Sonnabend, 12. Juli, 10.30 Uhr
CW Buenas! Cómo andan, gente? Wir melden uns aus Buenos Aires und haben Großes vor, vielleicht auch nur Kleines, aber das würden wir niemals zugeben. Marc Koch und ich versprechen beim Heiligen aller Zauberkünstler, Diego Maradona, die Zeit bis zum Finale der Weltmeisterschaft halbwegs sinnvoll zu verplempern. Vor allem wollen wir uns selbst ablenken – von Langeweile und innerer Unruhe. Hätten wir einen Redaktionsbus, stünde draußen drauf die Parole: »13. Juli 2014 – Maracanã – Bereit wie nie. – Kann man das Finale einen Tag vorziehen?«
Es lohnt sich, heute und morgen immer mal wieder hier vorbeizuschauen. Wir werden tickern, was wir hören, sehen, lesen und erleben. Applaus, Lob und Blumen, Werbeverträge, Kuscheltiere, Telefonnummern und Heiratsanträge sind erwünscht. Fragen, Kritik und Kommentare natürlich auch. Nicht alles wird uns gelingen. Aber mehr über Argentinien vor dem Finale als hier erfahren Sie bei ARD und ZDF ja auch nicht. Jedenfalls habe ich aufgeschnappt, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen doch sehr auf die deutsche Elf konzentrieren.
Blick auf die Uhr, das rechnen wir jetzt schnell im Kopf aus, ¡vamos!, ähm, tja, nein, wir nehmen doch besser die Finger zu Hilfe: noch 24 plus eins, zwei, drei, vier, fünf, fünfeinhalb Stunden. Also 29einhalb Stunden bis zum Anpfiff des WM-Finales zwischen Deutschland und Argentinien.
11.15
CW. Ich schnuppere gerade an meinem Argentinientrikot. Gegen Bosnien am 15. Juno hatte ich es zum ersten Mal an, danach bei jedem anderen Spiel meiner Lieblinge. Sechsmal. Gewaschen wurde es in den vergangenen vier Wochen natürlich nicht, wir Argentinier sind ja abergläubisch. Sollte ich mir morgen vielleicht ein Duftbäumchen (Vanille oder Flieder) umhängen? Ja, sagt die Nase, unbedingt.
11.46
CW. Meine Familie ist übrigens gespalten. Die Frau hält zu Deutschland, der Achtjährige wohl auch, Argentinien ist nur seine zweitliebste Mannschaft. Vielleicht schaffe ich es aber noch, ihn umzudrehen, er wackelt, und ich kann gut verunsichern. Noch am Mittwoch nach dem Halbfinale gegen Holland hatte er auf dem Heimweg verkündet, im Endspiel beiden Teams die Daumen zu drücken. Kinder, pffffff, also wirklich. Am nächsten Tag war er dann wieder bei Deutschland; der aktuelle Stand ist: Er kann auch mit dem Weltmeister Argentinien einigermaßen leben.
Wo steckt eigentlich mein Kollege? Er sollte mich ja irgendwann ablösen, weil ich jetzt ein paar Stunden mit den Kindern unterwegs bin. Wir arbeiten im Schichtbetrieb. Das hat zum einen zeitökonomische Gründe. Zum anderen haben wir nach vier Wochen WM Lagerkoller. Der eine will dem anderen nur begegnen, wenn es unbedingt sein muss. Ich bin letzte Nacht über den Zaun geklettert und habe in der Stadt einen draufgemacht.
Unser Deutscher hat sich wahrscheinlich in der Toilette eingeschlossen. Seine Angst vor Argentinien ist gewaltig, aber psssssssst.
12.40
MC. Haha! Der Chefreporter hier! Kürzel: MC! Lustig, der Herausgeber, oder!? Geht Angstshoppen! Steht also in diesem Hypermarkt in unserem Viertel. Sein kleiner Sohn muss den Einkaufskarren mit Tiefkühlpizza und Quilmes beladen. Währenddessen steht CW vor der Sonderfläche mit weiß-himmelblauen Fanartikeln und überlegt sich, wie er seiner Frau beibringen soll, dass er schon wieder einen Haufen Pesos für den Plunder ausgegeben hat, der am Montag von bolivianischen Altplastikhändlern eingesammelt wird.
13.09
MC. Typisch wieder: Seit Monaten erzählt CW, dass »wir«(also: »er«. Also die Argentinier) Weltmeister werden. Und jetzt, keine 36 Stunden vor dem Finale, geht er EINKAUFEN! Macht sich aus dem Staub. Und ich wieder Sonderschicht. Ohne Bezahlung. Das Honorar geht wahrscheinlich wieder an die im Liegen bloggenden Edelfedern. Dabei zeigt ihm das argentinische Mittelfeldchefchen Mascherano doch, wie man seinen Mann steht: Dem gibt man ne Knarre, und er holt die Malwinen Falklands alleine zurück!
13.15
MC. Immerhin steht CW zu seiner Albiceleste in guten und in schlechten Zeiten. Kann man nicht von allen behaupten: Die hiesige Regierung schickt keinen Repräsentanten zum Finale. Sie wollen ihnen kein Pech bringen. Und so richtig mit Tschingderassabum und Trommeln wird das Team am Montag nur empfangen, wenn es Weltmeister ist. Also nicht.
14.15
MC. Die Wetteraussichten für den Finalsonntag in Buenos Aires. Rudelgucker, aufgepasst: Sieht nicht gut aus. Fritz-Walter-Wetter!
14.32
MC. Vor dem Finale der Männer: Das Frauenfinale. Merkel vs. Cristina. Smokey Eyes gegen Naturlook. Uckermark gegen La Plata. Weltmeisterin gegen Vizeweltmeisterin. So oder so.
14.51
MC. Das Spiel um Platz 3. #NEDBRA. Wird zwei, drei Stunden später angepfiffen: Die Brasilianer müssen noch ihr Tor aufräumen.
15.20
MC. Alter, CW hat sie nicht mehr alle! Weil sie auf der Sonderverkaufsfläche im Hypermarkt seines Vertrauens kein Mascherano-Trikot in XXL hatten (seit er mehr Fußball guckt als spielt, hat er zugenommen!), ist er jetzt extra nach Caballito gerammelt. Das ist ein Stadtteil. Und dort, im Parque Rivadavia, gibt es noch Fanartikel. Sicher hat er wieder in die Haushaltskasse gegriffen, während seine Gattin ihre wohlverdiente Siesta gehalten hat.
MC. Dabei gibt es in diesem Park ausnehmend schöne Statuen zu sehen. Aber für sowas hat ein argentinischer Fußballfan ja kein Auge…
15.58
MC. In Buenos Aires schüttet es in Strömen, gleich wird dann doch #NEDBRA angepfiffen, verhaltensauffällige junge Argentinier hupen und tröten auf der Straße rum. Da muss ich, vor meinem brabbelnden Kamin, doch gleich an den großen Eric Meiijer denken und den jungen Leuten da unten (und CW natürlich auch!) zurufen: »Nichts ist scheißer als Platz 2!«
16.06
MC. Doch. Arjen Robben fällt ein, dass es doch noch was Scheißeres als Platz 2 gibt. Gleich mehr dazu aus Brasilia…
16.21
CW. Mann, Mann, Mann, sieht das hier aus. Da gibt man dem Chefreporter die Schlüssel und muss hinterher erst mal aufräumen. Hässliche Anführungsstriche. Kleine Bilder. Falsch positionierte Kürzel. Ans Telefon geht er natürlich nicht. Bin gleich wieder da.
16.27
CW. Nichts als Ausreden. Schlimmer als jeder Argentinier. Na ja, Journalist.
Auch interessant: was man erfährt, wenn man mit dem Sohn im Auto unterwegs ist. Die Familie hat doch heute Morgen unsere zwei Meerschweinchen zu Freunden gebracht, weil wir ja am Montag für ein paar Wochen nach Deutschland fliegen. Ja, gleich am Montag, zu diesem Thema kommen wir später. Jedenfalls berichtete der Achtjährige, wie sich seine Mama und die Mama seines Schulfreundes gemeinsam über die Väter ihrer Söhne aufgeregt hätten. Weil die – also wir, Jorge und ich – seit Wochen nix anderes als Fußball im Kopf haben.
»Mama ist froh, wenn die WM morgen vorbei ist. Und die Mama von Facu auch.«
»Deine Mama weiß aber nicht, dass ich eine Woche sehr traurig sein werde, falls Argentinien verliert. Und wenn Argentinien gewinnt: das restliche Leben sehr glücklich. Dann werde ich mir ab und zu frei nehmen, um übers Wasser zu laufen.«
»Übers Wasser kann man nicht laufen, Papa.«
»Ein Argentinier dann schon.«
16.45
CW. Apropos Mascherano: Der dementiert heute in Olé, Argentiniens großer Sportzeitung. »Ich bin nicht Rambo«, sagt er im Interview. San Martín will er auch nicht sein. Hübsche Analogie. Nordamerikanischer Befreiungskämpfer mit fünf Buchstaben? Rambo.
17.20
CW. Mascherano ist laut Olé übrigens nicht der beste Spieler des Turniers. Sein Olé-Notendurchschnitt: 7,5 (von 10). Hier die Noten der anderen Spieler, die die Fifa nominiert hat:
- Robben: 8,2
- James Rodriguez: 7,9
- Thomas Müller: 7,4
- Mats Hummels: 7,1
- Toni Kroos und Philipp Lahm: 7,0
- Neymar: 6,7.
- Messi ist nominiert, aber seine Note finde ich nicht in der Zeitung. Wahrscheinlich: 12,9.
17.31
CW. Der Chefreporter guckt das Spiel um Platz 3 und fragt per Mail: »Ist Heulen eigentlich eine brasilianische Kulturtechnik?«
17.43
CW. Wenn uns jemand von einem Boten zweimal 120 000 Peso (in großen Scheinen!) vorbeibringen ließe, könnten wir noch schnell nach Río de Janeiro düsen. So viel, umgerechnet 11 000 Euro, soll ein Finalticket auf dem Schwarzmarkt maximal kosten. Wir würden natürlich hart verhandeln und uns auch mit Kurve begnügen. Unsere Spesenabrechnung reichen wir nächste Woche nach.
17.45
CW. Wir warten.
17.55 CW. Und wer mir eine echte Freude machen will, der kaufe bitte diesen hübschen Sessel zum Schnäppchenpreis von 2300 Peso:
Hoppla, soeben fällt mir ein, dass ich ja versprochen habe, mich tätowieren zu lassen, wenn Argentinien Weltmeister wird. Glatze obendrein, behauptet mein Sohn. ¡Vamos Alemania, carajo!
18.03
CW. Die Deutschen greifen aber auch zu allen Mitteln. Gerade habe ich die Frau dabei ertappt, wie sie Sohnemanns weiß-himmelblauen Trainingsanzug in die Waschmaschine stecken wollte. Der hat uns doch so viel Glück gebracht am Mittwoch im Elfmeterschießen. Ich frage mich, wie es die Frau geschafft hat, dass er das Ding auszieht. Er war damit zwei Tage in der Schule, er schläft darin, ich kann mir sogar vorstellen, dass die Zwei zusammen baden.
1.03
CW. Rätselhafter Satz in der Süddeutschen Zeitung: »Der Mann mit der Alfredo-Di-Stéfano-Gedächtnisfrisur ist der heimliche Chef in der argentinischen Kabine, was auch daran liegen könnte, dass er vergleichsweise unfallfrei spricht.«
Ich frage mal den Chefreporter, was das heißen soll.
»Meinen sie Dich? Oder den Trainer?«
Nein, Pablo Zabaleta. Die Unverzichtbarkeit des Rechtsverteidigers hat sich mir in sechs Partien nicht erschlossen. Ein paar Mal habe ich sogar schon nach zehn Minuten seine Auswechslung gefordert.
Ich mache für heute mal das Licht aus.
*****
Sonntag, 13. Juli 2014
7.51 Uhr
CW. Buenas! Todo tranquilo? Seit gestern regnet es in Buenos Aires, aber der Morgenkaffee hat weniger bitter geschmeckt als sonst. Ein guter Tag wird das! ¡Vamos Argentina, carajo!
»Todo depende de Messi«, hatte es vor dem Turnier in Argentinien geheißen, von Messi hängt alles ab. Und weil wir aus tiefer Bewunderung Argentiniern alles nachplappern, stand der Satz auch bei uns. Und es stimmte doch: In der Vorrunde schoss der Kapitän Tore und führte seine Mannschaft zum Gruppensieg. Mittlerweile aber überzeugt das Kollektiv. Der Schriftsteller und Fußballpoet Eduardo Sacheri (den wir selbstverständlich bewundern und lesen und dann wieder bewundern usw. usf.), Sacheri sagt heute in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Argentiniern sei »das Teamdenken schon immer schwergefallen: Als Gesellschaft sind wir individualistisch, chaotisch und ziemlich undiszipliniert. Und so spielen wir auch Fußball«. Im Verlaufe des Turnier allerdings habe sich die Albiceleste jedoch erstaunlich entwickelt. »Unser neuer Stil ist solidarisch, geordnet, geduldig.«
Sacheri tippt übrigens – ich sage doch: guter Mann – auf Sieg ohne Elfmeterschießen. Plappern wir gleich nach.
Und Ihr? Geht’s rein und lest’s Sacheri. Seinen Roman »Papeles en el viento« gibt es – wir sind schlauer als Wikipedia – seit dem vergangenen Jahr auf Deutsch. Titel: »Vier Jungs auf einem Foto«. Eine herrlich absurde Geschichte.
8.07
CW. Vielleicht verdeutlicht das ein bisschen den Stellenwert, den der Fußball in Argentinien hat: Supermärkte sind hierzulande das ganze Jahr über geöffnet, auch an den beiden Nationalfeiertagen (25. Mai und 9. Juli), auch an Weihnachten und Ostern. Heute schließen sie um 13 Uhr unserer Zeit, drei Stunden vor dem Anpfiff des Endspiels. Dann werden auch wir hier einpacken und aufbrechen in Richtung Obelisk. Dort irgendwo versuchen wir dann, einen Tisch zu blockieren. Im Café habe ich neulich mit meinem Sohn das Elfmeterschießen gegen Holland gewonnen, davon können wir jetzt nicht mehr abweichen. Man muss nur früh genug da sein; denn das Café ist einer der Orte, an denen sich der Argentinier besonders wohl fühlt.
Um sieben, halb acht – kein Elfmeterschießen, nein – strömen wir hinaus auf die Avenida 9 de Julio, die breiteste der Welt, und feiern mit Hunderttausenden, nein, wahrscheinlich zwei bis drei Millionen, den dritten Weltmeistertitel.
Ein guter Plan.
8.19
CW. Falls Sie den Chefreporter vermissen: Der hat sich im Abschlusstraining den Zeigefinger gezerrt und will sich nicht fitspritzen lassen. Der ist heute rund um die Uhr für die Deutsche Welle im Einsatz. Ich soll ganz lieb grüßen.
8.40
La Nación, die zweitgrößte Zeitung des Landes, hat den Argentiniern einige der unheimlich witzigen Fantasie-Schlagzeilen von Deutschlands größtem Hetz- und Dreckblatt übersetzt. »Franziskus tritt aus Scham zurück« – »El papa Francisco abdica de la vergüenza«. Unter dem Text kommentiert einer: »Die Deutschen machen sichere Pläne – und Gott lacht hinter ihrem Rücken. Sie wissen, wie viele Äpfel am Baum hängen. Aber nur Gott weiß, wie viele Äpfel ein Saatkorn gibt.«
9.20
CW. Wenn wir Weltmeister werden, wird es sehrsehrsehr bitter: Am Montag landet die Mannschaft in Buenos Aires, und ich hebe nach Europa ab. Der jährliche Sommerurlaub. Ich hatte schon vor einem Jahr am Esstisch verkündet: »Ich will die WM in Argentinien erleben! Wir fliegen nach dem Endspiel! Argentinien wird Weltmeister!«
So wurde Montag, der Tag nach der WM, gebucht. Vielleicht hätte ich dazusagen sollen: Ein Land feiert so einen Titel und empfängt seine Helden.
Wie es feiern wird! Am Obelisken und überall! Und ich sitze im Flugzeug nach Amsterdam.
9.27
CW. Genial.
9.40
CW. Frage an die Experten: Was machen diese Leute hier in Buenos Aires?
Antwort: Sie tauschen Paninibilder.
Zehn Schritte weiter habe ich mich gestern noch abergläubisch verstärkt und für umgerechnet drei Euro bei einem Straßenhändler diesen schönen Rosenkranz mit Papstanhänger gekauft. »Rosenkranz« heißt auf Spanisch übrigens »rosario«, ja, genau wie die drittgrößte Stadt Argentiniens, in der unter anderem Che Guevara, Leo Messi und die drei berühmten Trainer César Luis Menotti, Marcelo Bielsa und Gerardo Martino geboren … ach ja, hatten wir schon.
9.55
CW. Eine Mail von vorgestern aus Alemania:
Lieber Christoph!
Soeben habe ich aus der Zeitung erfahren, dass in Brasilien eine Großveranstaltung läuft, deren Sinn darin besteht, eineinhalb Stunden lang Lederkugeln in auf Holzrahmen gespannte Fischernetze zu schießen. Als ich weiter las, erfuhr ich, dass die besten zweiundzwanzig Männer aus Argentinien und Deutschland kommen, und dass in den nächsten Tagen die allerbesten elf Männer durch weitere Schüsse in die Fischernetze ermittelt werden.
Beim Lesen dachte ich sofort an Dich. Denn ich meine mich erinnern zu können, dass Du mit großer Begeisterung solche Lederkugelinsfischernetzwettkämpfe verfolgst.
Und da Du ja nun seit einiger Zeit in Argentinien bist, dachte ich, dass Du nun wohl hin und her gerissen sein musst, welcher Gruppe der Lederkugelspieler Du die meisten Schüsse in die Fischernetze wünschen sollst. So wünsche ich Dir trotz dieses Zwiespaltes einen spannenden Endkampf.
Die WM bekommt nicht nur mir nicht.
Noch sechs Stunden. ¡Vamos Argentina, carajo!
Übrigens: kein Regen mehr. Sonnenschein. Dem Diego Maradona su Wetter.
10.23
CW. Relativiert das holländische Dreinull gegen Brasiliens Zehnkampfnationalmannschaft von gestern Abend eigentlich das 7:1 der Deutschen im Halbfinale? Die Frau kam ja von diesem Spiel ganz begeistert nach Hause und fragte, ob ich schon mal dieses tolle Lied gehört hätte. Dann sang sie: »Oh, wie ist das schön.« Natürlich, das Lied wurde schon gesungen, als Uwe Seeler noch spielte. Aber wie sollte ich ihr das sagen? Den kennt sie doch gar nicht.
Wir haben auch die geileren Lieder.
Kurze Pause. Muss Olé kaufen.
11.25
CW. Der Oléverkäufer hier im Viertel hat mir gerade die Ohren lang gezogen, weil ich für Argentinien bin. »Patriotismus ist kein Geschäft. Man leugnet nicht sein Vaterland.« Als er nach 15 Minuten beim Wählen als demokratische Pflicht landete, musste ich wirklich los.
11.29
CW. Mein Freund Vicente, der klügste Argentinier unter 30, schickt eine SMS:
Buen día!!! Me levanté de muy buen humor. Ganamos 2:0. – Guten Tag!!! Ich bin mit sehr guter Laune aufgestanden. Wir gewinnen 2:0.
11.50
CW. Ich habe Vicente mal gefragt, welches Bild die Argentinier von Deutschen und Deutschland haben. Hier seine Antwort, die ich übersetzt habe:
Argentinische Oberschicht: hält die Deutschen für sehr gut gebildet und geschäftstüchtig; denkt bei Deutschland an die großen Denker und die bedeutende Kultur; Deutschland ist für diese Argentinier ein Vorbild, das Ideal eines Landes.
Argentinische Mittelschicht/Arbeitklasse: hält die Deutschen für pedantisch, gewissenhaft und extremst pünktlich; kennt bestimmte Marken wie Mercedes und BWM, ohne genau zu wissen, wo die hergestellt werden; verbindet mit Deutschland Strudel oder etwas anderes typisch Deutsches.
Argentinische Unterschicht: hält alle Deutschen für blond, groß und dünn; denkt bei Deutschland an Bier und neuerdings auch an Fußball.
(Hinweis von mir: In Argentinien geht man unbefangener mit dem Schichten-Begriff um.)
12.10
CW. Angestachelt von ihrer Mutter, provozieren die Kinder.
12.15
CW. Wie gut hat es unser Chefreporter: Der dreht schon den ganzen Tag unter Argentiniern. Ist bestimmt lustig, oder?
MC. Ja. Lustig. Die haben das Gleiche genommen wie Du. Sie glauben, sie seien Weltmeister.
12.40
CW. Wir kommen allmählich zum Schluss, ich muss los. Ich treffe mich um 14 Uhr unserer Zeit, zwei Stunden vor dem Anpfiff, mit Cristian am Obelisken. Cristian und ich sind im vergangenen Oktober mit zwei Millionen anderen Irren 70 Kilometer von Buenos Aires nach Luján gepilgert, zur Heiligen Jungfrau. Start morgens um halb elf, Ankunft kurz vor halb drei nachts. Ich wollte die Geschichte immer mal erzählen, hatte sie schon fast fertig, dann fiel ein Buch auf den Laptop und zerstörte die Festplatte. Kein Backup, natürlich nicht.
12.47
CW. Helge, unser Freund vom Blog Me llaman Jorge, hat an uns gedacht und einen wunderbaren Text geschickt, der auf Facebook unterwegs ist. Man kann ihn leider nicht ins Deutsche übersetzen. Es ist eine Erzählung, in der die Namen der argentinischen Nationalspieler ähnliche Wörter ersetzen. Man versteht es erstaunlicherweise trotzdem.
Hoy me desperté Mascherano q nunca, Higuaín q todos los dias, me Lavezzi la cara, me puse las Zabaleta, me preparé el mate con unas hojitas de Romero. Elegí al azar una página de la Biglia q hablaba Dimaria y del Messias, Basanta palabra!!! Me puse mi gran saco Rojo, para salir y me pareció q tenía un Agüero en la manga, Garay q susto!!! No era nada.. En la esquina estaba un Campagnaro querido q Andujar siempre en un Orion, nos desencontramos! Por telefono le dije: te pedi q mes Perez alli!!! Por suerte Rodriguez el del Maxikiosco, le hizo una seña y nos encontramos finalmente frente al Palacio. Mas tarde, café de por medio, le dije entre otras cosas: – mira; no me Gago ante los alemanes… el domingo ganamos, SABELLAAA!!!!
¡Vamos Argentina, carajo!
¡Hasta luego. ¡Nos vemos! Beso grande.