Posts Tagged ‘Quilmes’

Die Podcast-Premiere: Zwei Herzensargentinier reden sich um Kopf und Magen

von CHRISTOPH WESEMANN

Wacho Chorro (r.) empfängt sein Honorar.

Montevideo/Uruguay ♦ Leser des Argentinischen Tagebuchs kennen ihn schon, el famoso Wacho Chorro, unseren Mallorca-Korrespondenten und Europa-Kantinenchef, »Kopf und Leber« der Borrachos Bornheim vom FSV Frankfurt. Wir haben ihn aus Buenos Aires einschippern lassen – zu einem tiefgründigen, ungeschnittenen Gespräch über Fußball, Frauen, Fleisch und Folklore, über Argentinier und seine Nachbarn, über den Río de la Plata und seine Wellen. Viel Vergnügen.

La comedia del zombi y el cervecero

von CHRISTOPH WESEMANN

Argentina, Capital Federal, son las 17 de la tarde. Una familia típica alemana. Padre y tres hijos menores de edad. La mamá está de viaje. Es el tercer día de su ausencia. Los dos hijos mayores acaban de volver de su colegio.

PADRE. Gracias. ¡Hasta mañana!

CHOFER DE LA COMBI. ¡Hasta mañana! (se va)

PADRE. ¿Cómo les fue en el colegio, muchachos?

HIJA. Bien.

HIJO. Bien.

PADRE. Bien.

HIJO. Mañana me pongo una camiseta del fútbol.

Quilmes

PADRE. ¿La blanquita de Quilmes? ¿La camiseta más hermosa del mundo? ¡Qué grande! Sabés que, somos el equipo del momento en Argentina. ¡Cinco victorias consecutivas! Cinco. No lo puedo creer. Ningún DT nuevo de Quilmes logró ganar sus cinco partidos primeros. Facundo Sava es un genio de puta madre. Yo lo banco mucho. ¡Ojo! Ahora faltan nuevo partidos, todo es posible. O mejor dicho: casi todo. A San Lorenzo y Boca no vamos a alcanzar pero

HIJO. … Papá …

PADRE. … las gallinas de mierda están a nuevo puntos. Si terminamos el torneo quinto me vuelvo loco, ¡carajo! Hay que esperar. Y yo tengo mucha fe. Escúchame, el sábado …

HIJO. … Papá …

PADRE. … le vamos a romper el culo a los putos de Temperley. Y nosotros estaremos en la cancha, alentando a nuestro querido cervecero, eh.

quilmes 2

Quilmes 3

HIJO. ¡Papaaaaaaa!

PADRE. ¿Qué? ¡Hablá!

HIJO. Me voy a poner la camiseta del Bayern Múnich mañana.

PADRE. ¡Olvidalo! Vos vas a vestir tu uniforme, como corresponde.

HIJO. ¡Pero puedo! En mi clase de castellano estamos hablando del futuro. Del mundo en 20 años. Quiénes vamos a ser. Que harémos. Esas cosas. Y por eso mañana nos debemos parecer a la persona que queremos ser más adelante.

PADRE. Y vos en 2035 serás …

HIJO. … futbolista.

PADRE. En el Bayern.

HIJO. Sí. Delantero.

PADRE. (murmura) Yo fracasé en la educación. Es evidente que fracasé totalmente.

HIJO. ¿O podría ir mañana al colegio también como zombi?

PADRE. Mejor. Mucho mejor.

HIJO. Pero me tendrías que ayudar con el disfraz y el maquillaje.

PADRE. Flaco, ¿me estás jodiendo o tengo cara de maestra jardinera? Estoy solo, con vos y tus dos hermanitas locas, Mamá está de viaje, ¿no recordas o te mando un fax?

HIJO. Sí.

PADRE. Entonces, ponete la camiseta. ¡Basta!

HIJA. (entusiasmada) Papi, cuando yo será grande voy a jugar en Quilmes, de verdad. Pero quiero ser arquera.

PADRE. (en voz baja) Lo que faltaba.

HIJA. ¿Qué?

PADRE. Gracias, mi amor, eso es un consuelo enorme. Me haces muy feliz.

El padre se pone a llorar.

-FIN-

♦♦♦♦♦

Otros textos en castellano

Die Komödie vom Zombie und der Bayernsau

von CHRISTOPH WESEMANN

Buenos Aires, 17 Uhr. Eine deutsche Familie in Argentinien. Ein Vater. Die Mutter auf Dienstreise. Der Große (9) und die Mittlere (6) sind gerade mit dem Schulbus angekommen.

VATER. Gracias. ¡Hasta mañana!

BUSFAHRER. ¡Hasta mañana! (fährt ab)

VATER. Wie war die Schule, Leute?

TOCHTER. Gut.

SOHN. Gut.

VATER. Gut.

SOHN. Morgen ziehe ich ein Fußballtrikot an.

Quilmes

VATER. Das weiße von Quilmes? Das schönste Trikot der Welt? Cool. Wir sind die Mannschaft der Stunde, weißt du ja. Fünf Siege in den letzten fünf Spielen. Fünf! Hat vorher noch kein neuer Trainer von Quilmes geschafft. Facundo Sava ist ein verdammtes Genie, sag ich dir. Die halbe Saison lang verlieren wir fast jedes Spiel, dann kommt er, und plötzlich gewinnen wir. Und pass auf, es sind noch neun Spiele, alles ist möglich. San Lorenzo und Boca holen wir nicht mehr ein, aber  …

SOHN. … Papa …

VATER. … bis zu den Hurensöhnen von River Plate sind es nur neun Punkte. Platz fünf wäre Wahnsinn. Am Sonnabend …

SOHN. … Papa …

VATER. … reißen wir erst mal Temperley den Arsch auf. Und wir sind natürlich dabei. ¡Vamos a la cancha!

quilmes 2

> Choripán-Stand vor dem Stadion des Quilmes Atlético Club

SOHN. Paaaaaaapaaaaaa!

VATER. Was?

SOHN. Ich ziehe mein Bayerntrikot an.

VATER. Du ziehst schön deine Schuluniform an, mein Freund! Wie sich das gehört in Argentinien.

SOHN. Aber ich darf. Wir reden in der Schule gerade über die Zukunft. Was in 20 Jahren ist. Was wir dann machen. Meine Lehrerin sagt, wir sollen morgen aussehen wie die Person, die wir in 20 Jahren sein wollen.

VATER. Und 2035 bist du …

SOHN. … Fußballprofi.

VATER. Bei Bayern.

SOHN. Ja. Im Sturm.

VATER. (murmelt) Ich habe versagt. In der Erziehung. Komplett versagt.

SOHN. Ich kann auch als Zombie gehen.

VATER. Besser. Viel besser.

SOHN. Dann musst du mir beim Verkleiden und Schminken helfen.

VATER. Ich bin allein mit euch dreien, schon vergessen?

SOHN. Nein.

VATER. Ich werde einen Teufel tun. Du gehst als Bayernsau und basta.

Quilmes 3

> Mit der Quilmes-Legende Rodrigo el Chapu Braña

TOCHTER. (aufgeregt) Papi, ich spiele für Quilmes, wenn ich groß bin. Wirklich. Ich will aber ins Tor.

VATER. (leise) Auch das noch.

TOCHTER. Wie bitte?

VATER. Danke, mein Schatz, du machst mich gerade ganz glücklich.

Der Vater fängt leise an zu weinen.

VORHANG.

Faule Gnocchi, Frauenüberschuss und ein kleines Krokodil zum Abendessen: Unterwegs im Nordosten Argentiniens und in Asunción (1)

von CHRISTOPH WESEMANN

 

Erster Tag: Formosa

♦♦♦♦♦

Sollten Sie, lieber Leser, eines Tages mit mir, aus Gründen, über die ich an dieser Stelle nicht spekulieren will,1 gemeinsam in der Wüste landen − keine Sorge, die Oase würde ich wohl finden. Falls Sie aber zu den Pyramiden wollen, die gar nicht zu verfehlen sind, fragen Sie bitte jemanden mit Orientierungssinn.

Es ist mein erster Tag im argentinischen Nordosten, ich bin 1200 Kilometer entfernt von Buenos Aires und suche die goldene Perón-Statue. Seltsamerweise stehe ich im Augenblick allerdings vor der Coca-Cola-Fabrik.

Perón-Statue in Formosa

> Perón-Statue in Formosa

Das mexikanische Unternehmen Arca Continental, dem sie gehört, ist einer der wenigen echten Arbeitgeber in der Hauptstadt Formosa und der gleichnamigen Provinz. Die 400 Jobs im Abfüllwerk sind gut bezahlt und entsprechend begehrt. Denn eine nennenswerte Industrie gibt es nicht, und Formosas Tourismus ist auch noch keine Branche, nur Slogan: »El Imperio del Verde«, das Grüne Imperium.

Wichtiger als Coca-Cola ist nur der Staat.

95 Prozent des Provinzhaushalts bezahlt die Nationalregierung. Hilfe säen, Treue ernten, so haben es auch die Vorgänger der Präsidentin Cristina Kirchner gehalten. Deren linksperonistische Siegesfront (Frente para la Victoria) erreichte bei den Parlamentswahlen vor eineinhalb Jahren 60 Prozent in Formosa – fast doppelt so viel wie im Landesschnitt. Bei ihrer triumphalen Wiederwahl 2011 hatte Kirchner hier gar 78 Prozent geholt – landesweit kam sie auf 54.

Cristina Kirchner spricht in Buenos Aires und ist in Formosa zu sehen.

> Cristina Kirchner spricht in Buenos Aires und ist in Formosa zu sehen.

Vier Tage habe ich Zeit, um Formosa und Chaco zu bereisen, jenen Teil des argentinischen Nordostens, den ich noch nicht kenne. Misiones und Corrientes, die beiden anderen Provinzen des NEA, habe ich vor zweieinhalb Jahren mit dem Auto durchquert. Vier Tage, lächerlich. Formosa ist die fünftkleinste Provinz und trotzdem größer als der Freistaat Bayern – ein weites, weitgehend leeres Land mit nur 580 000 Einwohnern.

Der goldene Perón muss hier irgendwo sein. Ich sehe ihn noch nicht, fühle ihn aber. Jeder Argentinier ist ja laut Perón Peronist, einige wissen es nur nicht. »Wir Peronisten sind wie Katzen«, hat der General gesagt. »Wenn wir schreien, glaubt man, wir würden streiten. In Wahrheit pflanzen wir uns fort.« Unmöglich, dass ich den Kerl nicht finde; das glaubt mir doch kein Peronist.

In Buenos Aires haben viele Leute den Kopf geschüttelt. Was will man in Formosa? Dort gibt’s doch nichts. Nichts außer Schmugglern, die Waren aus Paraguay – vor allem Fernseher und Mobiltelefone – auf den argentinischen Markt bringen, weil der für derlei Produkte wegen der Importrestriktionen unverschämte Preise verlangt. Zigaretten? Natürlich. Andere Drogen? Ja, auch.

Biertransport über den Río Paraguay

> Biertransport über den Río Paraguay

Übrigens hat sich der Taxifahrer auf dem Weg vom Flughafen, den Formosa tatsächlich besitzt, zum Hotel sehr böse ausgelassen über die Porteños, die Hauptstädter. »Porteños wissen alles. Deshalb mögen wir sie auch nicht«, sagte er. »Wenn du dich in Buenos Aires nicht auskennst, bist du aufgeschmissen. Dann fährt dich der Taxifahrer zehnmal im Kreis. Fragst du jemanden nach dem Weg, zeigt der hier lang, obwohl du da lang musst. Aber immer weiß er alles, der Porteño.«

Keiner − keiner außer den Porteños, versteht sich − mag die Porteños, so ist das in Argentinien. Und je weiter man sich von ihnen entfernt, umso übler wird ihr Ruf. Hier in Formosa ist die argentinische Hauptstadt in vielerlei Hinsicht sehr weit weg. Die meisten Formoseños kennen sie vor allem aus den Nachrichten oder vom Hörensagen, und über solche Kanäle exportiert Buenos Aires reichlich Geschichten über Mord und Totschlag an jeder Straßenecke. Die Metropole ist ein Moloch, bevölkert von arroganten, egoistischen und kaltherzigen Kreaturen, die überdies mehr Europäer sein wollen als Latinos. In Formosa ist jeder zweite Mestize, also Nachfahre von Weißen und Indigenen. Man lebt viel ruhiger, sagen sie und meinen auch: Wir versuchen nicht, uns 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche gegenseitig übers Ohr zu hauen.

Grenzübergang am Río Paraguay von Formosa nach Alberdi

> Grenzübergang am Río Paraguay von Formosa nach Alberdi

Puerto Formosa 2

Auch geografisch liegt anderes näher als Buenos Aires: Paraguays Hauptstadt Asunción erreicht man mit dem Auto in zweieinhalb Stunden und mit dem Bus in vier. An Formosas Uferpromenade fahren halbstündlich Barkassen über den Río Paraguay nach Alberdi, dem Grenzort des Nachbarn. Dort kaufen Argentinier gerne ein, weil’s drüben billiger ist, und die Paraguayer schicken dafür ihre Kinder in Formosa zu Schule und lassen sich im Hospital de Alta Complejidad »Presidente Juan Domingo Perón« gesund machen (was nicht jedem Argentinier gefällt).

»Ufff, da hast du dich aber ganz schön verlaufen«, sagt der Mann an der Bushaltestelle. »Also, geh mal zehn Blocks geradeaus, nein elf, dann kommt eine große Kreuzung, und dort biegst du rechts ab, gehst zwei Blocks und danach …«

Immer geradeaus, dann sehen wir weiter.

»Warte, mein Chef kommt gerade«, ruft er hinterher. »Sollen wir dich an der Plaza absetzen?«

»Sicher?«

»He, du bist nicht in Deutschland. In Formosa haben wir Vertrauen zu den Leuten.«

Ich finde es ja schön, dass ihr mir vertraut, wirklich, das ehrt mich. Aber die Frage ist doch: Soll ich auch euch vertrauen?

Evita-Denkmal im Stadtzentrum von Formosa

> Evita-Denkmal im Stadtzentrum von Formosa

Sportplatz in Formosa in der Nähe der Uferpromenade

> Sportplatz in Formosa in der Nähe der Uferpromenade

Formosa ist, je nach Statistik, die ärmste, die zweitärmste oder die drittärmste aller 23 argentinischen Provinzen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist das zweitniedrigste nach dem des Nachbarn Chaco und liegt mit 2879 Dollar weit unter dem Schnitt (8269; Deutschland: 40 000). Studien zufolge sind mindestens sechs von zehn Formoseños beim Staat angestellt, was selbst in diesem Land, dessen Bürgermeister, Gouverneure, Minister und Präsidenten immer auch Jobvermittler sind, ein überragender Wert ist.

Freilich, nicht alle Staatsangestellte arbeiten auch für den Staat. Argentinien ist ja voller ñoquis (Gnocchi), Leuten, die zwar offiziell beschäftigt werden, in irgendeiner Behörde oder im Rathaus, aber nur am Monatsende zur Arbeit kommen, wenn der Lohn verteilt wird. Der Spitzname leitet sich ab von den Ñoquis del 29, einem alten argentinischen Brauch, wonach die Familie am 29. des Monats Gnocchi isst, weil das Geld in der Haushaltskasse nicht mehr für eine bessere Mahlzeit reicht.

»Danke fürs Mitnehmen, muchachos

Der Straßenmarkt der Paraguayer (Formosa)

> Der Straßenmarkt der Paraguayer

Ich gehe jetzt ein bisschen spazieren, kaufe den Paraguayern auf dem Markt ein paar CDs mit argentinischer Rockmusik ab und lege mich dann früh schlafen. Morgen muss ich fit sein.

Die neue Uferpromenade von Formosa

> Die neue Uferpromenade von Formosa

Zweiter Tag: Asunción

♦♦♦♦♦

Hätte ich doch weniger Bier getrunken. Oder wenigstens schneller. Nicht bis Mitternacht. Aber Emilio hatte mich überredet, mit Blick auf den Río Paraguay zwei Delikatessen der regionalen Küche zu kosten: als Vorspeise trozos de yacaré rebozados en harina y huevo, den Brillenkaiman aus der Familie der Alligatoren, paniert mit Mehl und Ei; und als Hauptgang Surubí al paquete, den in Folie eingewickelten Pseudoplatystoma aus der Familie der Antennenwelse. Mein erster Abend in Formosa: viel Bier, ein knuspriges kleines Krokodil und ein gut geölter Süßwasserfisch.

Surubí al paquete

> Surubí al paquete

Jetzt, um 3.45 Uhr, klingelt mein Wecker. Ich habe nicht mal Kaffee da, und die Hotelküche ist noch geschlossen, also trinke ich zwei Tassen Cola. Die Dusche gibt kein warmes Wasser. Vielleicht bin ich auch zu blöd, die drei Knäufe zu bedienen, bei mir kommt jedenfalls nur kaltes oder gar kein Wasser. Um halb fünf stehe ich vor dem Hotel. Emilio hat einen Bekannten, der nachts Taxi fährt und mich zum Busbahnhof bringen wird.

Fünf Uhr. Um den Bus nach Asunción nicht zu verpassen, kümmere mich jetzt mal selbst um ein Taxi. »In diesem Land hat man immer das Gefühl, gleich geschieht was Schreckliches, und dann geschieht gar nichts«, lässt der argentinische Schriftsteller Tomás Eloy Martínez (1934-2010) eine Figur seines Romans Der Flug der Königin sagen. »Alles wird weitergehen wie bisher, du wirst schon sehen.«

Wollen wir hoffen, dass die anderen Passagiere genauso müde sind wie ich immer noch.

Busbahnhof von Formosa

> Formosas Busbahnhof morgens um halb sechs

»¡Señor! ¡Señor!«

Kann die verfluchte Alte bitte nicht so brüllen?

»¡Seeeeñññoooorrr! ¡Seeeeñññoooorrr!«

Oder kann sie der verdammte Señor mal hören?

»¡Seeeeeeññññoooooorrrrr! ¡Seeeeeeeññññoooooorrrrr!«

Ach Gott, die meint mich. Ich muss zwei Stunden durchgeschlafen haben, wir haben jedenfalls die paraguayische Grenze schon erreicht. Nur noch die freundliche Señora, ihre Tochter und ich sind im Bus. Das Mädchen, vielleicht elf Jahre alt, schaut mich verängstigt an. Wenn ich Glück hatte, habe ich nur laut geschnarcht. Mein Kinn ist allerdings ein bisschen feucht, das deutet auf sinnloses Gebrabbel im Schlaf hin – mit falscher Spanischgrammatik und schwerem Akzent. Beruhig dich, Kleines. Der alte weiße Mann ist okay.

> Argentinisch-paraguayische Grenze in der Stadt Clorinda

Paraguay 3

Ich bin der Letzte in der Schlange und stehe auch am Schalter wieder länger als alle anderen. Der Grenzbeamte studiert seelenruhig alle Aus- und Einreisestempel; ich habe bolivianische, chilenische, brasilianische, uruguayische, viele argentinische, dazu noch ein paar aus der Ukraine. Señor, ich will nur Asunción angucken. Ja, ich komme heute Abend zurück. Exactamente, ich lebe in Argentinien. , schon ‘ne ganze Weile. (Du hast doch all meine Visa, auch die abgelaufenen, zwei Minuten lang angeglotzt, ¡boludo!2)

Ringsherum sind die Geldwechsler unterwegs, einen Bündel Scheine in der Hand. Amigos, ich habe schon Guaraníes. 207 000! Emilio hat sie mir gestern Nacht geliehen, damit ich nicht bei euch Geiern zum miesen Kurs wechseln muss, sondern erst mal mit dem Taxi ins Zentrum fahren kann. 207 000 Guaraníes sind bei einem Peso-Wechselkurs von 1:380 … nee, das kann ich natürlich zu dieser frühen Stunde nicht … also irgendwas um 500 Peso vielleicht … also 50 Euro. Die Geldwechsler waren vorhin auch schon im Bus, ich habe sie im Halbschlaf gehört. Das war kein Traum, ich erinnere mich genau.

Puh, geschafft. Ich leg mich noch mal hin, lese ein bisschen und warte darauf, dass ich wegdöse.

Der Flug der Königin, erschienen 2002, verwebt die Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen einem Chefredakteur und einer jungen Journalistin mit dem politischen Geschehen im korrupten Argentinien der späten neunziger Jahre, kurz vor dem Zusammenbruch. Tomás Eloy Martínez ist ein brillanter Erzähler.

»¡Venga!«

Der Busfahrer ist extra ins Oberdeck gestiegen. Mehr sagt er nicht. Ich soll nur mitkommen. Hoppla, offenbar habe ich zwar Argentinien verlassen, mich aber nicht von den Paraguayern aufnehmen lassen. Kann doch mal passieren, oder?

Na ja, sagt der Blick des Busfahrers.

Neben dem Schalter ist das Büro der paraguayischen Polizei, da muss ich jetzt auch noch schnell Hallo sagen, weil auf der Passagierliste des Busunternehmens hinter einem Namen das Häkchen fehlt. Sitzplatz 24. Ja, der bin ich.

Abfahrt.

> Der Río Paraguay und die Skyline von Asunción

> Der Río Paraguay und die Skyline von Asunción

Mein Freund Pablo schickt mir eine Nachricht. »Pass bloß auf«, schreibt er. »Die Paraguayerinnen sind äußerst warmherzig und die schönsten Frauen nach den Argentinierinnen.«

In Asunción herrscht Frauenüberschuss, wie es typisch ist für südamerikanische Metropolen. Hotels, Cafés und Restaurants, die weibliche Servicekräfte brauchen, sind auf dem Kontinent weitgehend ein Großstadtphänomen; hinzu kommt eine Wohlstandsschicht, die die Arbeit im Haushalt gern outsourct und sich bedienen lässt. Die Stadt gehört, demografisch gesehen, den Jungen: Mehr als die Hälfte aller Bewohner sind noch keine 30 Jahre alt; nur jeder zehnte hat die 60 schon überschritten.

Der Großraum Asunción ist auch einer der 20 großen Ballungsgebiete Südamerikas. Mehr als zwei der 6,7 Millionen Paraguayer leben hier. Täglich, so schätzt man, fahren 2,1 Millionen Menschen und mehr als 300 000 Fahrzeuge hinein in die Hauptstadt. Offiziell heißt sie übrigens: La Muy Noble y Leal Ciudad de Nuestra Señora Santa María de la Asunción, die sehr noble und treue Stadt unserer Heiligen Jungfrau Mariä Himmelfahrt. Asunción ist auch eine der ältesten spanischen Städte des Kontinents, gegründet 1537, eineinhalb Jahre nach Buenos Aires.

Ich kenne überhaupt keine andere paraguayische Stadt.

Der bekannteste Paraguayer?

Für mich: Roque Santa Cruz.

 

Der Polizist vor dem Busbahnhof meint, das Taxi ins Zentrum werde ungefähr 50 000 Guaraníes kosten. Mhhmm, das macht, du hast es gleich, fuffzig durch dreikommaacht, sagen wir: vier, la puta madre,3 ist das ein Wechselkurs de mierda, fuffzig durch vier sind zwölf, und jetzt noch die Nullen hinten dran, la concha de mi hermana,4 so schwer ist das doch … ach komm, gib auf, unmöglich. Versucht hast du‘s ja.

Die paraguayische Nationalbank im Stadtzentrum von Asunción

> Die paraguayische Nationalbank im Stadtzentrum von Asunción

Palacio de los López, der Präsidentenpalast

> Palacio de los López, der Präsidentenpalast

Das Nationalparlament

> Das Nationalparlament

Paraguay 9

Catedral Metropolitana, Bischofskirche des Erzbistums Asunción

> Catedral Metropolitana, die Bischofskirche des Erzbistums Asunción

Ich beschließe, mich treiben zu lassen. Kein Stadtplan. Mir bleiben ohnehin nur fünf, sechs Stunden, bis der Bus zurückfährt, und ich weiß ja ungefähr, was ich sehen will: das Parlamentsgebäude, die Kathedrale, den Panteón de los Héroes, in dem die Reste der Kriegshelden aufbewahrt werden, den stillgelegten Hauptbahnhof von 1861 und natürlich den Palacio de los López, den Präsidentenpalast. Seit zwei Jahren regiert dort der Konservative Horacio Cartes, ein gelernter Flugzeugmechaniker und Tabakbaron.

Auf dem Heldenplatz, der Plaza de los Héroes

> Auf dem Heldenplatz, der Plaza de los Héroes

Paraguays Ruf ist ja nicht der beste: Armut, Schulden, Korruption und Ungleichheit – von all dem hat das Land reichlich, mehr als viele andere Länder. Selbst für südamerikanische Verhältnisse soll es bisweilen ziemlich gesetzlos zugehen, und die Vetternwirtschaft hat ohnehin eine lange Tradition. In unguter Erinnerung sind auch die 35 Dienstjahre des Präsidenten Alfredo Stroessner (1954-1989). Der Sohn eines Buchhalters aus Oberfranken und einer Guarani-Indianerin war ein glühender Antikommunist und Tyrann, was erfahrungsgemäß keine angenehme Kombination ist. Stroessner ließ Widersacher foltern und trieb eine Million Landsleute ins Exil. Franz Josef Strauß verlieh ihm 1973 den Bayerischen Verdienstorden.

Ich kaufe doch mal einen Stadtplan. Wegen Pablos Auftrag sehe ich mittlerweile bloß noch Banken und Geldautomaten. Aber ich fühl mich wohl, ich bin vielleicht sogar verliebt, ein kleines bisschen. Eine Großstadt, die nicht unaufhörlich brüllt –  so etwas kennt man nach fast drei Jahren in Argentinien ja gar nicht mehr. Asunción ist jedenfalls zur Mittagszeit leiser als Buenos Aires nachts um drei, und das liegt nicht bloß an der Müllabfuhr, die dann durch unsere Straße rumpelt. (Also, jede Nacht um drei.) Hier ist es, als ob man Ohrenstöpsel trüge, so gedämpft erzählt Asunción von sich.

Der Stadtplan kostet 20 000 Guaraníes. Bestimmt ein Schnäppchen. ¡Vamos!

Polizistenverschnaufpause

> Polizistenverschnaufpause

Argentinier im Allgemeinen halten eher wenig von ihren Nachbarn – und trotzdem viel mehr als die umgekehrt von ihnen. Auf die Bolivianer, Brasilianer, Chilenen, Paraguayer und Uruguayer wirken sie überheblich und laut. Der Argentinier, heißt es, fällt, das Trikot seines Fußballklubs stets am Leib, ins fremde Land ein, flucht unaufhörlich und fordert: Bewundert mich!

Es ist kein Geheimnis: Argentinier bilden sich auf ihre Herkunft viel ein, obwohl es mit dem Land im Grunde seit 80, 90 Jahren − die Spanier sagen: seit dem 9. Juli 1816bergab geht. »Wenn ich abends nach Hause komme, ist die Straße menschenleer. Ich sehe nur Bettler, die sich daherschleppen«, sagt die junge Journalistin im Flug der Königin zu ihrem Geliebten, dem Chefredakteur. »Wir sind uns dessen gar nicht bewußt, Bitte,5 aber Buenos Aires verändert sich. Es ist ein Schmetterling, der ins Larvenstadium zurückschlüpft.«

Ein Elendsviertel hinter dem Nationalparlament

> Ein Elendsviertel hinter dem Nationalparlament

Asunción: Ein Elendsviertel hinter dem Nationalparlament

Aber die ganz alte Vergangenheit glänzt nach wie vor. Lange war Argentinien ja die größte Nummer auf dem Kontinent. Die erste U-Bahn Lateinamerikas (und der gesamten Südhalbkugel) fuhr 1913 in Buenos Aires, auch das erste Kinderkrankenhaus (1875) stand hier. Es war ein Argentinier, der Chirurg René Favaloro, dem 1961 die erste Bypass-Operation am Herzen gelang. Der erfolgreichste Formel-1-Fahrer, bevor der Kerpener kam? El Balcarceño, Juan Manuel Fangio, fünfmal Weltmeister in den fünfziger Jahren, 24 Siege in 51 Rennen. Das schönste und beste Opernhaus der Welt laut Wilhelm Furtwängler, dem Jahrhundertdirigenten? Das Teatro Colón, eröffnet 1908 und fast gelegen an der breitesten Straße der Welt, der 9 de Julio. Wer kann bei so viel Pracht schon mithalten?

> Verlassener Mate

> Verlassener Mate

> Fotograf im absoluten Parkverbot neben dem Panteón de los Héroes

> Fotograf im Parkverbot neben dem Panteón de los Héroes

Die Nachbarn rächen sich mit schlechten Witzen. Wie begeht ein Argentinier Selbstmord?, fragen sie. – Er springt von seinem hohen Ego. Warum rennt er aus dem Haus, wenn‘s draußen blitzt? – Er denkt, Gott fotografiert ihn.

Ganz schön warm heute in Asunción. Ich kann die Jacke wohl ausziehen. Mein Trikot: das weiße vom Quilmes Atlético Club.

Clorinda, der argentinische Grenzort, am Abend

> Clorinda, der argentinische Grenzort, am Abend

Clorinda, der argentinische Grenzort, am Abend

Paraguay 17

  1. weil es nur um den fabelhaften Einstieg in diesen Text geht []
  2. Schwachkopf/Depp, sehr beliebte Anrede in Argentinien []
  3. argentinischer Fluch: puta = Hure, madre = Mutter, la = die []
  4. das Geschlechtsorgan meiner Schwester, nur derber []
  5. ihr Spitzname für den Chefredakteur []

Piranhas am Straßenrand, mein tapferer Zeh und ein schwerhöriger Priester: Die Wallfahrt nach Luján

von CHRISTOPH WESEMANN

Drei Pilger: der Autor mit Cristian (M.) und Nedy

Drei Pilger: der Autor mit Cristian (M.) und Nedy

Wallfahrt 20

Route: Liniers > Morón (8,467 km) – Morón > Merlo (10,024 km) – Merlo > La Reja (9,695 km) – La Reja > Las Malvinas (9,007 km) – Las Malvinas > General Rodríguez (3,054 km) – General Rodríguez > Basílica de Luján (16,163 km)

♦♦♦♦♦

 

10.30 Uhr – Stadtteil Liniers (Buenos Aires).

Erste Schritte. Mit meinen Marathonlaufschuhen, mit denen ich selbstverständlich noch nie Marathon gelaufen bin, läuft es sich wie auf Federn. Vielleicht pilgere ich heute nicht nur die 60 Kilometer vom Bahnhof Liniers nach Luján (sprich: Lu-chahn), sondern morgen auch gleich noch zurück.

11 Uhr.

Kern des Pilgerns ist: Bescheidenheit. Demut.

Geh nicht zu schnell! Lass sie rennen! Halt deine Schrittfrequenz! Raste sparsam!

11.30 Uhr – Haedo

Erster Stopp. Unplanmäßig. Schmerzen. Ich ziehe den Schuh aus und versuche, den Fuß aus der Marathonläufersocke zu bekommen, ohne dass der kleine Zeh, den ich mir vor zwei Wochen gebrochen habe, etwas davon merkt.

Wo sind wir überhaupt? Ah, Haedo, 41 509 Einwohner. Die Vororte von Buenos Aires sehen ja alle gleich aus. Hoch über dem Bürgersteig hängen die − in der Hauptstadt verbotenen − Werbetafeln der Taxizentralen, Anwälte, Banken, Matratzenmacher und Schlüpferverkäufer, und irgendwann kommt eine Plaza, die aussieht wie die davor und die danach: ein Befreier auf dem Pferd, Brunnen, Palmen, ringsherum Rathaus, Kirche, Gericht, Museum, Café, Kiosk, Café, Kiosk, Café.

Ich hole die Pflaster hervor und klebe wild an Zehen und Hacken herum. Ein Mann beugt sich herunter und fragt, ob ich Creme wolle, er habe welche dabei. »Anaflex« heißt sie. Danke.

»Falta mucho?«, frage ich Cristian. Frei übersetzt: Ist es noch weit? Nein, die Frage kommt nicht zu früh. Im vorigen Jahr hatte ich schon nach 300 Metern das erste Mal gefragt.

»Falta muy poco.«

Wir sind also fast da.

Cristian fragt, ob ich eine der grünen Tabletten schlucken wolle. Nein, Doping lehne ich ab.

12 Uhr.

»Anaflex« ist sensationell. Die Schmerzen sind weg. Könnte aber auch an »Actron 600« liegen, den grünen Pillen, von denen ich dann doch eine … ist ja nur Ibuprofen. Also kein Doping.

12.15 Uhr.

Es ist übrigens die 40. Wallfahrt der Jugend nach Luján. Und meine zweite.

Mit Cristian am 5. Oktober 2013 vor der Basilika von Luján

Mit Cristian am Morgen des 6. Oktober 2013 vor der Basilika

12.45 Uhr.

In der Apotheke gibt es keine Salbe von »Anaflex«. Nur »Diclofenac«. Soll aber genauso wirken. Probiere ich gleich aus. Neue Pflaster von »Band-Aid« haben wir auch. »Diclofenac«. »Actron 600«. »Band-Aid«. Ich fühle mich, als hätte ich die argentinische Ausgabe der »Apotheken-Umschau« gefrühstückt.

13 Uhr.

An der Straße werden Regencapes verkauft, weil Regen angekündigt ist. Man staunt ja immer wieder, wie flink argentinische Straßenhändler ihren Warenbestand umstellen können. Schiene wie im vorigen Jahr die Sonne, würden sie jetzt Sonnencreme verkaufen. Und Sonnenbrillen. Und Sonnenschirme. Und Handventilatoren. Und die passenden Batterien. Halbleer allerdings.

Wir kaufen natürlich keine Regencapes. Es regnet ja nicht. Sonnenmilch und alles andere würden wir auch nicht kaufen. Gegen die Sonne, die nicht da ist, trage ich meinen Hut vom Fußballverein Quilmes Atlético Club. Vor einem Jahr hatte ich schon am frühen Nachmittag ein knallrotes Gesicht. Weil wir keine Sonnenmilch gekauft hatten.

Vorübergehende Sperrung für den Autoverkehr

Vorübergehende Sperrung für den Autoverkehr

13.20 Uhr.

Cristian, mein argentinischer Freund, dessen Eltern aus Bolivien stammen, pilgert schon zum siebten Mal. Ich hatte ihm irgendwann erzählt, dass ich mit dem Auto nach Luján gefahren sei. Was für eine Riesenstrapaze das war! Üble Straße, unlesbare Wegweiser und so weiter. Ich erfuhr, dass Hunderttausende offenbar vollkommen Verrückte am ersten Sonnabend im Oktober zu Fuß nach Luján gehen. »Ich bin einer von ihnen«, hatte Cristian gesagt. »Willst du mitkommen?«

Pilger 1

Als wir dann am 5. Oktober 2013 unterwegs waren, zwei von zwei Millionen, erzählte er von der Tradition: Die Gläubigen pilgern zur Basilika und tragen der Jungfrau ihre Sorgen vor. Zeigt sich im Laufe des Jahres dann, dass sich die Jungfrau der Probleme angenommen hat, muss man die nächsten drei Jahre wieder zu ihr pilgern. Aus Dankbarkeit. Von mir hat sie nichts erfahren. Ich wollte in dieser Nacht nichts riskieren.

13.30 Uhr.

Cristians alter Schulfreund Nedy begleitet uns, auch er hat bolivianische Wurzeln. Ach, wie beneide ich ihn: Er weiß noch gar nicht, was ihm bevorsteht, es ist sein erstes Mal. Mein Hausmeister hat heute Morgen, als er mich davongehen sah, übrigens geschworen, es seien mehr als 60 Kilometer von Liniers nach Luján. Eher 70. Sein Kollege nebenan sagte: 80. Die beiden sind die Strecke vor vielen Jahren angeblich mal mit Fahrrädern abgefahren. Nedy wird aber auch zum ersten Mal die Frauen sehen, die vor dem Altar weinen und dabei Fotos ihrer Kinder und Enkel hochhalten.

Chrorípankauf (2013)

Chrorípankauf (2013)

Mittagessen. Wir holen uns Chorípan, eine grobe Wurst vom Grill im Baguette, und essen sie auf dem Bordstein sitzend. Köstlich. Ich könnte jetzt ein Bier nicht vertragen; würde dank der grünen Pille herrlich rumsen. Aber Alkohol darf ja heute nicht verkauft werden. (Und wird trotzdem heimlich verkauft.)

Wir sind in Morón angekommen, 122 642 Einwohner, Heimat eines Drittligisten mit dem Spitznamen »El Gallo«, der Hahn. Ich habe die Mannschaft mal an einem Winterabend gegen Platense gesehen, den »Tintenfisch«. Mieses Spiel.

Wallfahrt nach Luján (2014)

Wallfahrt nach Luján (2013)

Wallfahrt nach Luján (2013)

14.30 Uhr.Wallfahrt 18

Gleich beim ersten Souvenirstand halte ich an. Diese weiß-himmelblauen Bändchen mit dem Bild der Jungfrau und der Aufschrift »Protegé mi …« gefallen mir. Eins kostet umgerechnet 70 Cent.

»Was soll beschützt werden, chico?«, fragt der Händler. »Ich habe, warte, lass mich gucken: Beschütz meine Familie, Beschütz mein Auto oder Beschütz mein Moped

»Mein Auto.«

»Macht zehn Pesos.«

»Dein Auto? Du bist ein solcher Schwachkopf!«, sagt Cristian.

»Ähm Señor, meine Familie natürlich. Aber das Auto-Bändchen kaufe ich auch.«

15 Uhr.

»Wie willst du eigentlich mit diesem Zeh und dieser Frisur nach Luján kommen?«, hatte die Frau gestern gefragt. Eine Frechheit. Mein Zeh ist so tapfer.

15.05 Uhr.

Ich habe mich gerade in einem Schaufenster gespiegelt. Meine Frisur, das räume ich ein, ist gewagt. Carlos kann halt nur kurz, vorne jedenfalls. Er schneidet seit 40 Jahren Haare. (Die Frau meint: wie vor 40 Jahren.) Den Friseursalon bei uns im Viertel hat er im Winter 1974 aufgemacht. Er fragt mich immer nach Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge. Und zum Abschied zeigt er mir das Schwarzweißfoto von seiner Hochzeitsreise nach Dortmund. Ja, Dortmund. Die Ehe hat trotzdem gehalten.

Wallfahrt 2

Wallfahrt 1

Wallfahrt 3

16 Uhr − Castelar.

In Castelar denke ich an Alejandro, Fernando, Mauricio und Daniel, wobei Alejandro, genannt »der Affe«, schon tot ist. Sie sind die Helden aus dem großartigen Buch »Vier Jungs auf einem Foto« des Schriftstellers Eduardo Sacheri und stammen wie er aus Castelar.

Als Alejandro »Mono« stirbt, hinterlässt er nicht nur eine schmerzliche Lücke im Leben von Fernando, Mauricio und Daniel, sondern auch ein Riesenproblem: Das Erbe seiner kleinen Tochter droht sich in nichts aufzulösen. Monos gesamtes Vermögen steckt in einem jungen Fußballspieler, der einst eine glorreiche Karriere vor sich hatte, mittlerweile aber in einem drittklassigen Club kickt. In ein paar Monaten ist er keinen Peso mehr wert. Den Freunden bleibt nur eine Chance: Sie müssen den Spieler verkaufen, und zwar schnell. Doch wie sollen sie, die keine Ahnung vom Fußballgeschäft haben, einen Stürmer an den Mann bringen, der keine Tore schießt? Der Kampf um Monos Erbe wird zur Herausforderung ihres Lebens – und zur Zerreißprobe ihrer Freundschaft.

Inhaltsangabe des Verlags

Wir kaufen uns an einem Stand Bondiola, also fettiges Nackensteak vom Schwein im Baguette. Hat noch nirgends besser geschmeckt als in Castelar.

Wallfahrt 5

18 Uhr.

Wir haben vorhin mit vollem Bondiolamund ausgemacht, mindestens zwei Stunden ohne Pause zu gehen. Das machen wir. Wir halten weder in Ituzaingó noch in Merlo oder Moreno. Ich glaube, in Moreno hatten wir im vorigen Jahr unsere Rucksäcke öffnen müssen. Alkoholkontrolle der Polizei. Diesmal wird nicht kontrolliert.

18.30 Uhr.

Wir befinden uns auf dem unangenehmen, weil sehr langweiligen Teil des Pilgerwegs. Es geht nur noch geradeaus, immer den Gleisen entlang. Die nächste Sehenswürdigkeit: die Ampel, dort ganz hinten, also ganz vorn am Horizont. Vier Kilometer. Alles ist jetzt Luftlinie.

Wallfahrt nach Luján

18.50 Uhr.

Regen! Blitze! Donner! Die vor Stunden gekauften Umhänge kommen zum Einsatz. Bei den anderen. Und Regenschirme, die größtenteils Gerippe sind. Weil ich keinen eingepackt habe, reicht mir Cristian eine dunkelgraue Mülltüte. Die Löcher für Kopf und Arme hat er schon herausgeschnitten. Ein Pilgerprofi.

19 Uhr.

Guck mal, Diego geht direkt hinter uns. Ich habe ja an der Universidad Kennedy »Politische Kommunikation« belegt oder »Politische Strategie« oder »Strategische Politik« oder »Kommunikative Politik«. Und Diego leitet den Kurs: jeden zweiten Freitag im Monat von 9 bis 21 Uhr, Zertifikat im Oktober 2015. Ja, nur einmal im Monat. Aber das Erholen von zwölf Stunden Spanisch dauert bei mir auch zwei Wochen.

Diego hat noch gearbeitet und ist deshalb von Merlo losmarschiert. Pfffffff, fast die Hälfte ausgelassen. ¡No vale! Zählt nicht!

19.30 Uhr.

Die Shell-Tankstelle. Auf die warte ich schon seit Stunden. Noch 300 Meter, dann kommt rechts »La Quinta«, das Landhaus. Großer Garten. Großer Pool. Ein Geheimtipp. Die Besitzer grillen jedes Jahr Hamburger und Würste. Essen und Trinken sind kostenlos. Viele Pilger, die wenig Geld haben, stärken sich hier. Man kann sich sogar im Haus eine Weile aufs Bett legen. Aber das ist jetzt voller Mädchen.

Cristian mit Padre Adolfo (2013)

Cristian mit Padre Adolfo (2013)

Wir treffen Padre Adolfo, einen der vielen Priester, die mit der Masse pilgern. Viele von ihnen arbeiten und leben in Villas Miserias, den Elendsvierteln. Ihnen braucht man nichts übers Leben zu erzählen. Sie wissen alles. Sie kennen die Jungs, die Drogen verkaufen, und die, die an ihnen hängen. Oft sind’s ja dieselben. Wenn man verstehen will, warum die Katholiken in Südamerika mit Papst Benedikt XVI. nie ganz warm geworden sind – das ist die Erklärung. Er wirkte auf die Leute hier intellektuell und kühl, den Alltagssorgen entrückt. Der Priester ist für Katholiken auf dem Kontinent zuallererst ein Seelsorger, und die Kirche ein Zufluchtsort, wo es warmes Essen gibt und das Kind Nachhilfe bekommt oder ein Buch lesen kann. Der Unterricht fällt in den Armenvierteln ja regelmäßig aus − wenn es stark regnet zum Beispiel. Dann wollen oder können die Lehrer nicht kommen.

Benedikts Nachfolger hat Heldenstatus. Papst Franziskus‘ Ansehen liegt meilenweit vor allen anderen, ähm, Autoritäten im Land. In einer aktuellen Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts haben 88,6 Prozent der Befragten ein positives Bild vom Papa argentino. Zum Vergleich: Präsidentin Cristina Kirchner schafft gerade 27,7 Prozent; Hauptstadtbürgermeister Mauricio Macri, der im Oktober 2015 ihr Nachfolger werden will, kommt auf 42,2 Prozent.

Wallfahrt nach Luján (2013)

Die Zeitschrift »Noticias« hat übrigens jüngst berichtet, der Papst sei sehr sauer auf all die Regierungsleute, die ihn jetzt besuchen. Als er noch Jorge Mario Bergoglio hieß und Erzbischof von Buenos Aires war, haben sie ihn nämlich beschimpft, ja gehasst, weil er eine ihrer lautesten Kritiker war. Franziskus wundert sich auch, dass er einige seiner Landsleute bei der Generalaudienz treffe und hinterher höre, er habe ihnen ein privates Gespräch gewährt. »Wird das eine deformación argentina werden?«, fragt er. Der Text endet mit einem Zitat, das wohl nur ein argentinischer Papst bringen kann: »Sie halten mich für eine französische Prostituierte.«

»Padre Adolfo, wie geht’s?« Kuss auf die Wange. Im vorigen Jahr hatte er mir als einziger die Wahrheit gesagt: dass es noch sehr weit sei nach Luján. Als er das hört, lacht er. »Und ist es noch weit?«, frage ich. »Aber sag mir bloß nicht die Wahrheit!«

»Es ist nicht mehr weit. Das ist die Wahrheit.«

21.30 Uhr.

Ich brauche einen Wanderstock. Dringend.

21.35 Uhr.

Es werden Besenstiele verkauft.

Wallfahrt nach Luján (2014)

21.40 Uhr.

Ich kaufe doch keinen Besenstiel.

21.45 Uhr.

BESENSTIEL!

22 Uhr.

Plötzlich steht ein Mann neben mir, deutet auf meinen Hut und krempelt dann seine Hose ein Stück hoch, um sein Tattoo vom Quilmes Atlético Club zu zeigen. Fette Umarmung. Dos Cerveceros. Zwei Bierbrauer. So nennen wir uns, weil aus Quilmes Argentiniens bekanntestes Bier kommt. Er ruft gleich seine Freunde herbei: »Hey, wir haben sogar Fans in Deutschland.«

Wallfahrt 9

22.15 Uhr – General Rodríguez.

Das letzte Drecksnest vor Luján. Noch 16 Kilometer. Vor einem Jahr lagen Pilger links und rechts der Straße im Gras. Viele schliefen. Jetzt ist alles aufgeweicht vom Regen. Dafür werden wir, auf den letzten Metern sozusagen, gut versorgt. Helfer reichen Wasser, Kekse, Kakao und Mate cocido, also Teebeutel-Mate, der nur halb so gut schmeckt wie der echte. Die Versorgung ist überhaupt sehr gut. Es gibt auf der ganzen Strecke 57 medizinische Stützpunkte; ob Massage oder Blasenaufstechen: Die Hilfe ist kostenlos.

General Rodríguez am 5. Oktober 2013

General Rodríguez am 5. Oktober 2013

Am 5. Oktober 2013 wurde mir in General Rodríguez mein Quilmes-Hut geklaut. Okay, in Wahrheit habe ich ihn verschenkt, an einen Würstchengriller, der behauptete, aus Quilmes zu sein. Aber der angebliche Diebstahl ist mir weniger peinlich.

Angeblicher Mützendieb (2. v. l.)

Angeblicher Mützendieb (2. v. l.)

»He, du hast ja deinen Hut noch auf«, sagt Cristian, als wir die Stadt verlassen haben.

23 Uhr.

Noch zwei Stunden. Schätze ich. Niemandsland. Nur noch wenige Stände. Am Straßenstrand stehen Autos mit einer Pappe an der Frontscheibe: »Remís 50 Peso«. Die Besitzer würden einen also für umgerechnet drei Euro (Schwarzmarktkurs) zur Jungfrau bringen.

So kurz vorm Ziel.

Das ist gemein.

Und ungemein verlockend.

»Piranhas!«, sagt Cristian. »Nicht hingucken!«

23.45 Uhr.

Dort hinten bei den Lichtern ist die Brücke, die vorletzte. Ich kann sie nicht sehen, aber ich glaube Cristian jetzt alles. Von dort sind es nur noch acht Kilometer nach Luján. 90 Prozent haben wir geschafft. Sagt Cristian. Er hält das offenbar für eine motivierende Nachricht.

Zwanzig Minuten später, unter der Brücke, sticht er mir mit seinem Haustürschlüssel eine kirschgroße Blase auf. Sollten wir noch mit den Priestern sprechen, die dort aufgereiht sind? Schnelle Beichte? Ach nee, habe ich im vorigen Jahr gemacht, und es war nicht so ergiebig. Der Priester fragte, woher ich käme, und überlegte dann, welche deutschen Wörter er kenne. Und? Tja, »und«.

Wallfahrt nach Luján (2014)

Unter der vorletzten Brücke: noch acht Kilometer bis nach Luján (2014)

Cristian kann »Guten Tag« sagen, »Arsch« und seit General Rodríguez »Ich heiße Cristian«.

Nedy und ich cremen noch mal die Füße mit »Diclofenac« ein. Ich nehme meine dritte grüne Pille.

»Ist für dich die letzte heute, mein Freund«, sagt Cristian.

Sonntag, 0.15 Uhr.

Bei jedem Motorrad, das vorbeifährt, bei jedem Auto, das hupt, damit wir den Weg freimachen, selbst bei dem Jungen auf dem Fahrrad rufen wir: »¡Trampa!« Das bedeutet: Mogelei! Ein Baby im Kinderwagen ist auch trampa.

Nur auf eigenen Füßen zählt.

0.30 Uhr.

Ein Rollstuhl überholt uns. Trampa! Ja, auch unser Humor kriegt langsam Blasen.

0.40 Uhr.

Cristian erzählt, es gebe auch eine viertägige Wallfahrt, die von Buenos Aires nach San Nicolás de los Arroyos führe und 240 Kilometer lang sei. Könnten wir ja im nächsten Jahr machen.

Mal sehen.

0.55 Uhr.

Wir reden kaum noch. Es ist alles gesagt. Wir sind gleich da. Gewiss.

Jeder Schritt tut weh. Ich kann die Schmerzen nicht mehr orten. Es brennt unten und oben, vom großen Zeh bis zur Hüfte.

Ringsum allgemeines Humpeln. Mit krummem Rücken. Vornübergebeugt. So geh’n die Gauchos.

1 Uhr – Luján.

Luján! Luján! Luján! Luuuuuujaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaan. Also: der Ortseingang. »Brauchst du wieder eine Massage?«, fragt Cristian.

»Weiter!«

1.02 Uhr.

Kurze Pause. Mehr »Diclofenac«. Warum bloß habe ich mich diesmal nicht massieren lassen?

Massage in Luján am 5. Oktober 2013

Massage in Luján am 5. Oktober 2013

1.04 Uhr.

»No falta nada«, sagt Cristian. Es fehlt nun wirklich nichts mehr, wir sind im Grunde angekommen. Zum wievielten Male eigentlich? Ein Wagen mit Lautsprecher überholt uns. »Menos que 40 cuadras«, spricht ein Junge ins Mikrofon. »Weniger als 40 Blocks.«

Ein Häuserblock, das sind in Argentinien, wo die Städte von oben wie Schachbretter aussehen, 110 Meter. Noch 4,4 Kilometer? Viertausendvierhundert Meter? La puta que me parió.1 Dreizehntausendzweihundert Schritte. Dreizehntausendzweihundertmal dieses Gefühl, dass der Fuß auf Glut geht. Nedy, der dritte Mann, hat’s auch gehört und guckt noch niedergeschlagener als ich.

»Er hat gesagt: weniger als 40!«, sagt Cristian. »¡Vamos muchachos, no falta nada!«

1.47 Uhr.

Wir sind da. Vor der Basilika steht ein Priester mit Mikrofon, begrüßt die Pilger und fragt, woher sie kämen.

»Chaco

»Herzlich willkommen.«

»Formosa

»Willkommen. Alles gut?«

»Córdoba.«

»Ihr habt’s geschafft!«

»Alemania.«

»Woher?«

»Alemania!«

»Ich verstehe nicht. Komm mal näher.«

»Aaaaa-leeee-maaaaa-niiiiiii-aaaaaa!«

Schweigen.

Wallfahrt 12

Wallfahrt 11

Schlafende Pilger in der Basilika von Luján (2013)

Schlafende Pilger in der Basilika von Luján (2013)

 

  1. »Die Hure, die mich geboren hat.« Argentinischer Fluch []

Glückliche Hühner, ein 1:0-Horrorfilm und der Peter Neururer von Argentinien

von CHRISTOPH WESEMANN

Aua, das hat weggetan. Mein Quilmes Atlético Club ist gestern Abend heftig vermöbelt worden, ein Tor schöner, also furchtbarer als das andere. Nullfünf im Estadio Monumental, der Riesenschüssel der gallinas, der Hühner, wie River Plate und seine Fans auch genannt werden. Und weil River (→ ehemaliger Zweitligist) mal wieder argentinischer Meister ist, zum 35. Mal, gackerten 63 000 rotweiße Hühner ihre scheußlichen Lieder. Die Spieler bestiegen einen offenen Bus und drehten eine Stadionrunde.

 

River 5

River 4

River 3

River 2

River 1

Ich bin ja vor fast zwei Jahren nach Argentinien als Fan der Boca Juniors eingewandert, um dann zu festzustellen, dass der Klub viel zu groß für mich ist. Man kommt auch nicht an Eintrittskarten, jedenfalls nicht auf legalem Wege, und außerdem ist Boca total überlaufen von Ausländern, die sich argentinisch benehmen wollen. Heute bin ich Sympathisant  – und sobald es gegen River geht,  ein wieder Frischverliebter.

Gestern ist mein Herzensklub gegen den Intimfeind meines Kopfklubs untergegangen. Das führte bei mir im Stadion zum Zustand vollkommener Benommenheit – als würde mich jemand würgen, nachdem er mir reichlich Valium verabreicht hat.

Aber ich habe nicht geweint, vielleicht auch nur, weil das ringsherum schon die Hühner taten.

Außerdem war es eine herrliche Saison des Quilmes Atlético Club. Erstens: nie mehr zweite Liga, nie mehr, niemehrniemehr. Wir bleiben auch zwei Jahre nach dem Aufstieg erstklassig. Zwischendurch waren wir natürlich schon fast abgestiegen. Der erste Trainer hatte sich Mitte Oktober nach einem Heimspiel mit einem maulenden Zuschauer geprügelt und war daraufhin zurückgetreten. Sein Nachfolger verlor Spiel um Spiel. Erst unter Ricardo Caruso Lombardo, dem Peter Neururer Argentiniens, einem Sprücheklopfer und Feuerwehrmann, ging es aufwärts.

Und zweitens: die historische Nacht vom 26. April 2014, das Auswärtsspiel gegen Racing in Avellaneda. Im Stadion von Racing hatten wir noch nie gewonnen und in der Stadt Avellenada seit fast 100 Jahren (1915 gegen Independiente) nicht mehr.

Bis zu dieser Nacht.

Um 21.05 Uhr schrieb ein Huhn auf Twitter: »Schaue gerade auf Kanal 9 den Horrorfilm Racing – Quilmes.«

Und dann fiel ein Tor.

Um 22.59 Uhr schrieb ich: »Dagegen ist die Mondlandung, sorry Mr. Armstrong, ein Dreck.« Ich bin heute, 22 Tage, fünf Stunden und 33 Minuten später, noch genau dieser Meinung.

Was werden wir unseren Enkeln damit eines Tages auf die Ketten gehen!

 

 

 

Argentinische Spielsucht: Fußball mit Eisenbahnern, Tintenfischfressern und Anarchisten

von CHRISTOPH WESEMANN

Drei Tage. Drei Stadien. Drei Spiele. Zweite und dritte argentinische Liga. Ein Experiment, eine Zumutung und Selbstquälung. Wie verkaftet ein Mensch so viel üblen Fußball an so ungemütlichen Orten? Wo es keine Anzeigetafel und anderen Schnickschnack gibt, wo die Werbung der Sponsoren noch flattert und nicht flimmert, wo der Pass nur ankommt, wenn ihm der Weg nicht zu weit ist (maximal fünf Meter), wo der Verteidiger noch nach Blut grätscht, wo selbst die Nummer zehn den Ball unbedrängt verstolpert und der Spielmacher beider Mannschaften Zufall heißt?

  • Club Ferro Carril Oeste – Club Atlético Aldosivi
  • Club Atlético Defensores de Belgrano – Club Atlético Acassuso
  • Club Atlético Colegiales – Club Social y Deportivo Merlo

Angepfiffen werden die Partien jeweils um 17 Uhr, da freut sich bestimmt der Biorhythmus. Oder hat der damit gar nichts zu tun?

Erstes Spiel. Ferro Carril – Aldosivi 2:1.

Club Ferro Carril Oeste aus Buenos Aires spielt gegen Club Atlético Aldosivi aus Mar del Plata – oder auch: Der Tabellen-14. der zweiten Liga empfängt den 20. und damit Drittletzen. Wir sind im Stadtteil Caballito, dessen Name von einer Wetterfahne stammen soll. Als das Pferdchen um 1900 entstand, lag es am westlichen Rand von Buenos Aires. Heute ist das Viertel im Zentrum und mit 176 000 Menschen auf 6,8 Quadratkilometer nach Recoleta am dichtesten besiedelt.

Ferro war übrigens 1982 und 1984 argentinischer Meister und heißt auf Deutsch Westliche Eisenbahn, womit wir direkt im Geschichtsunterricht sind. Die ersten Fußballklubs waren nämlich im 19. Jahrhundert am Ausbau der Eisenbahnlinien in und um Buenos Aires beteiligt, weshalb viele Stadien bis heute entlang der damals entstandenen Strecken aufgereiht sind. Auch Ferro wurde am 28. Juli 1904 von 95 Eisenbahnern gegründet.

Als Welthauptstadt des Fußballs wird Buenos Aires ja gern bezeichnet – wegen der Fülle von Spitzen- oder wenigstens professioneller Mannschaften. Allein in der ersten Liga spielen derzeit sechs: All Boys, Argentinos Juniors, Boca Juniors, River Plate, San Lorenzo und Vélez Sarsfield. Aus dem Speckgürtel kommen vier weitere: Arsenal, Quilmes, Racing und Tigre.

Mein Sohn und ich sind ja bekanntlich Fans von Quilmes, dem Klub aus der Stadt des gleichnamigen Bieres. Meister waren wir auch schon, 1978, in meinem Geburtsjahr also. Außerdem haben wir den Papierschnipselregen beim Einmarsch der Mannschaft erfunden und sind der älteste Fußballverein des Landes.

Wieso bin ich überhaupt bei Ferro? Ach ja, Nelson, der Mann, der unsere Klimaanlage reparieren sollte, hatte mir den Besuch empfohlen – wegen des Stadions, nicht wegen des Fußballs. Ich verstand nicht genau, warum, es war ja auch viel zu heiß in der Wohnung. Das Ricardo-Etcheverri-Stadion, benannt nach seinem Architekten und  langjährigem Vereinsvizepräsidenten, ist jedenfalls ordentlich heruntergekommen und angerostet. Die Gegengerade war einmal, und in der Kurve steht man auf Holzplanken. Jemand, der viel repariert oder reparieren soll, guckt wohl mit anderen Augen.

Die Klimaanlage funktioniert natürlich noch nicht wieder.

Ich fotografiere gerade die Stehplatztribüne, als mir ein Breitschultriger ein Zeichen gibt, das bitte zu unterlassen. Er kommt noch extra auf mich zu. Hoppla, der hat ja mehr Tattoos als Zähne.

»Die Barra fotografiert man nicht, muchacho

Ja, die Barra Brava, die Wilde Horde, eine Mischung aus Ultras und Hooligans, gibt in jeder Beziehung den Ton an in argentinischen Stadien. Sie sorgt für die einzigartige Stimmung, für Gesänge und Musik. Leider sind viele der Chorknaben auch mindestens halbkriminell. Sie handeln mit allem, was sich zu Geld machen lässt, mit Drogen, Parkplätzen, Imbissständen und vor allem Eintrittskarten. Wenn es sein muss, bedrohen sie auch Spieler und Trainer. Gedeckt bis unterstützt werden sie von hohen Vereinsfunktionären, die im Hauptberuf oft Politiker sind oder es werden wollen. Diese Allianz sorgt dafür, dass die Gewalt in Argentiniens Fußball – fast 200 Tote seit 1939, 2012: zwölf, 2013: elf – kaum zu besiegen ist. Wenn‘s kracht, wenn Fäuste und Kugeln fliegen, geht’s ums Geld, ums Geschäft, nicht um Sport. In vielen Kurven rivalisieren verschiedene Barras.

»Okay, das mit der Barra wusste ich nicht.«

»Wo kommst du her?«

»Deutschland.«

»Dachte, du bist Bulle. Ich bin von der Barra.«

»¡Vamos Ferro!«

Das Schöne in Argentinien ist: Die Stadien sind uralt, und jedes sieht deshalb anders aus. Es stehen noch nicht diese hochmodernen Legoarchitekturarenen außerhalb der Stadt herum, die mehr Einkaufszentrum als Sportanlage sind. Bei uns spielen die Klubs auch noch in dem Viertel, in dem sie einst gegründet wurden. Jedes Heimspiel ist somit ein Nachbarschaftstreffen. Die Kinder bringt man mit und die Kinderwagen natürlich auch.

Ich schaue immer wieder nach links, wo gewöhnlich mein Sohn steht. Aber der ist ja mit dem Rest der Familie verreist. Er fehlt mir sosehr, auch als Zuhörer und Bewunderer meiner fundierten Analysen und immer konstruktiven Kritik an den Spielern. Die anderen Männer ohne Anschluss können immerhin mit sich selbst über das Spielgeschehen schreien. Würde ich auch gern machen. Aber Selbstgeschreie auf Spanisch mit deutschen Akzent – wie klänge das denn?

Flache 4, Falsche 9, Staubsauer und Doppelsechs, doppeln und Ball ablaufen, Tiki-Taka, Matchplan und anderer Krimskrams aus dem Akademikerfußball – das gibt es natürlich nicht in der Zweiten Liga. Hier ist volkstümlicher Fußball angesagt. Ferro und Aldosivi spielen, ganz klassisch, mit zwei Stürmern, und der Ball wird von hinten sehr weit nach vorn gedroschen. Selbstverständlich gelingt nicht alles, das meiste, ob Stoppen oder Schießen, misslingt sogar, es sind einfach zu viele Spieler mit zwei linken Füßen dabei. Aber um feinen und schnellen Fußball zu gucken, hat der Argentinier ja seine Nationalmannschaft und einen Fernseher mit Kabelanschluss für die Champions League und die Spitzenspiele aus England, Italien, Spanien und Deutschland.

In Spielminute 86 stehe ich schon am Ausgang. Zweimal 25 Minuten hätten mir auch gereicht.

Wenn Quilmes weiter so oft verliert und so selten gewinnt, steigen wir übrigens ab und spielen nächste Saison auch gegen Ferro Carril Oeste.

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Zweites Spiel. Defensores de Belgrano – Acassuso 0:0.

Wir steigen natürlich nicht ab. Ich habe gestern Abend Unsinn gefühlt. Selbst wenn wir absteigen sollten, steigen wir gleich wieder auf. Aber wir steigen ja nicht ab. Außerdem bleibt immer noch der ultimative Durch-dick-und-dünn-Spruch wahrer argentinischer Fußballfans: »Cuando ganas te quiero cuando perdes te amo.« – »Wenn du gewinnst, mag ich dich. Wenn du verlierst, lieb ich dich.«

Jetzt ist dritte Liga. Das Stadion von Defensores de Belgrano liegt direkt an der Avenida del Libertador, der 25 Kilometer langen Riesenstraße, die vom Norden in den Süden der Hauptstadt führt. Wir sind in Núñez, einem der wohlhabendsten Viertel, was der örtliche Fan gut zu verbergen weiß.

»Und für dich, Alter?«, fragt der Mann in der Imbissbude vorm Stadion.

Tja, normalerweise essen der Sohn und ich vor dem Anpfiff an einem der Grillstände entlang der Straße argentinisch: also chorípan, die Bratwurst im Brot. Ist natürlich nicht ohne: Ältere wie ich brauchen die komplette erste Halbzeit, um mit der Zunge alle Fettfleischreste aus den Zahnzwischenräumen zu holen. Aber hier gibt es ja nur paty, den beschränkten Hamburger: Fleisch, Brot, Ketchup und Mayonnaise. Das Salatblatt und die zwei Tomatenscheiben kann man sich ja dazu denken. Paty ist eigentlich unsere Pausenmahlzeit. Heute also erschwerte Bedingungen, der Magen wird sich hoffentlich umstellen können.

Wenn ich richtig zähle, wird das mein 15. Spiel sein. Für die Chronik alle bisherigen Partien, unsortiert:

  • Ferro Carril – Aldosivi 2:1
  • Vélez Sarsfield – Estudiantes 1:1
  • River Plate – Vélez Sarsfield 0:0
  • Argentinos Juniors – Godoy Cruz 2:1
  • Boca Juniors – Barcelona SC 1:0 (Copa Libertadores)
  • Quilmes – Newell’s Old Boys 1:1
  • Quilmes – San Lorenzo 3:2
  • Quilmes – Arsenal 0:1
  • Quilmes – Godoy Cruz 0:0
  • Argentinien – Peru 3:1 (WM-Qualifikation)
  • Platense – Morón 1:0
  • All Boys – Newell’s Old Boys 3:1
  • Racing – River Plate 1:0
  • San Lorenzo – Estudiantes 0:0.

Das schönste aller Spiele war Quilmes gegen San Lorenzo, den späteren Meister. Montagabend. Flutlicht. Winterkälte. Und wir besiegen einen der großen Fünf des argentinischen Fußballs1.

Hackentricks, Übersteiger, Seitfallzieher – nichts davon gelingt hier bei Defensores gegen Acasusso. Es ist wie mittwochs um 20 Uhr, wenn ich mit Fede, Pancho, Koala, Limon und den anderen Jungs kicke: Man will immer viel, aber Kunst ist bei uns eben nur der Rasen. Welche hohe Meinung man aber auch von sich haben muss, um zu glauben, man könnte, was nicht mal diese Jungs können, die immerhin dritte Liga spielen. »Beim Training muss jedes Talent seine Form finden, und es ist ein Zeichen von Intelligenz, keine Lösungen zu suchen, die die eigenen Möglichkeiten übersteigen«, schreibt Jorge Valdano in seinem Buch Über Fußball. Demnach sind Fede, Pancho, Koala, Limon und die anderen Jungs, ich also auch, eher dumm. Im WM-Finale 1986 gegen Deutschland schoss Valdano übrigens das 2:0 für Argentinien. Heute ist der einstige Mittelstürmer, Trainer und Manager als Fußballphilosoph unterwegs.

»Wer nicht hüpft, ist ein Tintenfisch«, singen die Fans von Defensores, was sich auf Spanisch natürlich reimt. Der Tintenfisch (El Calamar) ist der Anhänger des Club Atlético Platense, der ganz in der Nähe sein Stadion hat. Bei Platense, ebenfalls gerade Drittligist, waren der Sohn und ich natürlich auch schon. Ein Flutlichtspiel am 17. August 2013, im Winter also. Der Tintenfisch gewann gegen den Hahn, die Mannschaft von Deportivo Morón. Jaja, der argentinische Fußball und seine Spitznamen.

Niemand, ist doch klar, singt natürlich so schön wie Quilmes:

Ich komme aus dem Bierbrauerviertel
Aus dem Viertel der Drogen und des Karnevals
Ich folge dir, seit ich kleiner Junge war
Niemals werde ich dich verlassen
Denn so ist Quilmes
Man trägt es im Herzen
Diese Fans hätten’s verdient, Meister zu werden

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Drittes Spiel. Club Atlético Colegiales – Deportivo Merlo 1:3.

Heute wird es schwer, in der Masse unterzutauchen. Als ich 20 Minuten vor Anpfiff die Kurve betrete, bin ich Nummer 5 und werde von zwei Jungs zum Drogenkonsum eingeladen. Ich habe noch nie zuvor einen Fan von Colegiales getroffen. Ich kenne die nur aus Zeitung, weil im Oktober 2013 der Anführer ihrer Barra Brava erschossen wurde, während er vor seiner Haustür eine Messerstecherei mit einem Colegiales-Fan hatte. 500 Anhänger begleiteten den Leichenzug, randalierten unterwegs und bedrohten Journalisten.

Colegiales wurde übrigens 1908 in Buenos Aires von Anarchisten gegründet. Erst 40 Jahre später zog der Verein in den Vorort Munro um. Ich war ja auch mal Anarchist, in der elften Klasse. Ich hatte nicht viel Auswahl damals, mein Gott, es gab doch bei uns nur Anarchisten, HipHopper und Wedernochs.

Was für ein Tor! Lucas Buono, der Glatzkopf mit der 9, schlenzt gleich in der ersten Minute den Ball von der Strafraumgrenze in den Winkel. 1:0 für Colegiales. Langsam füllt sich die Tribüne, nach zehn Minuten ist auch der Trompeter endlich da. Bis jetzt wurde nur getrommelt. Auch Colegiales spielt übrigens in einem Stadion mit Hufeisenform, wie es sehr typisch ist für Argentinien: An einer Seite ist keine Tribüne, sondern eine Wand.

Zweite Halbzeit. Wenn die Spieler Durst haben, trinken sie aus einem Fünfliter-Wasserkanister. So machen wir das zu Hause auch, ist ja viel günstiger als diese kleinen Flaschen. Ich will nach Hause.

Aber zunächst muss ich mich noch über den Schiedsrichter empören. Der hat gerade Merlo einen Elfmeter gegeben, der einer war, aber keiner sein darf. »Schwaaaaaalbeeeeeee! Bist du blind, du Idiot? Hurensohn! Stricher! Das Geschlechtsteil deiner Schwester! Ich weiß, wo dein Auto …« Ich hole mir mal was zu essen.

»Wer bist du denn?«

»Was?«

»Wo kommst du her?«

»Wieso?«

»Na, wir kennen dich nicht.«

Was muss ich denn bitte noch tun, um nicht aufzufallen? Ich bin am Montagnachmittag beim Fußball, in der dritten Liga wohlgemerkt, und habe vorhin das Riesenbanner mit ausgerollt, ich beleidige den Schiedsrichter und esse ja sogar den Hamburger, der eine Minute in der nackten Hand des Grillmeisters verbracht hat. Soll ich mich vielleicht noch tätowieren lassen? Dann stelle ich mich den drei Jungs von der Barra halt vor. Sie verlieren schnell das Interesse an dem Deutschen, der sich als »Fanatiker des argentinischen Fußballs« ausgibt.

»Sehr gut, amigo

Es steht mittlerweile 1:3. Colegiales bleibt also Vorletzter in der dritten Liga. Wann pfeift der Schiedsrichter endlich ab? Wie lange lässt der Schwachkopf denn nachspielen? Die zweite Halbzeit dauert schon 65 Minuten, mindestens. Am dritten Tag wird wahrscheinlich jedes Spiel zäh. Es fehlt aber auch die Abwechslung. Der Chor reagiert ja überhaupt nicht aufs Geschehen; das Repertoire wird nur sauber herunter gesungen. Und die Trompete, tja, hmm, ich konnte nicht mal Triangel im Musikunterricht, aber ich weiß nicht, also die Trompete, die habe vielleicht auch schon reiner gehört in anderen Stadion – das ist nur knapp über dem Niveau von Stefan Mross seinerzeit.

Ich bin am Ende meiner Kräfte.

Nie wieder Fußball.

Nie wieder.

  1. Boca Juniors, Independiente, Racing, River Plate und San Lorenzo []

Der Fluch und die Läuse-Kolumne

von CHRISTOPH WESEMANN

Am 3. Juli 2012 kletterte ich mit meiner Frau und drei Kindern in ein Flugzeug, um die nächsten Jahre in Buenos Aires zu leben. In der Nacht, irgendwo über dem Atlantik, sagte ich River Plate ab und ließ mein Herz für die Mannschaft aus dem Hafenviertel schlagen. Als wir argentinischen Boden betraten und auf unsere 13 Koffer warteten, erfuhr ich, dass meine Boca Juniors am Abend das Finale der Copa Libertadores gegen Corinthians verloren hatten. Ich wusste zwar erst jetzt, dass wir so weit gekommen waren, war aber wegen der Niederlage augenblicklich zerstört. Ich wollte niedersinken und theatralisch trauern, aber dann kam das Gepäck, und wir mussten ja auch los. Juan Román Riquelme war zurückgetreten, der einzige Boca-Spieler, den ich kannte, ja, auch das noch.

Quilmes-Newell's 2

Quilmes-Newell's 3

Quilmes-Newell's 4

Quilmes-Newell's

In der Ligatabelle stehen jetzt Vereine vor uns, von denen ich bis vor einem Jahr noch nie etwas gehört hatte: Lanús. All Boys. Rafaela. San Martín. Angeblich gibt es sogar einen Klub namens Godoy Cruz, und der ist auch noch Fünfter. Wir sind Drittletzter. Wenn das so weitergeht, nehme ich, bevor wir nach Deutschland zurückkehren, noch Bocas Abstieg mit.

Es scheint ein Fluch auf mir zu liegen, wahrscheinlich bekomme ich eines Tages, wie die sieben schwarzen Katzen von Independiente im Racing-Stadion, einen Abschnitt bei Wikipedia, weil sich herausgestellt hat: Meine Sippe und mich mit 13 Koffern für ein paar Jahre nach Buenos Aires zu schicken war nur ein großes Komplott von River Plate.

Mein Sohn findet Boca auch gut. Ich habe mich auf gar keine Diskussion eingelassen, ich werde noch früh genug jeden Einfluss auf ihn verlieren, er lässt sich ja schon jetzt wenig von mir sagen, was seine Mutter übrigens überhaupt nicht schlimm findet.

Ich will es als Fußballphilosoph nicht übertreiben, aber es ist doch so: Ich habe es meinem Sohn leicht machen wollen. Boca ist ein Erfolgsklub: 24 Meisterschaften, nur ein Verein hat mehr, und es spielt gar keine Rolle, welcher. Die meisten Spiele im Leben gehen aber nun einmal verloren. Man will immer gewinnen, und meistens verliert man. Vieles ist Kampf und Krampf. Man lauert auf Großchancen, um sie dann zu vergeben. Und wer nie ausgewechselt worden ist, obwohl es gerade ziemlich gut lief, hat Entscheidendes verpasst: die Hoffnungslosigkeit, die Reha fürs kranke Herz und das Comeback.

 

Nun habe ich mit meinem Sohn einen anderen Verein besucht und darüber eine Kolumne geschrieben, als Gastbeitrag für das wunderbare Blog Argifutbol – Argentinischer Fußball auf Deutsch. Darauf wollte ich hinaus – und außerdem die übrig gebliebenen Textreste weiterreichen, man soll ja nichts verkommen lassen.

Ein Lausbub bei den Bierbrauern von Quilmes

Seit mein Sohn bei den Cerveceros gewesen ist, hat er Läuse. Wegen der angedeuteten Kausalität zwischen der Cancha von Quilmes und dem Kopfkratzen des siebenjährigen Kolumnistenkindes könnten mich die Bierbrauer aus der kleinen Stadt im Speckgürtel von Buenos Aires locker verklagen. Ich habe nämlich keine Beweise, ich kann nur sagen: am Abend Estadio Centenario, am Morgen Pediculus humanus capitis.

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Danü hat wieder zwei zauberhafte Bilder gemalt – eins zeige ich hier. Wir trafen nämlich die Katzenfresser aus Rosario.

Katze

Eine tolle Dokumentation mit deutschem Untertitel gibt es über den Quilmes Atlético Club und seine Fans übrigens auch.


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)