Als Betrachter kann man nur staunen über so viel Zickzack. Niemals hat Argentinien eine wirklich lange Phase des Glücks erlebt, stattdessen folgen die Katastrophen in so rascher Folge aufeinander, dass jeder Argentinier mindestens zwei, drei Fiaskos erlebt hat.

Jakob Strobel y Serra im Vorwort seines Buches: Argentinien. Ein Reiselesebuch, Hamburg 2010

Aufstieg

  • Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stieg Argentinien zu einem der größten Agrarexporteure und zum Getreidespeicher der Welt auf. Wichtigster Handelspartner war ein späterer Erzfeind: Großbritannien investierte nicht nur am meisten, sondern wurde auch zum wichtigsten Abnehmer der Agrarprodukte und zum größten Lieferanten von Konsumgütern.
  • Nach 1880 wuchs die Wirtschaft fast ein halbes Jahrhundert lang um fünf Prozent jährlich.
  • 1913 hatte Argentinien ein geschätztes Bruttosozialprodukt pro Kopf von 3800 (in Dollar von 1990) – es war höher als das Deutschlands und Frankreichs mit je 3600. Höher war es nur in Großbritannien (4900), den Niederlanden (4000), Australien (5700) und den USA (5300).
  • Es gibt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Argentinien mehr Autos pro Kopf als in Frankreich, mehr Telefonleitungen als in Japan.
  • Vor der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre gehörte Argentinien zu den fünf bis zehn wohlhabendsten Ländern der Welt. »Reich wie ein Argentinier« war Anfang des 20. Jahrhunderts eine gängige Redewendung in Europa.
  • Der Peso war am Ende des Zweiten Weltkriegs neben dem Dollar und dem Pfund die härteste Währung der Welt.

Abstieg

  • Als sich die Weltwirtschaft nach der großen Krise von 1929/30 grundlegend wandelte, verlor auch das argentinische Agrarexportmodell an Bedeutung, das den Wohlstand maßgeblich getragen hatte.
  • Präsident Juan Perón forcierte in den vierziger Jahren zwar die Industrialisierung – doch wegen der politischen Instabilität kam es nie wieder zu einem dauerhaften Wirtschaftswachstum.
  • Wer vom Ausland auf das Land blickt, macht oft den Peronismus für Argentiniens Abstieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verantwortlich.  Die Bewegung, so der Vorwurf, habe eine funktionierende und erfolgreiche Marktwirtschaft durch eine etatistische und protektionistische Ökonomie ersetzt, die schlechter funktionierte und zu einer Militärdiktatur führte.
  • 1980 betrug Argentiniens Anteil an der lateinamerikanischen Industrieproduktion nur noch zehn Prozent – 30 Jahre zuvor waren es noch 40 Prozent gewesen.
  • Brasiliens Bruttoinlandsprodukt war 2008 viermal so hoch wie das Argentiniens – in den sechziger hatten beide Ländern noch gleichauf gelegen.