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Im Hafen von Alcúdia: Je enger das Spiel, umso härter die Flüche

von WACHO CHORRO (Gastbeitrag)

Logo des WM-Tagebuchs - Zeichung: Danü (Daniel Schlierenzauer)

Stammleser Wacho Chorro bloggt bei den Borrachos Bornheim. Sein erster Beitrag im WM-Tagebuch steht hier.

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Das nenne ich Glück: Die Weltmeisterschaft genieße ich auf den Balearen, fernab der unsäglich deutschen TV-Kommentatoren. Die spanischsprachigen Vertreter der Zunft leben das Spiel und vor allem die Tore geringfügig mehr. Geguckt werden die Partien der Albiceleste, unserer weißhimmelblauen Nationalelf, im El Bodegón, einer argentinischen Bar im Hafen von Alcúdia. Da fast alle Argentinier hier in der Tourismusbranche arbeiten, wechselt die Besetzung natürlich von Spiel zu Spiel. Aber die Stimmung ist trotzdem jedes Mal prächtig, wie mein jüngster Lauschangriff beweist:

 

 

Foto

Wir schenken uns diesmal 117 Minuten Erinnerung an das Achtelfinalspiel gegen die Schweiz und beginnen gleich mit dem Tor von Ángel Di María nach schönem Dribbling von Leo Messi. Welch Erlösung!

 

Die Kumpels reißt es so heftig hoch, dass ihre Stühle nebenan beim Souvenir-Laden zwei große Ständer umwerfen. Also gehen wir hinüber und bitten um Entschuldigung – nein, natürlich nicht. Nicht jetzt. Später vielleicht. Wenn wir’s vor Freude über den Einzug ins Viertelfinale nicht vergessen. Die Kumpels sind sowieso schon anderweitig beschäftigt, sie rennen wie die Irren herum, und die Händler gucken da gleich noch finsterer. Es droht eine Eskalation. Ich muss etwas tun. Wacho, zeig dich von deiner besten Seite!

Meine körperliche Erscheinung beruhigt augenblicklich die Lage.

Die Partie kann wohl regulär beendet werden, aber die letzten Minuten haben es in sich. Die Schweiz greift an und trifft nur den Pfosten. Eine alte argentinische Gaucho-Regel besagt übrigens: Je enger das Spiel, umso härter die Flüche. Hören wir mal, ob sie stimmt:

 

Wir werden danach noch zu einer Freifahrt mit der Touri-Bimmelbahn durch den Ort eingeladen – zum Leidwesen der anderen Passagiere. Aber ein Ende unseres Ausnahmezustands ist ja absehbar: Nur noch drei Siege, und wir sind durch! Welt-meis-ter! ¡Vamos Argentina, carajo!

Bimmelbahn

¡Vamos, carajo!

von WACHO CHORRO (Gastbeitrag)

Slide448 mit Titel

Stammleser Wacho Chorro bloggt bei den Borrachos Bornheim. Dort ist sein Text zuerst erschienen.

Alle vier Jahre das gleiche Dilemma: Ich habe nichts zum Anziehen!

Wacho 2

Wacho 1

Zwei Trikots sind einfach viel zu wenig, um dem kommenden Weltmeister zu huldigen. Mann will ja gut aussehen, wenn die Albiceleste (Weiß-Himmelblaue) von Sieg zu Sieg eilt.

Während im gelobten Lande arme, unschuldige Kinder zu Schwerstarbeit abgestellt werden, perfektioniere ich von Tag zu Tag meine Version der Hymne:

 

Und ich werde besser und besser. Ich vertrete schließlich in Spanien während der WM unsere Farben. Während andere Leute – etwa dieser unsägliche Schreiberling vom noch unsäglicheren Tagebuch aus Buenos Aires – gelangweilt vor dem Schwarz-Weiß-Radio sitzen und gähnend dem Reporter lauschen, werde ich alles geben und dem Iberer sekündlich mitteilen, dass der Weltmeister nur Argentinien heißen kann.

Aber schlussendlich werden Wese und ich uns weinend in den Armen liegen und uns, gegenseitig auf die Schultern klopfend, zu unserem Fußballsachverstand gratulieren. Denn im Herzen sind wir beide die wohl größten Argentinier!


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)