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Frisches Angeberwissen (2)

von CHRISTOPH WESEMANN

Ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr an der Landeskunde geschraubt. Das hole ich jetzt nach, indem ich eine Reihe beim Lesen entdeckter Statistiken über Argentinien präsentiere. Zum Verständnis vorab: Alle Preise und Löhne sind in Peso angegeben. Der offizielle Peso-Euro-Wechselkurs steht derzeit bei etwa 10,8 : 1. Außerdem ist Argentinien fast achtmal so groß wie Deutschland, hat aber nur halb so viele Einwohner.

Erster Teil

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Politiker und Geld

  • 830 000 Pesos bezahlte der Gouverneur der Provinz Misiones, Mauricio Closs, für 200 000 »Gefällt mir«-Klicks bei Facebook und 200 000 weitere Klicks über Google. Jeder Facebook-Fan kostete somit umgerechnet 1,93 Pesos. Das Geld dafür bewilligte sich der Politiker aus dem Haushalt über das Dekret 766/14.

Kicillof

  • Seit 2013 hat La Cámpora, die Nachwuchsorganisation des Kirchnerismus, fünf neue Peso-Millionäre, darunter ist der Wirtschaftsminister Axel Kicillof. Der mutmaßlich wohlhabendste Camporist ist Mariano Recalde, Präsident der staatlichen Fluglinie Aerolíneas Argentinas. Sein Privatvermögen gibt er mit 6,2 Millionen Pesos an. Er besitzt unter anderem zwei Wohnungen, ein Auto und Aktien einer Immobiliengesellschaft. Sein durchschnittlicher Monatsverdienst beträgt nach eigenen Angaben 150 000 Pesos. Nationalabgeordnete, Senatoren, Minister und andere Funktionäre des Staates müssen der Antikorruptionsbehörde, die zum Justizministerium gehört, alljährlich ihre Vermögensverhältnisse unter eidesstaatlicher Versicherung offenlegen. (Was nicht bedeutet, dass die Angaben tatsächlich stimmen.) Einsicht in die Dokumente kann − unter anderem von Journalisten − beantragt werden.

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Schuld und Sühne

Die Macht von La Cámpora

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Protest: Straßenblockaden und -sperrungen (piquetes) in Argentinien

Straßensperren sind in Argentinien eine beliebte Protestform, um Politik und Gesellschaft auf Missstände − Kriminalität, häufige Stromausfälle im Viertel, Armut − aufmerksam zu machen. Die Zahl der Blockaden ist damit auch ein Hinweis auf die wirtschaftlichen und politischen Zustände im Land.

[visualizer id=“6117″] Quelle: Perfil, Ausgabe vom 30. August 2014, S. 2-3.

[visualizer id=“6152″] Quelle: Perfil, Ausgabe vom 30. August 2014, S. 2-3.

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Verkehr

  • Eine Million Fahrzeuge sind in Buenos Aires nach Angaben des Verkehrssekretariats angemeldet. An einem Werktag kommen durchschnittlich weitere 1,3 Millionen Fahrzeuge von außerhalb in die Hauptstadt. Es gibt jedoch nur 1,5 Millionen Parkmöglichkeiten.
  • Alle drei Minuten wird in Buenos Aires ein falsch geparktes Auto abgeschleppt. Macht im Monat 14 000 Fahrzeuge. 2013 wurden  laut dem Unterstaatssekretaritat für Transport an 298 Tagen 108 772 Autos abgeschleppt.
  • Zuständig sind dafür seit 2001 zwei Firmen: Dakota SA im Norden der Hauptstadt, BDR Saicfi im Süden. Für das Abschleppen berechnen sie 450 Pesos. (Hinzu kommt eine Strafe von 640 Pesos.) Sie selbst zahlen an die Stadt Buenos Aires monatlich jeweils nur 30 000 Pesos − einen Betrag, den sie nach weniger als einem Tag − oder umgerechnet 66,66 Fahrzeugen − bereits wieder eingenommen haben. Monat für Monat sollen 30 Millionen Pesos zusammenkommen.
  • Dass die beiden Firmen auch für das Kennzeichnen der Parkverbote − Schilder und gelb angepinselte Bordsteine − zuständig sind, sorgt für Unmut. Es heißt, die Markierungen seien schlecht zu erkennen oder würden sogar erst angemalt, wenn das Auto bereits parkt. Überdies seien Beschwerden − auch über Beschädigungen − zwecklos. Im Film »Relatos Salvajes« ärgert sich ein Mann (gespielt von Ricardo Darín) sosehr über das aus seiner Sicht ungerechtfertigte Entfernen seines Autos, dass er es noch einmal falsch parkt − diesmal aber mit einer Bombe im Kofferraum, die später auf dem Parkplatz der Abschleppfirma explodiert. Weil der Mann Sprengstoffexperte ist, gibt es keine Verletzten. Das Volk hat einen Helden: »Bombita«, das Bömbchen.

 

  • Taxifahren in Buenos Aires: Der Startpreis beträgt 14,30 Pesos, alle 200 Meter (oder nach jeder Minute Stillstand) werden 1,43 Pesos berechnet. Zwischen 22 und 6 Uhr betragen die Preise 17,10 Pesos und 1,71. (Stand: September 2014) In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Taxifahren um 200 Prozent verteuert. Im Oktober 2010 etwa standen zu Beginn 5,20 Pesos auf dem Taxameter, und 200 Meter kosteten 0,52 Pesos. Acht von zehn Taxis sind offiziellen Angaben zufolge klimatisiert.

Taxis

  • Jährlich werden in Argentinien 700 000 Motorräder hergestellt; 2003 waren es noch 35 000 − eine für viele Länder Lateinamerikas typische Entwicklung. Pro Tag werden allein in Buenos Aires 500 Motorräder angemeldet. 5,8 Millionen Motorräder sind in Argentinien registriert − 1,7 Millionen davon in der Provinz Buenos Aires. Argentinier fürchten derzeit kaum etwas mehr als die »motochorros« − überwiegend junge und oft bewaffnete Männer, die vom Motorrad aus Überfälle verüben.

Unfall

  • 86 Menschen starben im Jahr 2013 im Straßenverkehr der Hauptstadt − neun mehr als 2012. Statistisch gesehen kam damit jeden vierten Tag ein Verkehrsteilnehmer ums Leben. Insgesamt gab es 10 124 (registrierte) Unfälle − pro Tag 27,7 − mit 10 621 Verletzten. 63 Prozent der Toten und 70 Prozent der Verletzten waren Männer. Fast die Hälfte der Totenopfer und ein Drittel der Verletzten waren zwischen 20 und 34 Jahre alt. Von den 86 Menschen, die 2013 im Verkehr starben, waren 39 zu Fuß unterwegs (45 Prozent), 23 mit dem Motorrad (29 Prozent) und 16 mit dem Auto (19 Prozent). Verletzt wurden am häufigsten Motorradfahrer (4199; 40 Prozent).
  • Die meisten Toten auf den Straßen Buenos Aires‘ gab es 2007: 138.
  • Landesweit starben 2013 5187 Menschen, im Schnitt 14 pro Tag. In Deutschland, das doppelt so viele Einwohner hat und einen viermal so hohen Kraftfahrzeugbestand, waren es 3340.

[visualizer id=“6163″] Quelle: Ifa; zitiert nach Clarín.

Frisches Angeberwissen (1)

von CHRISTOPH WESEMANN

Ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr an der Landeskunde geschraubt. Das hole ich jetzt nach, indem ich eine Reihe beim Lesen entdeckter Statistiken über Argentinien präsentiere. Zum Verständnis vorab: Alle Preise und Löhne sind in Peso angegeben. Der offizielle Peso-Euro-Wechselkurs steht derzeit bei etwa 10,8 : 1. Außerdem ist Argentinien fast achtmal so groß wie Deutschland, hat aber nur halb so viele Einwohner.

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Mindestlöhne und Hausangestellte

  • Der Mindestlohn beträgt 4400 Pesos und wurde im September 2014 um 22,2 Prozent angehoben. Vorher waren es 3600 Pesos (beschlossen zum Januar 2014). Zum 1. Januar 2015 soll der Mindestlohn abermals steigen, um 7,2 Prozent auf dann 4716 Pesos. Das wäre der höchste Mindestlohn in Lateinamerika. Allerdings betrifft der Mindestlohn nur 113 000 der fast zehn Millionen Personen, die offiziell beschäftigt werden und nicht schwarz arbeiten. In Deutschland wird vom 1. Januar 2015 an ein Mindestlohn von 8,50 Euro gelten.
  • 25 Pesos beträgt der Mindeststundenlohn von argentinischen Hausangestellten, wenn sie dort wohnen, wo sie auch arbeiten. Haben sie eine eigene Wohnung, sind es 28 Pesos. Der offizielle Mindestmonatslohn beträgt 3220 Pesos (ohne eigene Wohnung) und 3590 Pesos. Hausangestellte haben Anspruch auf Urlaub; die Zahl der (bezahlten) Urlaubstage hängt davon ab, wie lange die Person bereits im Haus angestellt ist:

− sechs Monate bis fünf Jahre: 14 Tage

− fünf bis zehn Jahre: 21 Tage

− zehn bis 20 Jahre: 28 Tage

− mehr als 20 Jahre: 35 Tage

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Armut und Arbeitslosigkeit

Villa 31, eines der großen Elendsviertel der Hauptstadt

  • Die offizielle Arbeitslosenquote lag im zweiten Trimester 2014 bei 7,5 Prozent. Die Erwerbstätigenquote betrug 41,4 Prozent − der niedrigste Wert seit Anfang 2006 (40,7 Prozent). In Deutschland liegt sie bei mehr als 72 Prozent. [Nachtrag: Ich habe die Vergleichszahl gestrichen. Siehe den Äpfel-mit-Birnen-Kommentar von Jorge. War insgesamt keine gute Idee, auf diesem Feld, das statistisch hier wie dort Niemandsland ist, den Vergleich zu suchen.]
  • Unabhängige Studien beziffern die Armut in Argentinien auf 30 bis 33 Prozent − das wären zwischen 13 und 14,5 Millionen Menschen. Die Regierung spricht von 1,6 Millionen, umgerechnet etwa fünf Prozent. Offizielle Daten zur Armut werden aber seit dem vergangenen Jahr nicht mehr veröffentlicht. Die Regierung hatte angekündigt, die Untersuchungsmethode zu verändern. Dabei ist es bislang geblieben.
  • In Argentinien wird statistisch zwischen einem Leben in »pobreza« (Armut) und »indigencia« (Armut und Mittellosigkeit, im Sinne von Elend) unterschieden. Grundlage zur Einstufung bilden die Einkünfte und Sozialleistungen, die eine Familie − zwei Erwachsene, zwei Kinder − monatlich zur Verfügung hat. Staatliche und nichtstaatliche Institutionen kommen dabei zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen, was die Monatsobergrenzen betrifft:

− Einheitsgewerkschaft CGT: bis 3110 Pesos Elend, bis 7122 Pesos Armut

− Politikinstitut IpyPP: bis 3435 Pesos Elend, bis 6320 Pesos Armut

− Katholische Universität UCA: bis 1982 Pesos Elend, bis 4142 Pesos Armut

− staatliches Statistikamt Indec: bis 787,63 Pesos Elend, bis 1783,63 Pesos Armut.

  • Vergleichsdaten: ein Liter Milch kostet 7 bis 10 Pesos, das Kilogramm Weißbrot mindestens 18 Pesos, 200 Gramm Butter 12 Pesos oder mehr. Die Regierung legt für mehr als 200 Produkte des täglichen Bedarfs die Preise fest.

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Gesundheit

  • Nach Angaben des Gesundheitsministeriums rauchen 25,1 Prozent der Erwachsenen in Argentinien − weniger als in Deutschland (30 Prozent). 2005 waren es noch 30 Prozent, vier Jahre später 27,1.
  • Fast sechs von zehn Argentiniern über 18 Jahren (57,9 Prozent) sind übergewichtig. 2005 waren es nur 49 Prozent, vier Jahre später schon 53,9. Für »fettleibig« hält das Ministerium 20,8 Prozent der Erwachsenen. Der Anteil nach Alter:

− 18 bis 24: 7,7 Prozent

− 25 bis 34: 15,8 Prozent

− 35 bis 49: 24,3 Prozent

− 50 bis 64: 29,6 Prozent

− 65 und älter: 24,3 Prozent

Quelle:  Dritte landesweite Umfrage des Gesundheitsministeriums zu Risikofaktoren (2013)

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Umwelt

Müll am Río de la Plata

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Die Provinz Buenos Aires

  • Wenn Argentinier »Buenos Aires« sagen, meinen sie die Provinz, eine von 23. (Die Hauptstadt Buenos Aires nennen sie einfach »Capital«.) Buenos Aires, die Provinz, ist flächenmäßig fast so groß wie Deutschland und hat mehr als 15 Millionen Einwohner. Vier von zehn Argentiniern leben hier.
  • Es gibt es 12 000 staatliche Schulen (3,3 Millionen Schüler) und 4800 private (1,5 Millionen).
  • Im Schnitt wird in dieser Provinz alle 32 Stunden ein Mord begangen. Pro Stunde gab es im Jahr 2013 82 Verbrechen − fünf Prozent mehr als 2012.

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Kino

1. Relatos Salvajes: 449 986 (2014)

2. Metegol: 422 845 (2013)

3. Corazón de León: 295 332 (2013)

4. Séptimo: 270 322 (2013)

5. Bañeros 3 Todopoderosos: 228 497 (2006)

  • Die erfolgreichsten Kinostarts aller Zeiten in Argentinien:

1. Monsters University: 791 225 (2013)

2. Los Simpsons: 759 032 (2007)

3. La Era de Hielo 4: 620 009 (2012)

4. Shrek para siempre: 600 041 (2010)

5. Rápidos y Furiosos 6: 594 978 (2013)


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
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2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)