Die Neun-Tage-ohne-Mama-Komödie
von CHRISTOPH WESEMANN
ERSTE SZENE
Ein Morgen in Buenos Aires, kurz nach sieben. Drei Kinder. Ein Vater. Die Mutter ist für neun Tage verreist. Dritter Tag. Es klingelt.
VATER. Bus ist da. Seid ihr endlich fertig?
TOCHTER 2. Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaa.
VATER. Du hast noch Zeit, Schätzchen.
SOHN. Nein.
TOCHTER 1. Gleichgleichgleich.
SOHN. Ach Papa, ich soll 250 Peso in die Schule mitbringen.
VATER. ¡Hijo de puta!1 Jetzt? Heute? 250?
SOHN. Ja.
VATER. Stimmt. (sucht Geld) Und für wen? Wer kriegt das?
SOHN. Weiß ich nicht.
(Es klingelt zum zweiten Mal.)
VATER. Hat Mama doch gesagt! (ruft etwas Spanisches in die Gegensprechanlage)
SOHN. Mir nicht.
VATER. Ja, mir auch nicht.
SOHN. Doch!
VATER. Ähm. (findet Geld) Also, dann schreib‘ ich einfach den Namen deiner Klassenlehrerin auf den Umschlag und mache einen Zettel, dass du vergessen hast, wofür ihr das Geld sammelt. Sie wird ja wissen, wer es bekommt. Wie heißt sie denn?
SOHN. Wer?
VATER. Deine Lehrerin, Mensch!
SOHN. Schässie.
(Drittes Klingeln)
VATER. Was ist denn das für ein Name? Buchstabier‘ mal.
SOHN. Weißt du nicht mehr? Y-E-S-I.
VATER. Ah, Yesi! (schreibt) Ist das die Maus?
SOHN. Nee, die hatte ich in der ersten Klasse. Aber Yesi findest du auch gut.
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ZWEITE SZENE
Am Abend. Die Kinder kommen von der Schule zurück.
VATER. Hast du das Geld abgegeben?
SOHN. Ja.
VATER. Und für wen oder was wird gesammelt?
SOHN. Für Yesi. Sie bekommt von uns ein Geschenk zum Geburtstag.
VATER. Und Yesi hat unser Geld. Ist doch gut, oder?
SOHN. Hmmmh.
VATER. Wird Zeit, dass Mama wiederkommt.
SOHN. Ja.
VORHANG.
- wörtlich: »Hurensohn!« Beliebter argentinischer Fluch [↩]