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Ein Chinese mit Handschellen für den Auserkorenen: Der teufliche Plan der argentinischen Präsidentin

von CHRISTOPH WESEMANN

Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen am 25. Oktober ist Argentinien seit Sonntag, 0 Uhr, schlauer. Punkt Mitternacht war vorerst Schluss mit Gerüchten und Geschäften: Parteien und Bündnisse präsentierten ihre Kandidaten, und das Land weiß nun, wer Präsident werden will. Es riecht nach einem Duell zwischen dem Peronisten Daniel Scioli, Gouverneur der Provinz Buenos Aires, und dem nichtperonistischen Hauptstadtbürgermeister Mauricio Macri. Die beiden sind alte Freunde, obwohl sie politisch weit auseinander liegen: Scioli verspricht Kontinuität, Macri einen Wandel. Die große Überraschung ist jedoch die Noch-Präsidentin: Cristina Kirchner bewirbt sich um kein neues Amt. Zieht sie sich nach 26 Jahren wirklich aus der Politik zurück?

Das Argentinische Tagebuch beschäftigt sich in zwei Teilen mit dem Wahlkampf, stellt die wichtigsten Kandidaten vor und erklärt die Strategien. Der erste Teil widmet sich der Regierung.

Cristina Kirchner im Hubschrauber der Präsidentin mit Carlos Zannini (M.) und Daniel Scioli

> Cristina Kirchner mit Carlos Zannini (M.) und Daniel Scioli am Tag der Fahne, der am 20. Juni in Rosario gefeiert wurde. Scioli durfte zum ersten Mal mit dem Hubschrauber der Präsidentin fliegen. Foto: Casa Rosada

Was hat die Staatschefin beim Chinesen bestellt? Carlos Zannini, Spitzname El Chino, ist Cristina Kirchners Strippenzieher und einer ihrer engsten Vertrauten. Viele umstrittene Projekte der linkspopulistischen Regierung, etwa das Mediengesetz, sind sein Werk. Nun soll Zannini Vizepräsident werden.

Der 60-Jährige, früher Maoist, dann verfolgt und verhaftet während der Militärdiktatur, ist im Windschatten der Familie Kirchner an die Macht gelangt. Unter dem neuen Bürgermeister von Río Gallegos, Néstor Kirchner, wurde er 1987 Sekretär der Stadtregierung. Als Kirchner vier Jahre später die Gouverneurswahlen in der Provinz Santa Cruz gewann, machte er Zannini zum Minister. Der drehte noch eine Runde durchs Parlament und wurde 1999 zum Chef des Obersten Gerichtshof ernannt. Weitere vier Jahre später ging es gemeinsam in die Hauptstadt. Kirchner wurde Präsident − und Zannini, was er bis heute ist: un peso pesado, ein Schwergewicht der hiesigen Politik; sein offizieller Titel: Sekretär für Legalisierung und Technik.

El Chino gehört zu den wenigen Technokraten, die nach Néstor Kirchners Tod 2010 politisch überlebt haben. Cristina Kirchner, die berühmteste Witwe am Río de la Plata, seit fast acht Jahren Präsidentin, hat viele Posten neu besetzt, aber Zannini weiter vertraut. Nun endet ihre gemeinsame Zeit. Am 10. Dezember muss die Präsidentin die Casa Rosada räumen. Schickt sie deshalb einen Aufpasser? Hat sie also beim Chinesen Handschellen für ihren potenziellen Nachfolger bestellt?

Daniel Scioli in Handschellen – dieses Bild wird augenblicklich gern gezeichnet in Argentinien. Es ist bloß eine Vermutung, aber eine naheliegende, schließlich hat die Präsidentin Scioli (58) auserkoren. Nichts ist ihr wichtiger als der Fortbestand ihrer Politik, ein Weiter-so ohne Abstriche, das hat sie oft genug gesagt. Warum sollte Kirchner jemandem das Erbe anbieten, der es nicht pfleglich behandelt? Der Realität entrückt mag sie bisweilen wirken, naiv aber ist sie keineswegs. Scioli in der Regierung, sie selbst weiter an der Macht − das wäre ein geradezu teuflicher Plan.

Der Peronist Scioli regiert seit 2007 Buenos Aires, nicht die Hauptstadt, sondern die viel wichtigere Provinz. Sie ist flächenmäßig so groß wie Deutschland und der Ort, an dem sich vieles entscheidet: 40 Prozent aller Wahlberechtigten leben hier. Scioli hat die Gouverneurswahlen zweimal gewonnen, er ist der mächtigste Provinzfürst des Peronismus. Aber viele Kirchneristen mögen ihn nicht. Obwohl er von 2003 bis 2007 Néstor Kirchner als Vize gedient hat, gilt er nicht als Mann der Bewegung. Man weiß nicht, ob Scioli das Projekt – wie der Kirchnerismus seine zwölf Jahre an der Macht nennt – fortführen, ja vorantreiben wird. Öffentlich hat der einstige Motorbootrennfahrer Cristina Kirchner stets die Treue geschworen; im kleinen Kreis aber soll er ausgiebig über sie lästern.

Trotzdem darf er für den Kirchnerismus antreten; er ist sogar sein einziger Kandidat. Lange hatte es nach einem Zweikampf ausgesehen, über dessen Ausgang die Vorwahlen am 9. August entscheiden würden. Transportminister Florencio Randazzo (51), der treue Kirchnerist und Liebling der Basis, ging offenbar fest davon aus, dass die Präsidentin ihn auswählen werde. Doch dann verkündete Scioli am Dienstag voriger Woche in einem Fernsehinterview, dass Carlos Zannini als sein Vize mit ihm den Wahlkampf ziehe. Er hatte nicht weniger als eine Bombe gezündet.

Randazzo soll vollkommen überrascht gewesen sein, ja erschüttert. Ausgerechnet Zannini! Der Mann, der ihn, Randazzo, die ganze Zeit unterstützt hatte! Der alles ausgeheckt hatte! Ihr Plan sah vor: Der Transportminister verbessert die rostige Infrastruktur, er stellt jede Woche neue Züge auf frische Gleise, sticht so Scioli aus, beerbt Kirchner und garantiert Kontinuität. Und ausgerechnet Zannini, der Hexenmeister, wechselt kurz vor Schluss zu Scioli, über den Randazzo monatelang gelästert hatte. Hach, und die Präsidentin, jene Frau, die Randazzo nahezu abgöttisch verehrt, gibt dem Gespann obendrein ihre Segen. Womöglich war es sogar ihre Idee, und Scioli durfte nur noch akzeptieren. (Die Meinungen gehen diesbezüglich auseinander. Scioli reklamiert für sich, Zannini selbst ausgewählt zu haben.)

Transportminister Florencio Randazzo, der Herr der neuen, in China hergestellten Züge

> Transportminister Florencio Randazzo, der Herr der neuen, in China hergestellten Züge Foto: Ministerio del Interior y Transporte

Und Randazzo? Der hatte sich vor langer Zeit festlegt: Alles oder nichts, entweder schafft er es in die Casa Rosada – oder er geht nach Hause. Er hielt Wort. Das Angebot der Präsidentin, das Gouverneursamt der Provinz Buenos Aires anzustreben, als alleiniger Kandidat der Regierung, lehnte er. Ein fast ungeheuerlicher Vorgang – denn ein Kirchnerist gehorcht der Anführerin eigentlich. Randazzo wird nun offenbar wie ein Aussätziger behandelt. Sein Stab klagte am Ende der Woche: »Wir sind einsamer als Boudou am Tag des Freundes.«1 (Amado Boudou ist der nach unzähligen Affären und Ausrutschern demolierte Vizepräsident, zu dem selbst Parteifreunde größtmöglichen Sicherheitsabstand halten.)

Randazzo twitterte daraufhin Treueschwüre:

»Dass sich keiner irrt. Ich unterstütze alle Entscheidungen, die die Präsidentin trifft. Sie führt das Projekt, dem ich angehöre und dessen Teil ich weiter sein werde.«

»An die Journalisten, die eine böse Absicht verfolgen: Ich habe nie gesagt, dass mir die Präsidentin verboten hat, bei den Vorwahlen anzutreten.«

»Aber gegen Carlos Zannini anzutreten, bedeutet, gegen die Präsidentin anzutreten.«

»Ich wiederhole, ich werde nie etwas tun, das der Präsidentin schadet.«

Dass Cristina Kirchner nicht selbst antritt, ist eine mittelgroße Sensation. Sie hätte sich ja ein Amt quasi aussuchen können: Gouverneurin der Provinz Buenos Aires, Senatorin oder Abgeordnete eines Parlaments (Argentinien oder Mercosur). Es schien unvorstellbar, dass sie verzichtet, zumal sie sich wieder erholt hat. Ihre Beliebtheitswerte sind  gestiegen, sie wurde von Bürgermeistern, Gouverneuren und Abgeordneten regelrecht angefleht, im Spiel zu bleiben und der Kampagne Schub zu verleihen. Nun tritt sie ab.

Warum? Sie hatte in den vergangenen Jahren kleinere und größere gesundheitliche Probleme. Nach einer Kopf-Operation war sie Ende 2013 sogar für sechs Wochen ganz abgetaucht. In jüngster Zeit allerdings wirkte sie indes stabil, gut gelaunt, mitunter sogar aufgekratzt und tatendurstig. In der vergangenen Woche hat sie per Erlass das Kindergeld um 30 Prozent2 erhöht – und dieses Geschenk, wie es sich gehört für diese Präsidentin, dem Volk per Fernsehansprache verkündet. Es war ihre 24. Cadena Nacional in diesem Jahr; das Recht des Staatsoberhauptes, sich in Ausnahmefällen auf die staatlichen Sender schalten zu lassen, nutzt Kirchner fleißiger als ihre Vorgänger: im Schnitt alle sieben Tage.

Möglicherweise wäre ein Verbleib an der Macht oder in deren Nähe auch zu viel Ballast für den Kandidaten Scioli gewesen. Der hat sich ja schon ordentlich verbiegen müssen. Für Aufsehen und Heiterkeit sorgte sein Wahlkampfspot, in dem er die erste Zeile eines kirchneristischen Schlagers wieder und wieder zitierte: »Yo vengo bancando este proyecto nacional y popular.« Er unterstütze dieses kirchneristische Projekt seit dem ersten Tag, sagte er – erst als Vizepräsident, dann als Gouverneur. Nun bitte er, dass »du mich unterstützt«.

Für einen Sieg braucht Scioli die Stimmen der kirchneristischen Stammwähler (etwa 30 Prozent), aber auch die jener Peronisten, die auf einen leichten Wandel hoffen. Es ist ein riskantes Spiel. Schon länger skizzieren Sciolisten, die Anhänger des Gouverneurs, dessen Weg in die Casa Rosada: Danach bleibe Scioli bis zu den Vorwahlen am 9. August Ultrakirchnerist, löse sich bis zur Wahl am 25. Oktober allmählich und regiere am Ende, ohne Rücksicht zu nehmen auf die alten Freunde, die ihm die Macht besorgt haben. Anders gesagt: erst esclavitud (Sklaventum), dann liberación (Befreiung), schließlich independencia (Unabhängigkeit).

Scioli

> Ich werde der Präsident sein mit Glaube, Hoffnung, Optimismus, Sport, Tourismus, Freunde – und mit mehr Unabhängigkeit denn je.

Diese Strategie hat freilich Schwachpunkte. Nach bewährter Tradition war das Anfertigen sämtlicher Kandidatenlisten der Bewegung das Vorrecht der Präsidentin; von lapicera y guadaña spricht man in Argentinien, dem Kugelschreiber und der Sense, zu denen Kirchner greife, um dafür zu sorgen, dass ungeeignete, also unzuverlässige Parteifreunde auf der Strecke bleiben. Die Parlamente und Rathäuser überall im Land werden nach den Wahlen voller Cristinistas sein, ultratreuer Anhänger der Staatschefin a. D. La Cámpora, die Nachwuchstruppe der Bewegung, gegründet und angeführt vom Präsidentensohn Máximo Kirchner (38), hat bei der Aufstellung der Kandidaten ordentlich abgesahnt. Máximo Kirchner bewirbt sich zum ersten Mal um ein öffentliches Amt, er steht auf Platz eins der Liste in der Provinz Santa Cruz für das Nationalparlament.

Máximo Kirchner mit seiner Schwester Florencia (l.), seiner Freundin María Rocío García, Sohn Néstor Iván und der Präsidentin

> Máximo Kirchner mit seiner Schwester Florencia (l.), seiner Freundin María Rocío García, Sohn Néstor Iván und der Präsidentin Foto: Casa Rosada

Und dann ist da ja noch der Vizepräsidentschaftskandidat Carlos Zannini, der Chinese mit den Handschellen für Daniel Scioli. Ein kircheristischer Aufpasser für den wankelmütigen Peronisten. Ein Garant der Kontinuität. »Die Peronisten glauben, dass sie den Kirchnerismus überleben können«, schreibt die Journalistin Silvia Mercado, »Cristina und Zannini aber wollen, dass niemand übererlebt, wenn sie selbst nicht mehr da sind, und sie verdrängen Peronisten so weit wie möglich, um jene einzusetzen, die loyal zum Projekt sind.«

Vielleicht kann sich Cristina Kirchner einfach leisten, in Rente zu gehen – weil sie genau weiß: Auch so geschieht nichts gegen ihren Willen. Außerdem könnte sie wiederkommen, wenn es mit dem neuen Präsidenten – ganz gleich, wie der heißt – nicht klappt.

  • Sonntag, 9. August: Vorwahlen (Primarias Abiertas Simultáneas y Obligatorias, PASO)
  • Sonntag, 25. Oktober: Präsidentschaftswahlen
  • Sonntag, 22. November: wenn nötig Stichwahl (balotaje)
  • Donnerstag, 10. Dezember: Vereidigung des neuen Präsidenten
  1. 20. Juli, el Día del Amigo in Argentinien []
  2. 837 Pesos statt 644 []

Der Depp, der den Bürgermeister nicht grüßt, und eine Präsidentin am Abgrund

von CHRISTOPH WESEMANN

Argentinien hat gestern gewählt, und weil ich aus unerfindlichen Gründen offiziell immer noch nicht Argentinier bin, habe ich nur zuschauen dürfen, wie ein Freund im Viertel Villa Devoto am Nachmittag seine Stimme abgab. Da hatte Hauptstadtbürgermeister Mauricio Macri in Palermo bereits erfolglos versucht, einem jungen Wahlhelfer die Hand zu schütteln. Der verweigerte den Handschlag, weil er Anhänger der argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner ist, und drehte bald als Hashtag #ElBoludoQueNoSaluda (Der Depp, der nicht grüßt) auf Twitter seine Runden. Man legte ihm allerlei in den Mund.

Sin Chori no hay saludo

»Ohne Chori gibt’s keine Begrüßung«, sagt er auf diesem Bild – eine Anspielung darauf, dass Cristinas Anhänger auf Stimmenfang gern die argentinische Variante der Rostbratwurst verteilen.

Zum zweiten Mal nach 2011 gab es wieder Vorwahlen, die im Prinzip bedeutungslos sind, weil erst im Oktober Entscheidendes geschieht. Dann werden die Hälfte der 257 Abgeordneten im Nationalparlament und ein Drittel der 72 Senatorensitze neu vergeben. Die Abstimmung gestern freilich wird als Stimmungstest für die umstrittene Präsidentin betrachtet, die in den vergangenen Monaten und Jahren vor allem die Mittelschicht gegen sich aufgebracht hat. Kollege Jorge, der auch nicht wählen durfte, obwohl er schon genauso versaut politisch denkt wie ein Argentinier, lästert nebenan, die Vorwahlen »bieten der Königin Gelegenheit, in den nächsten drei Monaten noch ein bisschen Geld unters Volk zu streuen, falls die ›Umfrage‹ nicht so toll ausfallen sollte«.

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So toll ist sie dann tatsächlich nicht ausgefallen. Cristinas Regierungsbündnis Frente para la Victoria (Front für den Sieg) bleibt zwar auf nationaler Ebene die stärkste Kraft, hat aber deutlich verloren. Keine der fünf bevölkerungsreichsten Provinzen – Buenos Aires, Córdoba, Mendoza, Santa Fe  und die Hauptstadt – hat es gewonnen. Selbst Santa Cruz, die Heimatprovinz der Präsidentin, holte sich die Opposition. Cristina erreicht nach jetzigem Stand – noch wird ausgezählt, wir sind ja in Argentinien, das dauert also – nur knapp 26 Prozent. Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2011 hatte sie noch 54 Prozent geholt – umgerechnet 11,8 Millionen Stimmen. Jetzt sind es gerade um die sechs Millionen.

Das Ergebnis ist auch deshalb eine Katastrophe, weil zum ersten Mal 16-Jährige haben wählen dürfen – eine umstrittene Reform, die Cristinas Regierung durchgesetzt hatte, in der nicht ganz falschen Annahme: je jünger, umso kirchneristischer. Tatsächlich ist La Cámpora, der Jugendverband der Kirchners, der im Stil mitunter an die FDJ der Deutschen Demokratischen Republik erinnert, eine der großen Stimmungsmacher und -fänger, vor allem in den armen Nordprovinzen, wo man mit T-Shirts und einer kostenlosen Busreise zur Demo nach Buenos Aires minderjährige Argentinier glücklich machen kann.

In Zeitungen werden nun die ersten Abgesänge angestimmt. Das, was gestern geschah, nennt Clarín heute eine »gewaltige Abstrafung für den Kirchnerimus im ganzen Land«. Abwarten. Jorge hat ja dem unzufriedenen Volk im Namen der Präsidentin schon Wahlgeschenke versprochen.

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Bisschen demografische Geografie oder geografische Demografie gefällig? 37,3 Prozent der wahlberechtigten Argentinier leben in der Provinz Buenos Aires, die von der Fläche (307 000 Quadratkilometer) fast so groß ist wie Deutschland (357 000 km²). Allein 15 der 40 Millionen Einwohner leben hier. Dort siegte Sergio Massa, Bürgermeister der Stadt Tigre und einst Kabinettschef von Cristina Kirchner1. Doch aus dem Verbündeten ist ein Abtrünniger geworden, der der Präsidentin und ihrem Kandidaten eine schlimme Niederlage zufügte.

Buenos Aires, Santa Fe, Córdoba, Mendoza und die Hauptstadt, die großen fünf der 24 Provinzen, repräsentieren 67 Prozent aller 30 530 323 Wahlberechtigten, die in Wahrheit Wahlgezwungene sind – denn in Argentinien muss man. Wer es nicht tut, riskiert eine Geldstrafe und darf, so erzählte es eine der Stimmauszählerinnen, drei Monate lang keinerlei Anträge bei Behörden stellen. Gewählt wird übrigens in Schulen – 13 500 im ganzen Land hatten gestern von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Aus Angst vor Betrug und Fälschung der Ergebnisse, berichtete Clarín, hätten sich 38 033 parteiunabhängige Bürger als Wahlbeobachter gemeldet – sieben Mal so viele wie vor zwei Jahren. Auch das zeigt, wie aufgeladen die politische Stimmung im Lande augenblicklich ist. Denn bei der Wahl im Oktober könnte sich einiges entscheiden: Wenn Cristina 2015 ein drittes Mal als Präsidentin kandidieren will, muss sie vorher die Verfassung ändern, die nur zwei Amtszeiten am Stück erlaubt. Cristina könnte auch das Regierungssystem umbauen – weg von der präsidentiellen hin zur parlamentarischen Demokratie. Sie wäre dann eine Art Bundeskanzlerin. Aber auch dafür müsste ihr Bündnis nach dem Oktober eine Zweidrittelmehrheit im Parlament haben.

Ob sie überhaupt noch einmal antreten will, weiß man nicht, vielleicht weiß sie es selbst nicht. Man darf aber zumindest annehmen, dass der Kirchnerismus, jene linkspopulistische Bewegung, die Argentinien seit 2003 regiert, weiter an der Macht bleiben will. Es gibt jedenfalls genug Kirchneristen, die ungern andere von den Fleischtöpfen fressen lassen würden. Man hat sich schließlich in den vergangenen zehn Jahren an diese Kost gewöhnt.

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(Ach ja, Alkohol durfte übrigens am Vorabend und am Tag der Wahl wieder nicht verkauft werden. Das Gesetz soll unter anderem verhindern, dass sich die Leute die Köpfe einschlagen.)

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  1. Ich hatte Massa irrtümlich zum Kabinettschef von Néstor Kirchner gemacht []

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Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)