Liebe Porteños,

ich werde heute Abend in Eurer Stadt, die längst auch meine geworden ist, einen Vortrag halten. Die argentinische Abgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann will, dass ich erzähle, wie in Deutschland mit Gewalt im Fußball umgegangen wurde und umgegangen wird. Und was glaubt Ihr, habe ich auf die Frage, ob ich auf Deutsch oder auf Spanisch sprechen wolle, wohl geantwortet?

Genau.

Wisst Ihr, ich werde meinen Enkel noch davon erzählen, dass ich in Eurem Congreso de la Nación einen Auftritt hatte. Bueno, es ist der Fraktionssaal, in dem ich spreche, vielleicht auch nur ein angrenzendes Hotel, aber Ihr, Ihr wisst doch genau, wie das mit dem Übertreiben ist, oder?

Man erzählt’s nachher so oft, bis man direkt die Präsidentin unterrichtet hat – und es auch noch glaubt.

Übrigens: Als ich neulich in Córdoba war, ist mir aufgefallen, dass es Argentinier gibt, die man auf Anhieb versteht, weil sie nicht so ein Hauptstadthektiknuschelkuddelmuddelspanisch reden wie Ihr. Wenn Ihr also nachher etwas von mir wissen wollt, sprecht bitte deutlich und langsam. Benutzt nach Möglichkeit Wörter, die ich kenne, ich weiß, so viele sind das nicht. Lenkt mich bitte auch nicht mit übertriebenen Gesten vom Verstehen ab. Männer, knöpft Euer Hemd zu, damit ich nicht neidisch Brustfell gucken muss. Frauen, schmeißt Eure Mähne nicht so wild, ich bin verheiratet.

Ach, am besten fragt Ihr gar nichts, liebe Porteños.

Ich muss sowieso schnell weg. Die Kinder sind bei Freunden und Freundinnen, weil ich wieder ein paar Tage alleinerziehend bin. Auf mich wird gewartet!

Ach ja, lacht bitte über meine zwei Scherze, die ich eingebaut habe. Die sind wirklich gut. Ich habe jeweils dreißig Sekunden wildestes Gelächter eingeplant und werde mir auch noch zwei, drei Beruhigungsfloskeln auf die Handinnenseite schreiben. Lasst mich nicht hängen; ich habe zwar jemandem im Saal, der die Witze anlacht, aber nur er und ich, das wäre doch ein bisschen dürftig. Der erste Scherz kommt gleich am Anfang und geht auf Deutsch so: »Oh, Verzeihung. Entschuldigt bitte meinen starken Akzent. Es ist der Traum meines Lebens, zu sprechen wie ein Argentinier. Oder noch besser: wie ein Porteño.«

Brüller. Sag ich doch. Wie die größte Tageszeitung des Landes meinen Namen schreibt, ist aber auch einer: Herrjeh, da schaffst du’s einmal in Clarín, und dann heißt du Cristhoph Wesermann.