Axel Scherm bloggt im Moment wenig, musiziert aber viel.
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Was lag näher, als auf den Tag genau 60 Jahre nach dem Wunder von Bern das Viertelfinale der deutschen Nationalmannschaft in einer ehemaligen k.u.k.-Stadt im Fernsehen anzusehen. Nein, Ungarn war mir zu weit weg. Nachdem allerdings Österreich bei uns gleich um die Ecke liegt und es sich fügte, dass die Liebste beruflich derzeit in Salzburg weilt, das Wetter herrlich und die weiteren Aussichten am Wochenende nicht minder herrlich waren, fuhr ich am Freitag gegen Mittag mit dem Motorrad in die Mozartstadt.
Bis Straubing auf der Autobahn, dann die zugegeben wenig malerische B 20 bis Braunau. Kurz vor der Grenze musste ich tanken und auf meine Frage, ob es denn die Deutschen heute Abend schaffen würden, antwortete mir die fröhlich-sympathische Tankwartin in breitestem Niederbayrisch, dass dies wohl eine schwierige, aber durchaus lösbare Aufgabe sei.
In Braunau schweiften meine Gedanken kurz in Richtung eines nicht von Mercedes Benz legitimierten Werbespots einer schwarzhumorigen Filmhochschule ab, und ich verfuhr mich. Manchmal sollte man einfach nicht an der falschen Stelle rechts abbiegen.
Aber ich lag gut in der Zeit, und weil die Sonne brannte und die Wolken quollen, genehmigte ich mir an einer Tankstelle eine Trinkpause. Vier kernige Bierdimpfl saßen dort um einen ebenso kernigen Holztisch, prosteten mir zu und versprachen mir, dass der Traum vom Halbfinale heute Abend wohl ausgeträumt sein dürfte. Ich prostete mit meiner Wasserflasche zurück, beglückwünschte die Herren zur erfolgreichen WM-Qualifikation und fuhr die Yamaha bei der anschließenden Flucht in den roten Bereich.
Die Liebste bewohnt während ihres Aufenthaltes in Salzburg eine nicht sehr noble, aber äußerst zentral gelegene Ferienwohnung. Sogar einen Tiefgaragenplatz hatte sie mir organisiert. Aus lauter Freude darüber, aber hauptsächlich, weil ich beim Absteigen an den ungewohnten Seitenkoffern hängengeblieben war, warf ich die Maschine erst einmal um, besser, ich lehnte sie an die Wand und versah Spiegel und Koffer mit malerisch blauen Streifen der Tiefgaragenwandfarbe. Ein Omen: Wir würden die Franzosen niederwalzen!
Der Anstoß rückte immer näher, die Liebste hatte bereits gekocht, aber vorher musste noch ein echtes Männerprojekt angegangen werden: Die Haltestange des Duschvorhangs, ein billiges Alu-Teleskop, war in der Nacht zerbrochen und samt blauem Duschvorhang mit lautem Gepolter in die Badewanne gestürzt. Ein weiteres Omen?
Jedenfalls dengelte ich unter Zuhilfenahme einer Schöpfkelle und eines Messers eine Kerbe in den einen Teil der zerbrochenen Stange, schob diesen dann in den anderen Teil, suchte und fand die in die hintersten Ecken des Badezimmers gerollten Gummistöpsel und klemmte Teleskop und Vorhang wieder an die vorgesehene Stelle in die Stöpsel. Jetzt konnte es endlich losgehen.
Nach zwölf Minuten allerdings war alles schon wieder vorbei. Mats Hummels traf. Klose traf nicht. Müller nicht. Schürrle nicht. Auch kein anderer. In der Pause beömmelten sich Mehmet Scholl und Matthias Opdenhövel in gewohnter Weise, und in einer Schalte nach Berlin unterhielten sich eine handwerklich einwandfrei geschminkte Franzi van Almsick mit einem gewohnt smarten Arne Friedrich und dem Trikotzerreißer Robert Harting, der seinem Image als Bundeshüne mit Fremdwörtern entgegenzuwirken suchte, die nie ein Mensch jemals zuvor gehört hatte.
Mir schmeckte ein Stiegl-Paracelsus-Zwickl-Bier. Es könnten auch zwei gewesen sein. Die Liebste hatte einen Wachauer Marillenbrand erstanden, der dafür vorgesehen war, jedes deutsche Tor mit einem Stamperl zu begießen. Es blieb bei einem Schnaps. War auch gut so, ich musste ja auf der Hut vor den Bierdimpfln sein. Zum Glück stand mein Moped gut versteckt in der Tiefgarage.