartikel, funktionierende Haushaltsgeräte, sortenreine Whiskeys. Am meisten aber: Batteriebetriebene Puppen, die heulen und »Hola Mama« krähen. Für die Enkel. Der Hit im Bus. Bis die Batterien und meine Nerven ausgehen.

18 Stunden später rollen wir im Busbahnhof von Buenos Aires aus. Vorher haben wir schon Juan & seine Frau, den dicken Miguel mit Familie, die beiden sympathischen (echt jetzt!) Racing-Mädels und das Radio mit der Riesennase in diversen Vororten bei ihren Wohnungen abgegeben. Die Daheimgebliebenen haben sich gefreut. Auch über die Heul-SusenPuppen.

Meine PuppeHeulsuseGattin hat ganz feuchte Augen. Das ist ja auch immer ganz schlimm bei Pauschalreisen – diese Tränenseligkeit, wenn man heimkommt. Aldana (ach! Die Lidl….) würde sagen: Weich!ei!er!! Aber…naja….schön war’s ja. Schon. Irgendwie. Doch. Und in meiner Hosentasche knistert der Zettel mit den ganzen Telefonnummern. Kaum einer von diesen Pauschalreisenden hat ja Email. Nächstes Mal geht’s nach Patagonien. Gletscher gucken. Im Bus. Pauschal.

Wir berichten.