Mit Pablo im Auto: Eine argentinische Regenkomödie
von CHRISTOPH WESEMANN
Buenos Aires, 20.10 Uhr; zwei Männer im Auto; stärker werdender Regen
PABLO. (fährt auf die Stadtautobahn) Mmmhh. (schaltet den Warnblinker ein, beschleunigt leicht)
ICH. Was machst du da?
PABLO. Ich habe den Warnblinker angemacht.
ICH. Warum?
PABLO. Unwetter.
ICH. Es regnet.
Drei Minuten später
ICH. Warnst du die anderen Autofahrer vor dem Regen? Oder vor dir?
PABLO. Das verstehst du nicht.
ICH. Ich will es aber verstehen.
PABLO. Kannst du nicht.
ICH. Warum?
PABLO Verstehen nur Argentinier.
ICH. Es regnet auch in Deutschland.
PABLO. (reibt sich mit der rechten Hand die Stirn) Ist mir bekannt.
Drei Minuten später
ICH. Unterscheidet sich der argentinische Regen sehr vom deutschen Regen?
PABLO. (unverständlich)
ICH. Ich glaube ja, der deutsche Regen ist hochwertiger. Ihr seid doch Schwellenland.
PABLO. (unverständlich)
ICH. Erinnerst du dich noch an die zwei schwarzen Hosen, die ich mir in Buenos Aires an meinem Geburtstag gekauft habe?
PABLO. Nein.
ICH. Bei der einen, nicht der aus Cord, ist der Hosenstall kaputt. Nach nicht mal einem Jahr! Ist verrückt, oder? Ich musste drei Tage mit offenem Hosenstall durch Patagonien laufen.
PABLO. Du gehst mir auf die Eier.
ICH. Fahren ganz schön viele Autos mit Warnblink. Nervt das nicht?
PABLO Das nervt nicht.
ICH. Ich hatte nur eine Hose für den Urlaub eingepackt. (prüft mit Daumen und Zeigefinger den Hosenstall) Ich war noch in der Näherei neben dem Hostel, um den Hosenstall provisorisch reparieren zu lassen. Und was sagt die Näherin?
PABLO. Keine Ahnung.
ICH. Ich soll den Schlitz nicht mit Gewalt öffnen. (lacht hysterisch) Mit Gewalt! Das kann auch nur eine Frau sagen, oder?
PABLO. Weiß nicht.
ICH. War aber gar keine Frau, hatte nur sehr lange Haare. Bis hier ungefähr. (beugt sich nach rechts und berührt mit der linken Hand den Po) Vielleicht solltest du irgendwo halten, bis der Regen aufgehört hat. Ich lad dich auf einen Kaffee ein. Du wirkst ein bisschen müde und angespannt.
PABLO. Unwetter.
ICH. Was?
PABLO. Das ist kein Regen. Das ist ein Unwetter.
Zwei Minuten später
ICH. Ein bisschen schneller fahren kannst du nicht, nein? Vielleicht 70 oder wenigstens 65einhalb? Ich habe übermorgen einen Termin.
PABLO. Sehr witzig.
ICH. So wie ihr fahrt, frage mich ja manchmal, wie es euch möglich war, einen fünffachen Formel-I-Weltmeister hervorzubringen.
PABLO. (mit schwärmerischem Ton in der Stimme) El Maestro.
ICH. Ich kenne kein Volk, das langsamer anfährt als ihr, wenn die Ampel grün wird.
PABLO. Einundfünfzig. Vierundfünfzig. Fünfundfünfzig. Sechsundfünfzig. Und siebenundfünfzig. Außerdem zweimal Zweiter: fünfzig und dreiundfünfzig. Damals, als noch nicht der Computer die Rennen fuhr.
ICH. Schien wahrscheinlich immer die Sonne damals.
PABLO. Halt die Schnauze! (guckt nach oben, flüstert) Hör nicht auf ihn, Maestro.
Eine Minute später
ICH. Man sieht kaum noch dreihundert Meter weit. Vielleicht solltest du auch die Nebelscheinwerfer anmachen.
PABLO. Hab ich schon.
Vorhang