Berliner Bürokratie-Anekdote
von CHRISTOPH WESEMANN
Lass Dir sagen: Wenn Du im Ausland lebst, verlier im Heimaturlaub bloß niemals Deinen deutschen Führerschein, denn einen neuen zu beschaffen ist ziemlich kompliziert. Du gehst direkt zum Bürgeramt, um dort Deinen Wohnsitz wieder nach Deutschland zu verlegen. Wenn Du um neun Uhr hingehst, kommst Du schon halb zwei dran (musst aber zwischendurch nicht anwesend sein). Danach besuchst Du Labo, das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Dort kennst Du Dich aus, Du warst ja schon vor zwei Tagen hier, als Du noch glaubtest, für einen deutschen Staatsbürger, der Du nach wie vor bist, wäre es eine Kleinigkeit, einen neuen Führerschein zu beantragen.
Du hattest Dich um halb sieben angestellt, um gleich um 7.30 Uhr dranzukommen. Dann erfuhrst Du aber, dass Du keine Chance hast, weil Du nicht mehr in Deutschland gemeldet bist. Du zeigtest noch auf den Computerbildschirm und stammeltest zur Labo-Frau: »Aber Sie haben doch alle Daten. Das da im System, das ist doch mein Führerschein!« (Übrigens fällt Dir das Siezen unheimlich schwer, weil Du Dich ein Jahr lang durch Argentinien geduzt hast. In Argentinien gilt: Duzen und duzen lassen.) Die Labo-Frau meinte noch, Du müsstest sowieso einen Führerschein in Buenos Aires beantragen, woraufhin Du nur dachtest: »Nee, Frollein, den Bürokratie-Irrsinn dort drüben tue ich mir nicht an. Und außerdem hat nie ein Polizist die deutsche Plastikkarte beanstandet.«
Auf dem Rückweg telefoniertest Du Rat suchend mit allen möglichen Behördisten, beriefst Dich immer wieder auf Deine deutsche Staatsangehörigkeit und batest die Republik Argentinien, der Du sonst unbedingt angehören willst, leise um Verzeihung. Aber es war ohnehin nichts zu machen. Du musstest Dir erst eine deutsche Anschrift besorgen, um Dich dann ein zweites Mal bei Labo vorzustellen.
Im Referat Fahrerlaubnisse, Personen- und Güterbeförderung (III C) herrscht jetzt natürlich – wir sind ja in Berlin – Chaos. Weil seit dem Vortag aus irgendeinem Grund weite Teile der Verwaltung von der Stromzufuhr abgeschnitten sind, funktioniert die elektronische Nummernvergabe nicht, weshalb eine Berliner Schnauze aufruft. Bevor sie das tut, erklärt sie zunächst in einer fünfminütigen Ansprache, dass bitte Ruhe zu herrschen habe, sonst würde man den Laden ganz dichtmachen müssen. Vielleicht mache man das aber auch sowieso.
Du denkst: An einem Tag wie diesem hättet Ihr Knallköppe durchaus 30 Minuten eher öffnen können, also um halb elf, dann wäre die Horde von 300 Leuten nicht ganz so nervös ob der Frage: Komme ich bis zum Schließen des Amtes – für Kunden ohne Termin um halb drei – überhaupt noch dran? Du siehst beim Blick in andere Gesichter: Nicht nur Du denkst das. Wenn Du an der Reihe bist, beantragst Du, weil der Rückflug nach Argentinien naht, einen Expressführerschein, der innerhalb von 48 Stunden fertig sein … »nee, weeß ick nich, kann nix vasprechn, sehnSe ja selbst, wat hier los is, wa?, unser janzes System is im Eima«.
Jetzt musst Du nur noch schnell, also sehr langsam Deinen Berliner Wohnsitz im Bürgeramt wieder abmelden, und zurück in Buenos Aires, stellst Du dann fest, dass Du den verlorenen Führerschein ja gar nicht mit nach Deutschland genommen hattest.
Jetzt hast Du jedenfalls zwei, einen mit und einen ohne Vollbart.
iris
14. August 2013 @ 10:04
Du rufst immer die falschen Leute an. Ein Anruf bei mir, hättest dich auf meine adresse anmelden können und das wirkliche nette Bürgeramt und die entspannte Fahrerlaubnisbehörde in KW kennenlernen können. Dein Artikel wäre ganz anders ausgefallen, denn hier kann ich seit Jahren nur des Lobes voll berichten. Naja, nächstes Mal weißte Bescheid, wa?! 🙂