Die Flohristen: Wie César Luis Menotti, der verrückte Bielsa, Tata Martino und der Papst Argentinien zum Weltmeister machen
von CHRISTOPH WESEMANN
Mit dem FC Barcelona hat Leo Messi in dieser Saison nichts gewonnen, nicht die Champions League, nicht die Meisterschaft, nicht einmal den Königspokal. Selbst Weltfußballer ist ein anderer Spieler geworden. Bislang hatten so genannte Experten die Schwächephase des Argentiniers mit anhaltendem Verletzungspech, gesundheitlichen Problemen oder schlaflosen Nächten nach der Geburt seines erstes Sohnes Thiago erklärt. Nun aber sind dem Argentinischen Tagebuch über verschiedene Kanäle Dokumente zugespielt worden, die eine andere Deutung nahelegen.
Alles war offenbar nur ein großer Bluff.
Vieles spricht dafür, dass es einen argentinischen Geheimplan gegeben hat, um Messi vor der Weltmeisterschaft in Brasilien eine Krise anzudichten und auf diese Weise die Konkurrenz zu täuschen. Das ganze Ausmaß des Betrugs ist bislang nur zu erahnen. Fest steht aber: Drei bekannte argentinische Fußballtrainer sind darin verstrickt. Und Spuren führen auch in den Vatikan.
Ein Heer von Investigativjournalisten hat die Dokumente über Wochen ausgewertet. Dem Argentinischen Tagebuch ist es nun möglich, die Geschehnisse der vergangenen eineinhalb Jahre zu rekonstruieren.
Die Beteiligten
Trainer
- Marcelo Bielsa, geboren 1955 in Rosario (Argentinien), argentinischer Nationaltrainer von 1998 bis 2004, Spitzname: El Loco Bielsa, Der verrückte Bielsa
- Gerardo Martino, geboren 1962 in Rosario (Argentinien), zuletzt beim FC Barcelona, Spitzname: Tata, Väterchen
- César Luis Menotti, geboren 1938 in Rosario (Argentinien), argentinischer Nationaltrainer von 1974 bis 1982, Weltmeister 1978, Ex-Kettenraucher, Spitzname: El Flaco, Der Dünne
- Diego Simeone, geboren 1970 in Buenos Aires (Argentinien), Ex-Nationalspieler, Trainer von Atlético Madrid, Spitzname: Cholo, Mestize
- Carlo Ancelotti, geboren 1959 in Reggiolo (Italien), seit 1976 Trainer, aktuell bei Real Madrid, Spitzname: Carletto
- Carlos Bilardo, geboren 1939 in La Paternal (Argentinien), Studium der Gynäkologie, argentinischer Nationaltrainer von 1983 bis 1990, Weltmeister 1986, Spitzname: Doctor
Spieler
- Lionel Messi, geboren 1987 in Rosario (Argentinien), Star des FC Barcelona und Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft, viermaliger Weltfußballer, Spitzname: La Pulga, Der Floh
- Cristiano Ronaldo, geboren 1985 in Funchal, Madeira (Portugal), zweimaliger Weltfußballer, Spitzname: CR7
Sonstige Beteiligte
- Jorge Mario Bergoglio, geboren 1936 in Buenos Aires, Papst seit 2013, Spitzname: Franziskus
- Stallbursche Pepe, keine weitere Informationen vorhanden
- Taschendiebe von der Plaça Catalunya, keine weiteren Informationen vorhanden
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26. Februar 2013
Mexikanische Zigaretten und die große Grillplatte
Buenos Aires • César Luis Menotti, genannt El Flaco (Der Dünne), Gerardo Tata (Väterchen) Martino und Marcelo Bielsa, bekannt als El Loco (Der Verrückte), treffen sich zufällig bei einem Pferderennen in der argentinischen Hauptstadt. Sie haben sich lange nicht gesehen, umarmen einander wie Freistilringer und küssen sich auf die Wange. Es wird das letzte Treffen ohne angeklebte Bärte, verspiegelte Sonnenbrillen und alberne Hüte sein. Die drei berühmten Trainer, die wie Leo Messi aus der Hafenstadt Rosario stammen, vertiefen sich in ihre Wetthefte und tauschen sich kurz über das 14. Rennen aus. Oder tun sie bloß so? Ist das alles schon Täuschung?
Keine halbe Stunde später hocken sie im Heu eines Pferdestalls neben der Rennbahn. Den Stallburschen Pepe hat Menotti zum Zigarettenholen ans andere Ende der Stadt geschickt. Nur dort gibt es diese seltene mexikanische Marke, die er früher so gern geraucht hat.
»Also, ich habe überhaupt keine Lust auf die WM in Brasilien«, sagt Martino.
»Spätestens im Viertelfinale ist sowieso wieder Schluss, Messi hin oder her«, sagt Bielsa.
»Oder wie 2002 in der Vorrunde, mein lieber Marcelo«, sagt Menotti und kneift die Augen zusammen. »Aber falls einer von euch glaubt, dass Argentinien diesmal den richtigen Trainer hat, würde ich mich an dieser Stelle verabschieden.«
Stille. Schweigen. Minutenlang.
»Sabella?«, fragt Martino plötzlich.
»So heißt der, glaube ich«, sagt Menotti. »Ich schlage also vor, dass wir einen Plan machen. Von unserer Elf wird immer viel zu viel erwartet. Ich sage immer: Das Geheimnis des Fußballs ist Zeit, Raum und Täuschung.«
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Zwei Tage später sitzen die Drei in Menottis Lieblingssteakrestaurant. Die große Grillplatte wird bestellt: zwei Hände voll Innereien, sechs Blutwürste, drei Choris, ein Kilogramm Vacío, ein Riesenklumpen Rinderfilet, ein halber Meter Matambre und 500 Gramm Rumpsteak für jeden.
»Ich habe nachgedacht«, sagt Menotti. »Jemand muss bis zur WM dicht an Leo dran sein. Quasi rund um die Uhr. Aber ich war ja schon Trainer von Barça.«
»Und mich wollen sie vielleicht nicht«, sagt Bielsa.
»Nein, ganz sicher.«
Die beiden schauen zu Martino, der gerade seine zweite Blutwurst aufschneidet.
»Ich … tja … warum eigentlich nicht?«
»Gut, Tata, dann lege ich ein gutes Wort für dich ein; bereite schon mal deine Familie auf den Umzug vor. Ist ja nur für ein Jahr«, sagt Menotti und greift nach seinem Feuerzeug mit dem Konterfei von Che Guevara.
»Flaco, Rauchverbot!«
»Ein Menotti geht nicht nach draußen, Loco.«
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23. April 2013
Der Heilige Vater ist dabei
Rom • Der Papst erwartet Menotti, Bielsa und Martino − oder um genau zu sein: Er erwartet drei Spieler seines Lieblingsklubs San Lorenzo, die vor ein paar Tagen angeblich um eine Audienz gebeten haben. Leandro Romagnoli raucht noch hektisch eine Zigarette, Germán Voboril und Mauro Cetto schütteln die Köpfe. Zwei Jahre hatte er durchgehalten, hin und wieder eine Zigarre, das ja, aber keine Zigaretten mehr. Und nun: wieder Kette.
»Wollen wir?«
»Cheee, hübsche Hüte! Ich hätte euch fast nicht erkannt«, sagt Franziskus zur Begrüßung und bereitet sogleich einen Mate zu. »Auf jeden Fall eine gute Entscheidung. Bei uns hier bleibt ja auch nicht mehr viel geheim.«
Nachdem Menotti, Bielsa und Martino eine halbe Stunde lang in allen Einzelheiten über die argentinische Liga und weitere 15 Minuten über die zweite und dritte Liga referiert haben, lehnt sich Franziskus zurück und fragt: »Che, warum seid ihr eigentlich hier? Ist was mit Diego? Hat er wieder dummes Zeug angestellt oder genommen? Che, ihr wisst, ich kann dem Kerl einfach nicht böse sein. Ich meine, Mexiko 1986, wisst ihr noch? Ja, Flaco, mein Sohn, schon gut, der Bilardo saß damals auf der Trainerbank, wir hätten natürlich auch ohne ihn gewonnen. Was macht eigentlich el Doctor heute, weiß das jemand? Aber hört mal: Diegos zwei Tore gegen die verdammten Malwinendiebe … Verzeihung. Also, ich gucke mir die ja öfter auf Youtube … worüber wolltet ihr mit mir sprechen?«
Menotti redet. Und redet. Und redet. Er analysiert Weltmeisterschaft um Weltmeisterschaft; die Neunziger: Andi Brehmes Elfmeter − Rumänien − Bergkamp, dieser Sohn einer Hure; die nuller Jahre: 0:1 gegen England (strenger Blick zu Bielsa) und Lehmanns Zettel im Strumpf. Kurzes Abhusten. Südafrika 2010: schon wieder Deutschland. Nullvier. Als Menotti ganz am Ende seines Vortrags auf Sabella zu sprechen kommt, winkt selbst der Papst ab.
Seine Heiligkeit erteilt dem Geheimplan umgehend seinen Segen und schlägt außerdem vor, gemeinsam zu beten. Den Dokumenten zufolge warnt er aber auch: »Che, verratet bloß nichts Cristina. Ihr wisst ja, unsere Präsidentin quatscht viel. Vor allem im Fernsehen.« Dann begleitet Franziskus Menotti, Bielsa und Martino hinaus und sagt zum Abschied: »Wenn alles geklappt hat, kommt ihr aber mit der ganzen Truppe und dem hübschen Pokal bei mir vorbei, oder?« Als die Tür geschlossen ist, hören die Trainer, wie der Papst mit fester Stimme singt:
Olé, olé, olé, olé, olé, olé, olá / Olé, olé, olé, cada día te quiero más. / Soy argentinooooo, es un sentimientoooo, no puedo paraaaaaaaar. ¡Vamos Argentina, carajo!
(Olé, olé, olé, olé, olé, olé, olá / Olé, olé, olé, jeden Tag liebe ich dich mehr. Ich bin Argentinier, das ist ein Gefühl, ich kann nichts dagegen tun. Vorwärts, Argentinien, verdammt noch mal!)
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Sommer 2013
Messi trainiert zu viel
Barcelona • Leo Messi freut sich, dass Gerardo Martino sein neuer Trainer in Barcelona werden wird. Guter Mann! Hat Newell’s Old Boys aus Rosario, seinen Heimatklub, mit schönem Fußball zur argentinischen Meisterschaft geführt. Der beste Fußballer der Welt ahnt nichts. Er wundert sich allerdings, dass plötzlich spanische Steuerfahnder hinter ihm her sind. Angeblich soll er Millionen am Finanzamt vorbeigeschleust haben. Es ist die erste große Finte, und sie entstammt dem Hirn des Verrückten. Ein Freund des Bruders, dessen Neffe eine Tankstelle in Rosario besitzt, bei der Bielsas Tochter Inés regelmäßig den Reifendruck ihres Golf (Baujahr 2005) prüfen lässt, ist vor Jahren nach Spanien ausgewandert und kennt jemanden im Finanzministerium. Der Rest: ein Anruf und eine halbe Minute lang das Klacken der Computertastatur in irgendeiner Behörde.
Menotti und Martino sind beeindruckt. In Argentinien hätten sie so etwas auch hinbekommen. Aber das hier ist Europa.
»Ich habe kürzlich schon mal geübt«, sagt Bielsa. »Steuerhinterziehung ist übrigens kein Kavaliersdelikt, Freunde. Aber jetzt sollten wir endlich mit Leo reden.«
»Unbedingt«, sagt Martino, der neue Trainer des FC Barcelona. »Der trainiert viel zu gut.«
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Menotti soll das Gespräch führen. Das Ding mit den Zigaretten − seltene mexikanische Marke, hahahaha − war echt gut. Der Stallbursche Pepe sucht wahrscheinlich immer noch, wurde jedenfalls nie wieder gesehen. Aber dieser Geniestreich ist auch schon wieder Monate her. Und reden kann El Flaco nun mal wie kein anderer. Selbst Franziskus hat er rumgekriegt.
Er wird reden, wie er immer spielen lassen hat: offensiv. Er ist doch nicht Bilardo!
»Leo, du hast nun schon zweimal die Champions League gewonnen.«
»Dreimal.«
»Das reicht ja erst mal, ne?«
»Nein.«
»Und Weltfußballer warst du auch schon viermal. Musst du es unbedingt ein fünftes Mal werden?«
»Ja.«
»Ich meine: in dieser Saison?«
»Ja.«
Menotti zündet sich eine Zigarette an und richtet sein Haar mit der Hand.
»Aber das wäre doch langweilig, Leo.«
»Für mich nicht.«
»Aber weißt du, dann musst du wieder den Schlafanzug anziehen, und darin siehst du doch immer blöd aus.«
»Finde ich nicht.«
Menotti denkt: Menotti, du Sohn einer Hure, du hast auch schon mal stärker argumentiert.
»Ach Leo, jetzt hör mal zu: Weltmeister, darauf kommt es an. Das zählt. Ohne WM-Titel wirst du nie so groß wie Diego. Und ich.«
»Meinen Sie?«
»Sicher.«
Menotti verspricht, sich persönlich um das Problem mit den hinterzogenen Steuern zu kümmern. Im Gegenzug versichert ihm Messi, in dieser Saison nicht auf Titeljagd zu gehen. Handschlag. Umarmung. Kein Vertrag.
»Du wirst es nicht bereuen, glaub mir. Alle werden dich für einen Waschlappen halten. Und alle werden in Brasilien dafür bezahlen.«
»War das mit Señor Uli eigentlich auch euer Werk?«
»Du stellst zu viele Fragen, Floh.«
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4. August 2013
Spielt CR7 mit?
Madrid/Buenos Aires • Und wer redet jetzt mit Cristiano Ronaldo? Keiner will. Aber jemand muss. Denn alle haben Angst, dass einer der 25 Imageberater des Portugiesen Verdacht schöpft angesichts der plötzlichen Überlegenheit ihres Klienten.
»Das fällt doch auf. Cristiano ist ja bloß der Zweitbeste. Er selbst weiß es nicht, aber die ganze Welt, die schon. Es wäre viel zu riskant, ihn nicht einzuweihen«, sagt Menotti laut Gesprächsprotokoll am 23. August bei einem Treffen in einem Parkhaus in Barcelona. Seine Kollegen nicken. »Also, ich war ja schon bei Leo und beim Papst dran.«
Martino und Bielsa spielen Schnick, Schnack, Schnuck. Martino verliert mit Papier, weil Bielsa im letzten Augenblick die Faust öffnet und eine Schere macht. »Ich weiß gar nicht, wo ich den Kerl finde«, sagt der neue Barça-Trainer. »Ich kann doch nicht einfach in die Umkleide von Real Madrid spazieren.«
Drei Tage später setzt ein Taxifahrer den verkleideten Tata − weißes Trikot mit der Rückennummer 7, falscher Vollbart, Riesenschinken im Arm − vor dem berühmtesten Schönheitssalon Madrids ab. Ronaldo sitzt bei der Pediküre und trägt das gleiche Trikot wie der Mann, der sich ihm auf Zehenspitzen nähert.
»Darf ich stören?«
»Ich wechsele nur zu euch, wenn ich mehr verdiene als der Argentinier.«
»Aber du passt doch gar nicht in unser System.«
»Ohne den Argentinier wäre es ein ganz anderes System.«
»Señorita, würden Sie uns bitte kurz allein lassen?«
Ronaldo, das zeigt die Gesprächsnotiz, die Martino im Nachhinein angefertigt hat, hört sich den Geheimplan an, erbittet Bedenkzeit und willigt nach eineinhalb Minuten ein. Er lächelt, steigt aus der Schüssel mit dem lauwarmen Wasser und macht etwas mit den Armen. Er scheint das Hochheben von Pokalen verschiedener Größe zu üben, so kommt es Martino jedenfalls vor. Dabei murmelt er vor sich hin: »La Décima, Mama, La Décima … größer als Di Stéfano … als Raúl sowieso … blöder Blatter … Ronaldo Madrid Club de Fútbol.«
Dass Ronaldo am Ende der Saison nach einem bedeutungslosen Tor im schon gewonnenen Finale der Champions League sein Trikot auszieht, hat sich Martino spontan schriftlich zusichern lassen. Es wird sein größter Coup werden. Eine Jahrhundertszene. Eine Botschaft für Eingeweihte. Guckt hin: unser Hampelmann! Der Vertrag, geschrieben auf dem Briefpapier des »Salón de Los Hombres Más Bonitos del Mundo«, liegt dem Argentinischen Tagebuch ebenfalls in Kopie vor.
Martino ist euphorisiert, als er wieder im Taxi sitzt. Er befühlt das Schriftstück im Brustbeutel unterm Trikot, ruft Menotti in Buenos Aires an und schreit: »Ich fliege gleich weiter nach München und rede mit Franck!«
»Nein, nicht nötig. Mach dir um den keine Sorgen, und um die Bayern erst recht nicht. Tiki-Taki ist vorläufig am Ende. Pep weiß es nur noch nicht.«
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September 2013
Der Dünne dreht durch
Barcelona/Buenos Aires • Messi spielt mit jeder Partie schlechter, also besser. Natürlich: 99 Prozent aller Fußballspieler wären noch immer froh, nur ein paar Minuten im Leben so gut zu sein wie Messi, wenn er furchtbar schlecht ist. Aber manchmal steht er jetzt im Mittelkreis herum, dieser freche Kerl. Er läuft wenig. Er lässt die Schultern hängen. Er lässt sich beim Dribbeln den Ball klauen. Er lässt Pässe nicht ankommen. Er lässt sich sogar auspfeifen.
Nur ab und zu, wenn er’s offenbar nicht verhindern kann, schießt er Tore. Als ihm am 18. September 2013 als erster Spieler zum vierten Mal ein Dreierpack in der Champions League gelingt, hat er in der Kabine eine SMS von Menotti auf dem Handy: »Spinnst du? Reiß dich zusammen, Mädchen aus Rosario!« Menotti ist bereit, alles auffliegen zu lassen. Er müsste ja nur mit dem Finger schnippen. Die Journalisten stehen doch Schlange. Die ganze Welt will ihn befragen. Dauernd soll er sagen, wer nun der größte Spieler aller Zeiten sei, was er über Pep Guardiola denke, wie linker Fußball aussehe.
»Sind mir abgerutscht, die Bälle, Señor. Ich mach’s wieder gut. Abrazo grande.«
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Januar 2014
Gimme All Your Lovin’
Lausanne • Bei der Wahl zum Weltfußballer am 13. Januar wird Messi, der übrigens wieder einen scheußlichen Anzug trägt, Zweiter hinter Ronaldo. Zur Sicherheit ist am Vorabend der Verkündung in der Fifa-Zentrale ein schwarzer Koffer aus Buenos Aires eingetroffen − a manos del Presidente Joseph S. Blatter.
Barcelona • Martino ordnet auf Barças äußerstem Nebenplatz ein Straftraining an und lässt Messi zwei Stunden lang das Freistößeverschießen üben. Mit Medizinbällen. Im Tor stehen zwei Männer mit ZZ Top-Gedächtnisbärten und spielen Luftgitarre. Messis Quote ist trotzdem unterirdisch.
»Das wird nie was«, sagt der eine Luftgitarrist zum anderen, faustet einen Medizinball zur Seite und verliert dabei seine Kippe. »Übermorgen ist schon Dribbeln dran.«
In den großen Zeitungen erscheinen die ersten Nachrufe. Die Fachwelt rätselt über Messis Schwäche. Vielleicht ist im Augenblick alles zu viel für das argentinische Genie: die Sache mit den Steuern, der schreiende Sohn nachts, die Verletzungen, das rätselhafte, wahrscheinlich psychosomatische Erbrechen. Dass sich Messi neuerdings auf dem Platz übergibt, hatte sich natürlich der verrückte Bielsa überlegt. Dr. Bilardo hatte sehr unangenehme Frage gestellt (»Warum für Übelkeit?«, »Was ist mit dem Wada-Code?«), aber schließlich doch von einem seiner früheren Masseure eine Trinkflasche vorbeibringen lassen.
Martino ist wegen des Platzwarts vom Camp Nou allerdings immer noch dagegen.
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9. Kalenderwoche 2014
Rumgeeier am Telefon
5. April
Madrid/Barcelona • Cristiano Ronaldo ruft mit unterdrückter Nummer nacheinander Menotti, Bielsa und Martino an. Er sagt jedes Mal: »Hier spricht CR7, eine Frage: Könnte unser Vertrag auch für die Weltmeisterschaft gelten? Ich bin gerade sehr gut in Form. Und den Argentinier würde ich dann im Gegenzug die nächsten zwei Jahre alles gewinnen lassen.«
Die Antworten der Trainer können an dieser Stelle nicht jugendfrei wiedergegeben werden.
6. April
Barcelona/Buenos Aires • Tata Martino beschafft sich über Bielsas Tankstellen-Connection ein abhörsicheres Prepaid-Handy, telefoniert zwei Stunden lang mit Diego Simeone, dem Trainer von Atlético Madrid, und bemalt dabei ein Blatt Papier. Kurz danach klingelt Simeones Telefon abermals. »Menotti hier. Ja, der Dünne. Alter, schreib dir mal den folgenden Satz auf und lern ihn auswendig: Ich möchte den Müttern der Spieler von Atlético Madrid danken, dass sie sie mit solch großen Eiern geboren haben.«
7. April
Barcelona • Nach dem Training fährt Martino nicht nach Hause, sondern zur Plaça de Catalunya im Stadtzentrum. Unterwegs hat er sich an einer roten Ampel umgezogen, er sieht nun wieder aus wie damals bei Ronaldo im Schönheitssalon. Sogar der Riesenschinken ist noch dabei. Der berühmte Trainer spricht drei Jungs an, als sie gerade einen deutschen Touristen beklauen wollen, und überredet sie zu einem Klingelstreich. Die Adresse schreibt er ihnen auf einen Zettel.
»Ganz schön weit weg. Das kostet aber.»
Martino nimmt schweren Herzens Abschied vom Riesenschinken.
9. April
Madrid • Vier Stunden vor dem Anpfiff des Viertelfinalrückspiels verschickt Martino eine Mail mit pdf-Anhang an diego.simeone@atleti.es.
Barcelona verliert gegen Atlético Madrid 0:1 und scheidet aus. Diego Simeone gibt den Eiermann. Bielsa fängt Martino nach der Pressekonferenz ab und fragt: »Warum hat Leo nicht gespielt?«
»Hat er doch.«
Die beiden Argentinier kichern um die Wette.
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16. Kalenderwoche
Ein dankbarer Italiener
14. April
Barcelona/Madrid/Rom • Martino bekommt ein neues Prepaid-Handy (das alte hatte er auf Anraten Menottis zertrampelt) und telefoniert zwei Stunden lang mit Carlo Ancelotti, dem Trainer von Real Madrid. Wieder malt er Strichmännchen, Pfeile und Zahlen.
carlo.ancelotti@real-madrid.es an tata@barcelona-cf.es: »Grazie mille, amico intimo!«
Der Papst wählt um 0.14 Uhr, 0.19 Uhr und 0.45 Uhr die Nummer vom Festnetzanschluss der Familie Messi in Barcelona und legt jeweils nach dem sechsten Klingeln auf.
16. April
Valencia • Martino lässt im Mannschaftsbus auf dem Weg zum Estadio Mestalla die Greatest-Hits-CD von ZZ Top einlegen. Barcelona verliert das Königspokalfinale gegen Real Madrid 1:2. Messi schießt dreimal neben und zweimal übers Tor.
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8. Juni 2014
Finale Fragen
Buenos Aires • Am Abend vor dem Abflug der argentinischen Nationalmannschaft nach Brasilien treffen Menotti, Bielsa und Martino ein letztes Mal Leo Messi. Sie sitzen in der leeren Umkleide und schweigen lange.
»Halt deine Form!«, sagt Martino schließlich und erhebt sich.
»Aber um Himmels willen nur bis zum Achtelfinale«, sagt Bielsa und klopft Messi auf die Schulter.
»Und vergiss die anderen im Team, die meisten taugen eh nichts«, sagt Menotti und hält seinen Stalin-Schnurrbart fest.
»Señor Menotti, ich darf also Weltmeister werden?«, fragt Messi.
»Ja, mein Junge«, sagt Menotti. »Verdammt, wo bleibt der Sabella mit meinen Zigaretten?«
Video eingeschickt von Helge vom Blog Me llaman Jorge