Posts Tagged ‘Holland’

Danksagung

von CHRISTOPH WESEMANN

Logo des WM-Tagebuchs - Zeichung: Danü (Daniel Schlierenzauer)

Danke, Sergio Romero, für die zwei gehaltenen Elfmeter. Verzeih, Chiquito1, dass ich dich unseren Lesern als »Fliegenfänger« vorgestellt habe.

Danke, mein Rosenkranz, du mit dem Anhänger der Jungfrau von Luján und dem anderen aus Quilmes, dass du dich wieder dreißig Mal hast beten lassen. Und knutschen, reiben, anpusten. Obwohl ich nicht einmal getauft bin.

Danke, mein Sohn, dass du beim Elfmeterschießen die Hände zum Gebet gefaltet hast und dich nach jedem Treffer von uns und jedem Fehlschuss von denen hast küssen lassen. Im Finale wirst du für Deutschland sein. Aber erwartest du ernsthaft, dass wir das letzte Spiel verlieren?

Danke, du Mann im Bus auf dem Heimweg, für das, was du sehr laut in dein Telefon gebrüllt hast: »Ich bin total verrückt geworden. Ich kann mich einfach nicht beruhigen. Du müsstest mich sehen, ich flenne wie ich Mädchen.«

Danke, du anderer Mann im Bus, dafür, dass du dich von hinten eingemischt hast: »Genau wie ich!«

*****

Fußballgucken auf der Plaza General San Martín im Zentrum von Buenos Aires

Anti-Brasilien-Plakat, frei übersetzt: Papa bleibt noch zu Besuch. (Der Papa ist Argentinien.)

Halbfinale 3

Halbfinale 4

halbfinale 5

Halbfinale 6

Gäste und Kellner eines Cafés in Buenos Aires bejubeln das gewonnene Elfmeterschießen.

Vorbeimarsch mit der Fahne am Bahnhof Retiro

Halbfinale 9

  1. Spitzname []

Die Geschichte des »Ooouh« und der beste Keks von Amsterdam

von KATHARINA HANDY (Gastbeitrag)

Logo des WM-Tagebuchs - Zeichung: Danü (Daniel Schlierenzauer)

Katharina Handy ist freie Journalistin und hat zwei Monate in Amsterdam gelebt und gearbeitet. Sie bloggt als Katrijn Mobiel.

*****

»Je krijgt het meisje wel uit Nederland, maar Nederland niet uit het meisje.«1

»Ich soll was über die Niederlande und Argentinien schreiben«, habe ich meinem holländischen Kollegen über Skype erzählt. »Ooouh«, sagte er, und trotz des verpixelten Bildes konnte ich sehen, wie sich schmerzhafte Erinnerungen auf sein Gesicht zeichneten. »Neunzehnhundertachtundsiebzig«, sagte er dann mit bedeutungsschwangerer Stimme. Und weil er wie alle Experten sonst im Fernsehen vor einer Bücherwand saß, während ich mit ihm sprach, wusste ich, dass es sich wirklich um eine ernste Angelegenheit handelte. »Effe googelen … eben mal googeln«, dachte ich.

Bei der WM 1978 hatte Gastgeber Argentinien die Niederlande im Finale mit 3:1 nach Verlängerung geschlagen. Argentinien wurde Weltmeister, die Niederlande … äh,  Zweiter.

 

Kaum hatte der glücklose Michael Umaña in der Nacht auf den 6. Juli 2014 den letzten Elfmeter für Costa Rica versemmelt, kaum stürmte der Oranje-Kader auf den Rasen von Salvador – da twitterte schon ein Freund aus Amsterdam: »Bin gespannt, ob Máxima das Halbfinale bei Willy im Wohnzimmer gucken darf.« Wenig später ging ein Bild durch die Netzwerke, das die Königin und den König der Niederlande Rücken an Rücken im Ehebett zeigt, mit dem Hashtag #NEDARG.

 

Máxima kam 1971 in Buenos Aires auf die Welt. Sie ist gebürtige Argentinierin. Irgendwann hat sie sich den niederländischen Thronfolger geangelt.

Es war der Sommer von 1998. Die Fußball-WM war in Frankreich und ich irgendwo in einem Sommercamp in Mecklenburg. Ach ja, und die Niederlande spielten ihr Viertelfinale gegen Argentinien. Zum Ende der regulären Spielzeit stand es 1:1, als Verteidiger Frank de Boer einen traumhaften Pass auf Stürmer Dennis Bergkamp platzierte, der dann in der 90. Minute das entscheidende Tor schoss.

Ach guck, da haben die Niederländer auch schon mal gegen Argentinien gespielt?

 

Das ist es, was mich am Fußball so stört. Jedes Mal werden die Legenden beschworen, der Geist von neunzehnhundert-(bitte selbst ergänzen), die Rückennummer von (da fällt euch schon wer ein) und die verwandtschaftlichen Beziehungen von (zum Beispiel Máxima). Dabei gibt es eigentlich, eigentlich, EIGENTLICH nur drei vier fünf Gründe, weshalb die Niederländer heute ins Finale kommen:

1. Ihr König ist zur Hälfte ein Deutscher.
2. Die Niederländer haben den weltweit größten Privatbestand an orangefarbenen Devotionalien.
3. Das Wort des Jahres 2013 in den Niederlanden war »Selfie«.
4. Die Niederländer können zwei Kinder, zwei Einkaufstaschen, einen Rucksack und eine Ehefrau auf einem Fahrrad transportieren.
5. Diese Pommes (mit Majo und Erdnuss-Soße).

Pommes

Einen hab ich aber noch (bester Keks). Und den hier (bestes Sonntagsdate). Nicht zu vergessen, das hier (#partylikeaninsider).

Hipper

  1. Du kriegst das Mädchen zwar aus Holland, aber Holland nicht aus dem Mädchen. []

Van Gaal, der Rasputin von Máxima

von MARC KOCH (Gastbeitrag)

Logo des WM-Tagebuchs - Zeichung: Danü (Daniel Schlierenzauer)

Marc Koch ist Lateinamerika-Korrespondent der Deutschen Welle und lebt in Buenos Aires.

*****

Ich habe neulich mit Holländern Fußball gespielt.

Ja!

Na und??!!

Was gucken Sie denn jetzt so indigniert?

Erstens fehlte bei denen ein Mann, und zweitens sagt meine Frau immer, ich solle mich mehr bewegen, anstatt für umsonst für ein unterklassiges Fußballblog zu schreiben. Außerdem sind die Argentinier, zu denen mich der Hausherr CW manchmal mitnimmt, damit er nicht der schlechteste Spieler auf dem Platz ist, eigentlich zu schnell für einen Mann in meinem Alter.

 

Es war auch nicht teuer, wir hatten so eine cancha gemietet. Das sind kleine Fußballplätze, die man in dieser wunderbaren Stadt an jeder Ecke finden kann, sogar unter Autobahnbrücken und sogar als Ausländer (was zum Beispiel bei Handyverträgen oder städtischen Mietfahrrädern völlig ausgeschlossen ist.)

Und ich hatte ein lustiges Trikot. Was da drauf steht, ist natürlich gar nicht mein Name. Das ist spanisch und heißt: »Ihr werdet verlieren.« Klingt aber holländisch. Gut, oder!!?

Van a perder

Als jemand, der seinerzeit die Aufnahme in die Ajax-Schule nur haarscharf verpasst hat, schätze ich ja den eleganten Angriffsfußball nach ausführlichem Kurzpass-Vorspiel. Die Älteren erinnern sich: 1972, Finale Europacup der Landesmeister: Ajax Amsterdam, 2:0 gegen Inter. Der Sieg des totalen Fußballs. Der Tod des Catenaccio. Seitdem war das 4-3-3-System in Holland heilig.

Dann kam van Gaal. Dieses sympathische Feierbiest. Der sich von seinen Kindern siezen lässt (was ich CW für seinen Nachwuchs auch mal empfehlen sollte!). Der seine Spieler nicht mit Namen, sondern mit Nummern anspricht. Und verlangt, dass sie tun, was er sagt. Der perfekte Pädagoge also. Ein Mann mit Prinzipien. Einer, der irgendwie nicht nach Argentinien passt. Dachten wir.

Doch der alte Aloysius hat es drauf: Da muss er mit einer Truppe zur WM, die es – na ja, sagen wir mal – nicht so richtig gut kann, das Fußballspielen. Und dann kicken die sich locker durch dieses Turnier. Wie das jetzt? Weil van Gaal den Argentinier in sich entdeckt hat! Er wechselt das System, wie es ihm gerade passt: Stundenlang lässt er 5-3-2 spielen. Das braucht nicht nur kein Mensch, das kapiert auch kein Gegner. Aber zehn Minuten vor Schluss: Heißa, die Waldfee, 4-3-3, Robben rennt fünftausend Meter in einer halben Minute, trifft und Holland gewinnt.

Dazu kommt, und auch das ist ja argentinisch gedacht, dass van Gaal schon mit einem 1:0 zufrieden ist. Früher waren argentinische Fußballer da anders: »Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne«, hat der sehr große Don Alfredo di Stéfano immer gesagt. Aber der ist dann ja auch Spanier geworden.

Apropos Waldfee und Nationalitätenwechsel: Die Holländer haben sich ja vor ewigen Zeiten eine Argentinierin ins Königshaus geholt. Wahrscheinlich, damit das Protestantenvolk mal ein bisschen lockerer wird. Kein Festhalten an sogenannten »ewigen Wahrheiten«. Und schon gar nicht am 4-3-3. Wenn Holland demnächst Republik wird, ist Máxima schuld!

Wenn Argentinien nicht Weltmeister wird, allerdings auch.

*****

Weitere Texte von Marc Koch im Argentinischen Tagebuch:


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

Themen

Suchen

Suchbegriff eingeben und «Enter»


Musik: Somos de acá

Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)