Ich weiß nicht, ob Papst Franziskus in Zukunft noch dazu kommt, meine Kolumnen zu lesen. Als Erzbischof von Buenos Aires hat er jedenfalls keine Kolumne verpasst, oft war Jorge Mario Bergoglio sogar der erste Leser. Nein, ich bilde mir nicht so viel darauf ein; der Mann hat Mitte der achtziger Jahre an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt studiert, bestimmt hatte er immer auch Sehnsucht nach reiner deutscher Sprache.

Manchen Text, vor allem, wenn mein Nachbar Pablo darin vorkam, hat Jorge Mario Bergoglio dreimal gelesen. Meine statistischen Daten sind da eindeutig. Und wenn ich auf der Plaza de Mayo war, habe ich aus seiner kleinen Wohnung hinter der Kathedrale, gegenüber vom Präsidentenpalast, sein Kichern gehört – und manchmal durchs offene Fenster auch den Satz: »Dieser Pablo, wunderbar!«

Papst Franziskus (c) Danü

So gesehen bin ich seit der Papstwahl vor einer Woche hin und her gerissen: Einerseits freue ich mich, dass es einer meiner Stammleser ziemlich weit gebracht hat. Und ich gönne es Jorge Mario Bergoglio natürlich von ganzem Herzen, zumal ich ihn für die Idealbesetzung halte. Jemand, der Pablo mag, ist ein guter Mensch, und jeder, der meine langen Texte meistert, muss topfit sein, vor allem körperlich. Andererseits, tja, ist es so, dass ich eigentlich auf keinen Leser verzichten kann. So viele sind es ja nicht. Ich hätte also auch mit einem Papst aus Afrika gut leben können.

Schade finde ich nur, dass Benedikt XVI. mit seinem Rücktritt nicht noch ein paar Wochen gewartet hat. Wahrscheinlich hätten Jorge Mario Bergoglio und ich uns sonst noch getroffen. Mir fällt ja auf, dass viele Leute in Buenos Aires den Mann, der jetzt Papst ist, schon gekannt haben, als er noch kein Papst war. Klar, er ist oft Subte gefahren, und in der vollen U-Bahn kommt man sich zwangsläufig näher. Außerdem sind neun von zehn Argentiniern katholisch, da hat ein Erzbischof und Kardinal natürlich eine ganz andere Fangemeinde als anderswo.

Obelisk

Papstfanhaus

Ich treffe kaum jemanden, der Franziskus fern steht. Mein Hausmeister fällt mir ein. Dem geht das ganze Gerede vom Papa Argentino auf die Nerven, aber der ist auch nicht katholisch. Außerdem ist er, was die Militärdiktatur betrifft, päpstlicher als der Papst. Die anderen? Schwärmen von seinen Predigten, seinem Händedruck, seiner Bescheidenheit, seinem Einsatz für die Armen, seiner unverkrampften Art. »Er war so warmherzig und hat sich immer nach den Kindern erkundigt«, hat die Frau aus meinem Stammbuchladen gesagt. Oder war es mein Zahnarzt? Wahrscheinlich beide.

Ich glaube trotzdem, dass sich der ein oder andere für ein bisschen Aufmerksamkeit gerade ziemlich an den Papst ranschmeißt. Man sollte niemals jede Geschichte glauben, die einem erzählt wird.

Pablo hat mich gestern gefragt, wann ich endlich eine Papstkolumne schreiben würde.

»Pablo, tut mir leid, aber mir fällt überhaupt nichts Witziges ein.«

»Das hält dich doch sonst auch nicht auf«, sagte er. »Also, wenn du Informationen brauchst, kein Problem. Ich kenne den Heiligen Vater ganz gut.«

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Die Zeichnung Franziskus‘ stammt natürlich von Danü, der übrigens jetzt auch in Buenos Aires lebt. Den eingefärbten Obelisken habe ich Herrn T. geklaut, der auch über den Papst nachgedacht hat.