Posts Tagged ‘Fußball’

Zwischen Che Guevara und Günther Jauch: Meine letzte Woche mit 34 (Teil 1)

von CHRISTOPH WESEMANN

Das Geburtstagskind, gesehen von Danü

  • Sonnabend: Geklaute Freiheit und der Perso als Kokstablett

Seit einer Woche freue ich mich auf diesen Tag. Die Familie wird ohne mich ins Tigre-Delta fahren und meine Schwiegereltern mitnehmen, die aus Deutschland zu Besuch gekommen sind. Ich habe sehr genaue Pläne für meinen ersten Tag in Freiheit seit einer Ewigkeit: Zunächst werde ich nichts machen, dann zwei Karten für das Fußballspiel am Abend im Stadion von River Plate kaufen und unterwegs etwas essen, das ungesund ist und trotzdem nicht schmeckt. Nahrung hat an einem Tag wie diesem zwei Aufgaben: erstens stopfen, zweitens keinen Abwasch hinterlassen.

Danach werde ich, es dürfte mittlerweile Mittag sein, erst zweieinhalb Stunden schlafen, hernach wieder ein bisschen nichts machen und schließlich warten, dass mein Freund Danü klingelt, der Mann, der so schön zeichnet und überhaupt ein Genie ist.

Leider dreht am Sonnabendmorgen nach dem Aufstehen ein Siebenjähriger durch, und zwar unangekündigt, was – ungeschriebenes Familiengesetz – mein Privileg ist.

»Scheiß Tigre-Delta!«, ruft mein Sohn. »Ich bleib hier.«

»Geht nicht, ich habe schon Pläne.«

Erst soll er mitkommen und will nicht, dann will er mitkommen und darf nicht. Er muss zur Strafe bei seinem Vater bleiben, der daraufhin unangekündigt durchdreht.

Also gehen wir zum Bus, einander anschweigend, diesen Tag haben wir uns beide ja nun wirklich anders vorgestellt, fahren in den Stadtteil Liniers, versöhnen uns unterwegs – Pack schlägt sich, Pack verträgt sich – und kaufen drei Eintrittskarten für den Block von Vélez Sársfield im Monumental.

Und plötzlich ist das ein schöner Tag: Zwei Jungs, die herumalbern und keinen Satz ohne ein schlimmes Wort herausbringen, ziehen durch die großartigste Stadt der Welt. Sie werden ein Mittagessen kochen und kaufen deshalb: Rindersteaks, Champignons, Radieschen, Möhren, Knoblauch, Rosenkohl, Paprika, Erbsen, Mais, Palmherzen, Sahne und Tomatenmark, ein Baguette und Cola.

Zwei Stunden später, noch immer am Herd stehend, werde ich wieder vernünftig. Welch ein Abwasch! Und der, der schläft, ist mein Sohn. In einer Woche werde ich 35, ich müsste auch mal an mich denken.

35.

Plötzlich stelle ich mir die wichtigen Fragen des Lebens. Schmeckt’s wenigstens? Alfred Biolek, der Erfinder des Kochens, würde sagen: »Schmeckt interessant.« Hatte ich heute vielleicht gar keinen Hunger? Warum Radieschen? Für die Story? Mach ich am Ende, was immer ich mache, nur für meine Leser?

Es klingelt.

Danü und ich bemerken schon auf Weg ins Stadion, dass wir nicht dazugehören zum Trupp der Vélezfans. Ringsum werden die verschiedenen Vereinstrikots getragen – oder man ist oben nackt. Wir überlegen einen Augenblick, uns zu entkleiden, warm genug wäre es, dass wir uns nicht erkälten. Aber zwei blasse Jungs ohne Tätowierungen würden ja bloß noch mehr auffallen. »Das nächste Mal bringe ich eine Schablone und einen Filzstift mit«, sagt Danü.

Im Block wird vor uns gekokst – aus dem Tütchen auf den Personalausweis in die Nase – und hinter uns gekifft. Das Spiel ist sowieso zum Vergessen, ein trübes 0:0, das mit anzuschauen wehtut. Ein Viertel der Fans steht mit dem Rücken zum Rasen und singt neunzig Minuten durch. Die Ultras in deutschen Stadien machen das ja auch gern: sich selbst feiern, um bewundert zu werden.

Mein Sohn hängt die zweite Halbzeit am Zaun, singt mit und lässt sich dabei vom Spiel nicht stören. Ich habe Angst, dass er in einem halben Jahr zum Tätowierer will.

  • Sonntag: Der Quizmaster und die Patrioten Lateinamerikas

Transparent zu Ehren der Präsidentin, Plaza de Mayo am 24. März; darauf steht: "Sie ist das Volk"

Stadtbummel mit den Schwiegereltern, dem Sohn und der Eineinhalbjährigen. Vor einer Woche war die berühmte Plaza de Mayo mit dem Präsidentenpalast überfüllt gewesen. Cristinas Jungvolk, also La Cámpora und andere Nachwuchsorganisationen, die der argentinischen Präsidentin aufs Treueste verbunden sind, waren aufmarschiert, um an den Beginn des Militärputsches am 24. März 1976 zu erinnern und die heutige Demokratie zu preisen. Ist es eigentlich ein Widerspruch, dass Cristina Kirchner von Meinungs- und Pressefreiheit selbst nicht viel hält, dass es neuerdings den argentinischen Super- und Elektromarktketten verboten ist, Werbung zu schalten, was vor allem die kritischen Zeitungen trifft, bei denen die Regierung aus Prinzip keine Anzeigen bucht, weil sie lieber ihr ergebene Blätter belohnen will?

Oder bin ich überempfindlich und kompensiere bloß meine Jubelmärsche als Jung- und Thälmannpionier von vierundachtzig bis neunundachtzig?

Heute aber ist die Plaza de Mayo ruhig und die Schlange vor dem Präsidentenpalast lächerlich kurz. Also gehen wir hinein und bestaunen die Galerie der lateinamerikanischen Patrioten im Foyer.

Casa Rosada, der Präsidentenpalast auf der Plaza de Mayo

Galerie der lateinamerikanischen Patrioten im Präsidentenpalast

Hatte die überhaupt einen Namen? Wäre auch eine gute Frage für Günther Jauch. »Wie hieß die erste Ehefrau des argentinischen Präsidenten Juan Domingo Perón: A) Aurelia, B) Antonia, C) Augustina, D) Alberta?«

»Herr Wesemann, es geht um 500 000 Euro, alle Joker sind weg, aber ein Porteño auf Lebenszeit, wie Sie sich vorhin ja genannt haben, beantwortet eine solche Frage natürlich im Schlaf.«

Warum ich mich nicht bei Wer wird Millionär? bewerbe – deshalb.

  • Montag: Ein Schwangere und Rothaut Schwiegervater

Ich bin mit Schwiegervater im Baumarkt. Wir brauchen Schrauben für die Sitzbank auf der Terrasse, die vor drei Tagen zusammengebrochen ist. Und Muttern für das Rad des Kinderwagens. Und Öl für die Türen. Aber kein Werkzeug, das habe ich aus Deutschland mitgebracht. Es dauert auch so lange genug, weil sich Schwiegervater zwar in Dingen des Handwerks auskennt, aber auf mich als Verkäuferbefrager und Verpackungsübersetzer angewiesen ist.

Nachdem wir 15 Minuten an der Kasse angestanden haben und endlich an der Reihe sind, winkt der Kassierer eine Schwangere vor. Hat ja nur ein paar Sachen zu bezahlen, Glühbirnen, Blumenerde, und ist schon im siebten Monat. Dicker Bauch. Man sieht den werdenden Vater mit den zwei vollgepackten Einkaufswagen dahinter kaum. Die Frau bedankt sich überfreundlich fürs Vorlassen – wartet aber selbst noch und lässt einen Mann weiter hinten in der Schlange vor. Der bezahlt die 66 Pesos für eine Küchenuhr mit Batterien natürlich nicht bar, sondern mit Kreditkarte, findet seinen Personalausweis erst in der vierten Hosentasche und sammelt auch Punkte. Das deutsche Schwiegervatergesicht verfärbt sich allmählich ins Rötliche.

»Ganz ruhig«, sage ich. »Du glaubst nicht, wie oft deine drei Enkel benutzt und zum Krachmachen überredet werden, damit ihre Eltern vordrängeln können.«

  • Dienstag: Land unter

Die fast Vierjährige wechselt morgen vom Kindergarten in die Vorschule und braucht deshalb eine neue Uniform: zwei Jogginganzüge, zwei Röcke, vier T-Shirts, alles mit Logo. Ich verzichte auf meinen Mittagschlaf und fahre mit ihr im Bus eine Viertelstunde zum Uniformgeschäft. Es ist zwar noch Feiertag in Argentinien, aber die meisten Geschäfte sind trotzdem geöffnet. Dieses nicht. Und viele andere in diesem beliebten Einkaufsviertel auch nicht.

In den Cafés und Restaurants stehen die Stühle auf dem Tisch. Und wenn doch irgendein Laden aufhat, ist er dunkel, und die Besitzer sind barfuß und mit Eimer und Wischlappen unterwegs. Es hat in der Nacht stundenlang und viel zu stark geregnet. Während hier im Norden der Hauptstadt nur der Strom fehlt, werden in La Plata und anderswo in der Provinz Buenos Aires schon die Toten gezählt. Und es regnet weiter.

Eine Tragödie.

Drei Tage Staatstrauer. Wie Anfang März nach dem Tod unseren Freundes Hugo Chávez aus Caracas.

Der zweite Teil folgt morgen – dann mit einem falschen Robin Hood, einem wütenden Klassenlehrer, einer Stirnbeule und einem Deutschen, der von vier Sekretärinnen unsexuell belästigt wird.

Die Eierkuchen-Komödie

von CHRISTOPH WESEMANN

Neulich nach dem Fußballtraining mit neun Argentiniern; ein Deutscher, der Klinsmann genannt wird, River-Fan I (Cristian) und River-Fan II (Sebastian)

DER DEUTSCHE. Cristian, ich will am Sonnabendabend ins Stadion von River. Wird es schwer sein, Karten fürs Spiel gegen Vélez Sársfield zu bekommen?

RIVER-FAN I. Könnte schwierig werden.

DER DEUTSCHE. Meinst du denn, es wäre einfacher, am Sonnabendmorgen um zehn nach Vélez zu fahren und dort Karten für den Gästeblock zu kaufen?

RIVER-FAN I. Viel einfacher! Weißt du, Vélez hat nicht so viele Fans wie River, Vélez ist ein kleiner Verein, ein erfolgreicher Verein, der aktuelle Meister, aber klein, ein Verein aus einem kleinen Stadtviertel von Buenos Ai …

RIVER-FAN II. … Vélez ist klein, Cristian. Punkt.

DER DEUTSCHE. Dann kaufe ich die Karten von Vélez.

Kartenkauf vor dem Stadion von Vélez

RIVER-FAN I. Klinsmann, du bist Fan von Boca, gehst ins Stadion von River und stehst im Fanblock von Vélez, weißt du, wie man bei uns Leute wie dich nennt? Panqueque.

Karten

Schlechter Riecher vs. kleines Hirn

von CHRISTOPH WESEMANN

Vor dem Estadio José Amalfitani im Stadtviertel Liniers, noch dreißig Minuten bis zum Anpfiff des Ligaspiels Vélez Sársfield gegen Estudiantes

»Christoph?«

»Sí?«

Fehlpässe, Stockfehler (ohne Stock), Flanken hinters Tor, Fernschüsse zur Eckfahne: Vélez Sársfield und Estudiantes werden nichts auslassen. Ein übles 1:1 in einem nur halb gefüllten Stadion. Mein Sohn, sein bester Freund und ich werden uns langweilen. Aber das wissen wir noch nicht.

»Tengo ňœƏƋ◊ ǥǚȫ ȯȹ ɧˁʢʤ ʥʘʙ.«

»Qué?«

Meine beiden siebenjährigen Begleiter werden in der ersten Halbzeit neue Schimpfwörter lernen. Aber das wissen sie noch nicht.

»Tengo ňœƏƋ◊ ǥǚȫ ȯȹ ɧˁʢʤ ʥʘʙ.«

In der zweiten Halbzeit werden sie die Schimpfwörter anwenden auf Stürmer und Stürmerschwester, Torwart und Torwartmutter, Innenverteidiger und Innenverteidigerfreundin, Schriri und Schirigattin. Aber das weiß ich noch nicht.

»Du, was sagt er?«

»Er hat Popel in der Nase.«

Cancha 1

Cancha 2

Cancha 3

Cancha 4

 

Eierzeigen mit dem Sohn

von CHRISTOPH WESEMANN

Als ich gestern Mittag am Stadion des Hauptstadtklubs Vélez Sársfield nach Karten für die Partie heute Abend gegen Estudiantes aus La Plata gefragt habe, hieß es: morgen Früh um zehn.

Vorschriftsmäßig, um kurz nach halb zehn, trafen mein Sohn und ich ein. Wir gingen ein bisschen auf und ab, mein Sohn vergaß zwischendurch dreimal, warum wir hier waren, und als er mich ein viertes Mal fragen wollte, fragte ich ihn:  »Was machen wir hier eigentlich?«

Vélez Cancha

Entradas

Um zehn nach zehn zeigte die Frau aus dem Fanshop dorthin, wo wir gerade eine Dreiviertelstunde gewartet hatten, blickte auf ihre Armbanduhr und sagte: »Der Verkauf hat schon begonnen.« Ich wusste es besser und behielt das ausnahmweise für mich.

Der Schalter öffnete um fünf nach helb elf; es dauerte dann noch 15 Minuten, weil ein Junge vor uns dran war, aber dann hatten wir unsere Karten.

Merke: Vélez ist nicht nur aktueller Meister, sondern auch ein sehr argentinischer Klub. Anpfiff soll um zehn nach sechs sein. Heißt es.

Jetzt muss ich nur noch das Armband der Boca Juniors vom Handgelenk kriegen und mich einsingen:

Es la hora es la hora,
es la hora de ganar.
Ponga huevos Vélez
que tenemos que ganar
y dale dale dale Vélez oh oh oh …

Es ist die Stunde, es ist die Stunde.
Es ist Stunde, um zu gewinnen.
Zeigt mehr Eier, Vélez,
denn wir müssen gewinnen!
Auf geht’s, Vélez …

zitiert nach Argentinischer Fußball auf Deutsch

Konsequenzen eines Weltereignisverpassers

von CHRISTOPH WESEMANN

Da wird ein Argentinier zum Papst gewählt, sogar ein Porteño1 wie ich, und ich habe vier Kinder in der Wohnung, komme weder weg noch an den Computer. Waren es nicht gestern noch drei Kinder? Ach ja, der beste Freund des Sohnes übernachtet hier. Es wird Pumuckl auf Spanisch geguckt. Und die Frau? Arbeitet wg. Papst aus Argentinien. Aja, klar.

Es ist zum Verzweifeln: Schon bei der großen Regenflut vor ein paar Monaten hatte ich das Haus nicht verlassen können.

Ich bitte Sie deshalb, zu den unten angegeben Terminen das Argentinische Tagebuch unbedingt zu meiden; als Weltereignisverpasser werde ich keinerlei Informationen anbieten können. Planen Sie rechtzeitig die Nachrichtenbeschaffung aus anderen Quellen.

  • 10. September 2013: Auf der 125. Session in Buenos Aires wird der Deutsche Dr. Thomas Bach zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gewählt.
  • 8. Januar 2014: Lionel Messi zum fünften Mal in Folge Weltfußballer
  • 2. März 2014: Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner eröffnet die diesjährige Parlamentssaison mit einer fünfstündigen Rede. Neuer Rekord!
  • 13. Juli 2014 (21 Uhr, MESZ): Anpfiff des Fußball-WM-Finals Argentinien gegen Spanien in Rio de Janeiro
  • 13. Juli 2014 (22.45 Uhr, MESZ): Abpfiff. Argentinien – Spanien 8:0 (Tore: Messi)
  • 14. Juli 2014: Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner beschließt per Dekret, dass zukünftig jeder neugeborene Junge in Argentinien mit Vornamen Lionel heißt (Mädchen: Lionela).
  • 9. Januar 2015: Lionel Messi schon wieder Weltfußballer
  • 3. März 2015: Cristina Fernández de Kirchner eröffnet die Parlamentssaison mit einer dreitägigen Rede.
  • 23. Oktober 2015: Argentinier wählen eine/einen Kirchner zum Staatsoberhaupt.
  • 11. Januar 2016, 8. Januar 2017, 10. Januar 2018: Messi.
  • 11. Januar 2018: Rücktritt von Messi (Grund: Langeweile)
  • 10. Januar 2019: Cristiano Ronaldo zum Weltfußballer gekürt
  1. Bürger der argentinischen Hauptstadt []

Cristinas Sonnenbrille und Merkels Handtasche

von CHRISTOPH WESEMANN

Es ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, im Land des weltbesten Fußballers zu leben. Mein sechseinhalbjähriger Sohn zum Beispiel kommt obenrum mit zwei Kleidungsstücken aus: Er trägt tagelang Leo Messis Nationaltrikot. Wenn das in die Wäsche muss, nimmt er Messis Barcelona-Trikot. Und wenn das schmutzig ist, dann – genau.

Es ist ein nicht zu unterschätzender Nachteil, in der Stadt zweier weltbekannter und tief verfeindeter Fußballvereine zu leben. Als wir vor einem halben Jahr von Berlin nach Buenos Aires gezogen sind, mussten mein Sohn und ich entscheiden: River oder Boca? Der Nobelklub aus dem Norden oder der Arbeiterklub aus dem Süden? Mein Sohn hat Boca gewählt, obwohl sein Vater wirklich kein Arbeiter ist. Ich weiß gar nicht mehr genau, was für die Bosteros sprach. Gegen die Gallinas sprach jedenfalls das Trikot mit dem roten Diagonalstreifen.

Seine Schulfreunde sind, so weit ich das überblicke, River-Fans – und deren Väter und Großväter natürlich auch. Er hält sich aber bislang tapfer. Nein, er hält dagegen. Ich bin da viel opportunistischer. Sobald ich mit einem River-Fan in Streit gerate und erkenne, dass ich mangels Sprache untergehen werde, bringe ich die argentinische Präsidentin ins Spiel. Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen zwei Kontrahenten ist im Augenblick Cristina Fernández de Kirchner.

Für jemanden, der aus Deutschland kommt, ist diese Frau ein Rätsel. Uns Deutschen wäre ihre Art nicht zuzumuten. Zu laut. Zu giftig. Zu grell. Vielleicht will sie manchmal nur Macht demonstrieren, aber der Eindruck, der entsteht, ist eben auch: Die macht, was sie will. Und ein Staatsoberhaupt sollte das gerade nicht: tun, was es will.

Cristina mit Sonnenbrille

Als die Präsidentin neulich Venezuelas erkrankten Staatschef Hugo Chávez in Havanna besucht hat, behielt sie auch in geschlossenen Räumen ihre Sonnenbrille auf. Ich habe zweimal hingeschaut. Cristina, eine Sonnenbrille, keine Sonne weit und breit. In Deutschland würden Politiker, die so etwas tun, für arrogant, verrückt oder betrunken, wahrscheinlich aber für alles auf einmal, gehalten. Das Extravaganteste, das Journalisten an Angela Merkel in mehr als sieben Jahren als Bundeskanzlerin entdeckt haben, ist eine orangefarbene Handtasche, und selbst die kommt nur sehr dosiert zum Einsatz.

Aber vielleicht lerne ich auch, mich an diese extravagante Präsidentin zu gewöhnen, so wie ich ja vieles noch lerne. Manches habe ich auch schon gelernt: dass man Heiligabend in Buenos Aires ohne Strom feiern kann oder dass die Jungs, mit denen ich mittwochs im Parque Norte Fußball spiele, unbedingt mit besos zu begrüßen sind. Bei anderen Dingen hilft es, drei Kinder zu haben, die das Castellano nebenbei erlernen. Wenn ich mit ihnen in der Hauptstadt im Auto unterwegs bin und ein Schimpfwort brauche, weil ich irgendeinen Porteño zurück beleidigen will, wird mir von der Rückbank souffliert. Man kann ja nicht immer boludo rufen.

(Diese Kolumne ist erstmalig im Argentinischen Tageblatt erschienen.)

Zwischen Topfschlagen und Toren von Klinsmann

von CHRISTOPH WESEMANN

Ich habe für Kiek an!, die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Journalisten-Verbandes in Mecklenburg-Vorpommern, dem ich angehöre, einen Text gedichtet. Es ist ein sehr langer Text, und deshalb peppe ich ihn mit einem Gewinnspiel auf. Wer errät meinen Scherz, der mich am meisten zum Lachen bringt? Siegerpokal: Mate samt bombilla. Die Lösung bitte in den Kommentarbereich.

Nachtrag: Wacho_Chorro hat erfolgreich gelöst: Argentinier brauchen den Superlativ, wenn sie über sich sprechen: der leidenschaftlichste Fußball, die breiteste Straße, das beste Fleisch, die schönsten Frauen. Nicht alles stimmt, das brasilianische Fleisch ist ja auch nicht schlecht. Konnte wahrscheinlich nur ein Mann drauf kommen.

◊◊◊

Zwischen Topfschlagen und Toren von Klinsmann
Christoph Wesemann, seit fünf Monaten in Buenos Aires, über eine medial omnipräsente Präsidentin und ein Land, das seine besten Jahre hinter sich hat

Argentinien wird von einer Quasselstrippe regiert. Wenn Cristina Fernández de Kirchner den Drang verspürt, etwas sagen zu müssen, schreckt sie auch vor Mord nicht zurück. Die Präsidentin lässt sich unangekündigt auf die Radio- und Fernsehsender schalten, unterbricht das Programm und tötet die Quote. Die Auftritte sind wohl inszeniert, aber so wenig unterhaltsam, dass umgeschaltet wird. Man weiß, was kommt: CFK trägt schwarz, wie sie es seit dem Tod ihres Mannes Néstor vor zwei Jahren immer tut, tupft eine Träne weg und erzählt über ihre Politik nur Gutes.

Eigentlich braucht es einen Grund, eine Krise oder Katastrophe, für die Zwangszusammenschaltung der Kanäle. Aber die Präsidentin hat seit Januar 16 Stunden geplaudert – und in drei Jahren mehr als fünfzigmal. So katastrophal ist nicht mal Argentinien. Ihr Vorgänger, ein gewisser Néstor Kirchner, hielt in vier Jahren nur zwei Reden.

Die Präsidentin – in Zeitungen oft nur Cristina genannt – ist wortgewaltig. Und manchmal sind die Worte stärker als sie. In Jahresansprache Nummer 17 sagte sie, ihre Landsleute sollten sich nicht nur vor Gott fürchten, sondern ein bisschen auch vor ihr. Als sie Ende September in den USA weilte, bestritt sie, dass die heimische Inflation bei 25 Prozent liege, wie inoffizielle Studien behaupten. Bei 25 Prozent würde »das Land in die Luft fliegen«. Dann knöpfte sie sich die bösen Jungs vor. Bei jedem Termin rede sie mit der Presse.

Aber ein argentinischer Journalist fragt mich und fängt gleich an zu schreien. Wenn ihm die Antwort nicht gefällt, schreit er, ärgert sich und tritt gegen die Tür.

Es sprach La Reina, Königin Cristina I.

Die Redakteure von Clarín, der auflagenstärksten Zeitung des Landes, konnten ihr Glück kaum fassen und feierten vier Seiten lang. Eine Rubrik hieß »Cristinas Sprüche und die Fakten«. Ein Fakt: Im Pressesaal der Casa Rosada, des rosafarbenen Präsidentenpalastes, war Kirchner zuletzt am 15. August 2011. Die Feindschaft zwischen dem Medienkonzern Clarín und den Kirchneristen, wie Parteifreunde der Präsidentin genannt werden, steuert auf die Entscheidungsschlacht 7D zu: Bis zum 7. Dezember muss sich Clárin von Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern trennen. So will es ein vor drei Jahren erlassenes Gesetz gegen Medienmonopole. Keiner weiß, was passieren wird. Die Regierung bewirbt das Vorhaben in minutenlangen TV-Spots als Beitrag zur Meinungsvielfalt. Clarín behauptet, knapp gesagt: Der Beitrag zur Meinungsvielfalt kommt doch von uns. Und tatsächlich, viele Blätter und Sender gehören längst Kirchneristen.1

Dabei ist Argentinien – fast achtmal so groß wie Deutschland mit nur halb so vielen Einwohnern – eine Zeitungsnation. Man sitzt im Kaffeehaus, taucht die Croissants, die hier medialunas (Halbmonde) heißen, in die Espressotasse mit dem cafecito und beugt sich über La Nación, das Sportblatt Olé oder eben Clarín. Zeitungen und Zeitschriften gibt es nur am Kiosk, nicht im Supermarkt oder an der Tankstelle.

Die Auftritte der Präsidentin werden bizarrer. Während ihrer USA-Reise wollte sie ihr Gespräch mit den Studenten einer berühmten Universität auf ein höheres Niveau bringen. Heraus kam ein Satz, der mittlerweile ein Klassiker ist: »Chicos, wir sind in Harvard, das sind doch Themen für La Matanza.« La Matanza ist eine Hochschule für die Ärmeren im Speckgürtel von Buenos Aires. Zu Hause schüttelte man den Kopf. Hat sie das wirklich gesagt? Und sie wusste, dass Kameras im Saal sind? »Tiene que ser loca.« – »Die muss verrückt sein.« Und so wird getuschelt. Ist es eine eher harmlose Krankheit, vielleicht Déformation professionnelle? Hat ihr die Macht den Blick für die Wirklichkeit gestohlen? Oder ist es ernst? War Néstors Tod zu viel? Hat die Nummer 1 gar psychische Probleme?

Es wächst der Widerstand. Der Cacerolazo, das Lärmmachen der Mittelschicht mit Töpfen und Pfannen, ist wieder zu hören. Mitte September hat das Land die größten Proteste seit vier Jahren erlebt, allein in Buenos Aires versammelten sich Hunderttausend. »Se va a acabar/Se va a acabar/La dictadura de los K«, sangen sie. »Sie wird verschwinden/Die Diktatur der Kirchneristen.« Der Kabinettschef sprach von einer »Minderheit«. Die Präsidentin selbst sagte: »Ich werde nicht nervös, und die werden mich auch nicht nervös machen.«

Am 8. November, beim nächsten Topfschlagen, waren es in der Hauptstadt schon 700 000 – und vielleicht noch mal so viele im Rest des Landes. »Olele, olala, si este no es pueblo/El pueblo dónde está?«, sangen sie diesmal. »Wenn das hier nicht das Volk ist/Wo ist das Volk denn dann?« Cristina Kirchner sagte, es habe in der Woche zwei bedeutende Ereignisse gegeben: die US-Präsidentenwahl und den Parteitag der chinesischen Kommunisten.

Es ist nicht nur ihre Dauerpräsenz, die für Unmut sorgt, es ist auch ihre Politik. Die Regierung misstraut ihrem Volk und erfindet immer neue Vorschriften. Wer für eine Auslandsreise Dollar braucht, muss einen Papierberg ausfüllen und Intimstes preisgeben. Seit der Fast-Staatspleite von 2001, als die Argentinier ihr Erspartes verloren, ist das Wegtauschen des schlappen Peso Volkssport. Cristina und ihre Leute machen dem ein Ende. Dollar gibt es zum offiziellen Kurs gar nicht mehr, getauscht wird auf der Straße.

Die Schulden wachsen, auch, weil Cristinas Herz groß ist. Die Nationalheilige Evita hat einst Fahrräder, Nähmaschinen, Betten und Gebisse verschenkt oder Geldscheine aus dem Zug geworfen und so den Staatshaushalt ruiniert. Cristina verteilt Wohnungen und erhöht das Kindergeld um 25 Prozent auf umgerechnet 55 Euro. Die Mittelschicht, die viel Arbeit hat und wenige Kinder, schimpft auf die Armen, bei denen es umgekehrt sei. Und dass sich die Präsidentin mit Schurken blendend versteht, Geschäfte mit dem Iran macht und Hugo Chávez zur Wiederwahl in Venezuela beglückwünscht, ist vielen peinlich. Ist doch kein Umgang für das Volk der Dichter und Dirigenten!

Argentinier brauchen den Superlativ, wenn sie über sich sprechen: der leidenschaftlichste Fußball, die breiteste Straße, das beste Fleisch, die schönsten Frauen. Nicht alles stimmt, das brasilianische Fleisch ist ja auch nicht schlecht. Auch die besten Jahre hat man hinter sich. Die Vergangenheit war besser, als die Gegenwart ist und die Zukunft wohl sein wird. Argentinien hatte 1913 ein höheres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Deutschland und war als einer der zehn reichsten Staaten der Welt Traumziel europäischer Auswanderer. Zwischen den Weltkriegen begann der Abstieg, sechs Staatsstreiche seit 1930 inklusive. Trotzdem ist man gefühlte Erste Welt, hat die höchste Alphabetisierungsrate Südamerikas (97,2 Prozent) und schaut herab auf die Nachbarn, die sich dafür mit Witzen rächen. »Was ist das beste Geschäft deines Lebens?«, fragen sie. »Kauf einen Argentinier für das, was er tatsächlich wert ist, und verkauf ihn dann für das, was er wert zu sein glaubt.«

Die Tage in Buenos Aires sind lang – und anstrengend sind sie auch. Die 150 000 Busse reichen für die Dreizehn-Millionen-Metropole einfach nicht, und die Subte, die erste U-Bahn Südamerikas (1913), kann in ihrem Alter auch nicht mehr so. Eng ist‘s in ihr und heiß. Händler quetschen sich durch, um Socken und Taschentücher zu verkaufen. Und da sind die zerlumpten, stummen Gestalten, Kinder aus den Elendsvierteln, die einem Klebebildchen aufs Knie legen, damit man ihre Hand nicht zu berühren braucht, und ein paar Münzen verdienen. Allein in der Villa  31, der größten Armensiedlung, sollen 30 000 Menschen leben. Andere kommen nicht mal dort unter und hausen vor dem Parlament oder den Ministerien. Wenn die Präsidentin aus ihrem Palast schaut, kann sie die Schlafsäcke auf der berühmten Plaza de Mayo zählen.

Es ist 21 Uhr, wenn Männer das Wichtige erledigen: Vamos a la cancha! Auf Kunstrasen spielt man fünf gegen fünf unter Flutlicht, jeder im Trikot seines Lieblingsklubs, die Passagiere der aufsteigenden Flugzeuge als flüchtige Zeugen. Ab und zu schießt der Neuzugang aus Deutschland, den sie aus unerfindlichen Gründen Klinsmann nennen, sogar ein Tor. »Muy bien, Kliiinsmann!« Am Ende gibt jeder 25 Pesos (vier Euro) für die Platzmiete. Ja, teuer sind die Tage obendrein.

Schweigen kann Cristina Kirchner übrigens auch. Als im Oktober ein US-Hedgefonds das Marineschiff Libertad in Ghana beschlagnahmte, weil Argentinien seine Auslandsschulden nicht bezahlen will, wartete das Land auf eine Erklärung der Quasselstrippe. Doch von der gab es wochenlang: kein Wort.

  1. Die aktuelle Entwicklung steht hier. []

Fußballade

von CHRISTOPH WESEMANN

So klingen argentinische Jahresendgrüße, es schreibt der Kapitän meiner Mittwochsmannschaft, und man kann die Zeilen in ihrer Schönheit kaum übersetzen:

Estimados amigos y compañeros futbolisticos.

Hoy ya no tendremos fútbol debido a las dificultades para reclutar gente. Les agradezco el año compartido, las grandes jugadas, goles y la magia que pusieron en todos los partidos. Espero que el año próximo podamos continuar con esta agradable rutina. Les mando un fuerte abrazo, feliz navidad y un gran año nuevo.

Saludos
F.

Geschätzte Freunde und Fußballkumpel!

Wegen der Probleme, Leute zusammenzukriegen, spielen wir heute nicht. Ich danke Euch für das gemeinsame Jahr, die großen Spiele, die Tore und den Zauber, den Ihr in jede Partie gelegt habt. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr genauso angenehm weitermachen. Ich schicke Euch eine feste Umarmung und wünsche frohe Weihnachten und ein großartiges neues Jahr.

Grüße
F.

Deutsch-argentinischer Größenwahn

von CHRISTOPH WESEMANN

Mein sechseinhalbjähriger Sohn hält sich für Lionel Messi, den besten Fußballer der Welt, geboren in der argentinischen Millionenstadt Rosario.1 Und ich bin sehr weit von irgendeiner Karriere entfernt und glaube deshalb gern, dass er bald von allen großen Klubs dieses Planeten gejagt wird. Dann werde ich sein Manager, zumindest so lange, bis er dahinterkommt, dass ich sowohl faul als auch überfordert bin, und mich abfinden muss. Jedenfalls sagt mein Sohn: »In der Schule spielen mich immer alle an. Genau wie Messi. Der kriegt auch immer den Ball, weil er der Beste ist.«

Größenwahn im sehr frühen Stadium? Nein! Mein Sohn ist nach nur vier Monaten in Buenos Aires schon argentinisiert. Fragen Sie mal einen Kolumbianer, Uruguayer, Peruaner oder Chilenen, was er vom Argentinier als solchen hält. Ja, die Argentinier sind in Südamerika nicht unbedingt beliebt. Man hält sie für arrogant. Es ist auch der Stolz, die einzigen Weißen des Kontinents zu sein, obendrein Nachfahren europäischer Einwanderer, der sie manchmal herabschauen lässt auf all die Nachbarn. Und unter den hochnäsigen Argentiniern ist der Porteño, der Bürger der Hauptstadt Buenos Aires, der hochnäsigste. Andererseits lebt er auch in der wichtigsten Metropole der Welt. »Gott ist überall«, sagt der Porteño, »aber seine Sprechzeiten hat er in Buenos Aires.«

Mein Sohn integriert sich also bloß. Als Familienoberhaupt ist es mir wichtig, dass sich meine drei Kinder integrieren. Es klappt. Wenn die Einjährige fiebert, trinkt sie Mate, das teeähnliche Nationalgetränk. Sie spricht außer »hola« und »Mama« kein Wort, zieht aber an der bombilla, dem Halm aus Weißblech, als hätte ich sie im Kinderwagen und ohne Nuckelflasche eine Woche durch die Pampa geschoben. Die Dreieinhalbjährige verdrückt die Riesensteaks mit Speckrand, was nicht ohne Folgen für ihre Figur bleibt. Wenn sie im
Park mit uns Fußball spielt und natürlich auch Messi sein will, sagt ihr Bruder: »Du bist zu dick für Messi, du bist Maradona.«

Mein Sohn und ich tendieren zu Real Madrid. Aber unter Bayern München, Manchester United oder Juventus Turin machen wir es nicht. Hansa Rostock kann gern meine Tochter unter Vertrag nehmen.

(Diese Kolumne ist erstmalig in der Schweriner Volkszeitung erschienen.)

  1. Der andere berühmte Rosarino ist übrigens Che Guevara. []

Mein Sohn und der Pferdekotismus

von CHRISTOPH WESEMANN

Mein Sohn hat es nicht immer leicht in seiner argentinischen Schule. Wenn er die Wahrheit sagt und sich nicht aus Imagegründen zum Märtyrer stilisiert, dann ist er in seiner Klasse der einzige Fan des Fußballklubs Boca Juniors. Weil die Schule in einer vornehmeren Gegend von Buenos Aires liegt, ist sie Hoheitsgebiet von River Plate, dem Verein der Mittelschicht, dessen Fans sich auch »Millionäre« nennen und die Anhänger des großen Feindes »Bosteros« rufen. Die Bosteros haben früher im Stadtviertel La Boca die Straßen von der »bosta«, dem Pferdekot, befreit.

In der 1 c gibt es noch einen Jungen, der auch den Arbeiterklub Boca mag. Aber der zählt nicht so richtig, weil er auch Einwanderer ist, jedenfalls unterhält er sich mit meinem Sohn auf Russisch – auch über Boca, also vor allem über Boca.

Tja, und die Mädchen in seiner Klasse, die sind natürlich auch keine Hilfe. Die machen nur Hüpfgummi, sagt er.

Am Sonntagnachmittag ist Superclásico in Buenos Aires. River empfängt im »Monumental«, sieben Minuten entfernt von unserer Wohnung, die Boca Juniors. Wenn das Spiel nicht unentschieden endet, muss ich meinem Sohn für Montag eine Krankschreibung besorgen.

Das andere Problem hat mit dem Essen zu tun. Ich schmiere meinem Sohn jeden Morgen zwei Pausenbrote: die Butter schön dick, eine große Scheibe Salami, hin und wieder Käse, echt deutschtümelnd, aber eben auch nahrhaft. Dazu bekommt er einen Apfel (schon entkernt und geviertelt), und manchmal überrasche ich ihn auch.

»Die haben wieder alle mein Essen angeguckt«, hat er gestern gesagt.
»Dein Brot?«
»Nee, das kennen sie ja schon.«
»Was dann?«
»Den Joghurt.«
»Natur, mein Junge, bio, sehr gesund.«

Gelegentlich frage ich ihn, was die anderen Kinder zum Essen in die Schule mitbringen, also auch die Riverfans. Kekse, sagt er.

Ich bin unnachgiebig. Keine Kekse. Bisweilen diskutieren wir das Thema, bis Daniel Martín um kurz nach sieben mit dem Schulbus kommt. Dann verabschiede ich mich, kaufe mir am Kiosk eine Zeitung, fahre zu meinem Stammcafé und bestelle bei Sofia, der netten Kellnerin, mein Frühstück: vier Croissants mit süßer Butter und eine Cola.

»Also wie immer«, sagt Sofia.

Mein-Sohn-Kolumnen:

Mein Sohn und der Kussismus

Mein Sohn und der Datschaismus

Mein Sohn und der Willismus

Mein Sohn, der Gausbub

Mein Sohn und der Sandalismus

Mein Sohn und der Miauismus

Mein Sohn und der Kapitalismus


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

Themen

Suchen

Suchbegriff eingeben und «Enter»


Musik: Somos de acá

Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)