Archiv für 2013

Berliner Bürokratie-Anekdote

von CHRISTOPH WESEMANN

Lass Dir sagen: Wenn Du im Ausland lebst, verlier im Heimaturlaub bloß niemals Deinen deutschen Führerschein, denn einen neuen zu beschaffen ist ziemlich kompliziert. Du gehst direkt zum Bürgeramt, um dort Deinen Wohnsitz wieder nach Deutschland zu verlegen. Wenn Du um neun Uhr hingehst, kommst Du schon halb zwei dran (musst aber zwischendurch nicht anwesend sein). Danach besuchst Du Labo, das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Dort kennst Du Dich aus, Du warst ja schon vor zwei Tagen hier, als Du noch glaubtest, für einen deutschen Staatsbürger, der Du nach wie vor bist, wäre es eine Kleinigkeit, einen neuen Führerschein zu beantragen.

Du hattest Dich um halb sieben angestellt, um gleich um 7.30 Uhr dranzukommen. Dann erfuhrst Du aber, dass Du keine Chance hast, weil Du nicht mehr in Deutschland gemeldet bist. Du zeigtest noch auf den Computerbildschirm und stammeltest zur Labo-Frau: »Aber Sie haben doch alle Daten. Das da im System, das ist doch mein Führerschein!« (Übrigens fällt Dir das Siezen unheimlich schwer, weil Du Dich ein Jahr lang durch Argentinien geduzt hast. In Argentinien gilt: Duzen und duzen lassen.) Die Labo-Frau meinte noch, Du müsstest sowieso einen Führerschein in Buenos Aires beantragen, woraufhin Du nur dachtest: »Nee, Frollein, den Bürokratie-Irrsinn dort drüben tue ich mir nicht an. Und außerdem hat nie ein Polizist die deutsche Plastikkarte beanstandet.«

Auf dem Rückweg telefoniertest Du Rat suchend mit allen möglichen Behördisten, beriefst Dich immer wieder auf Deine deutsche Staatsangehörigkeit und batest die Republik Argentinien, der Du sonst unbedingt angehören willst, leise um Verzeihung. Aber es war ohnehin nichts zu machen. Du musstest Dir erst eine deutsche Anschrift besorgen, um Dich dann ein zweites Mal bei Labo vorzustellen.

Im Referat Fahrerlaubnisse, Personen- und Güterbeförderung (III C) herrscht jetzt natürlich – wir sind ja in Berlin – Chaos. Weil seit dem Vortag aus irgendeinem Grund weite Teile der Verwaltung von der Stromzufuhr abgeschnitten sind, funktioniert die elektronische Nummernvergabe nicht, weshalb eine Berliner Schnauze aufruft. Bevor sie das tut, erklärt sie zunächst in einer fünfminütigen Ansprache, dass bitte Ruhe zu herrschen habe, sonst würde man den Laden ganz dichtmachen müssen. Vielleicht mache man das aber auch sowieso.

Du denkst: An einem Tag wie diesem hättet Ihr Knallköppe durchaus 30 Minuten eher öffnen können, also um halb elf, dann wäre die Horde von 300 Leuten nicht ganz so nervös ob der Frage: Komme ich bis zum Schließen des Amtes – für Kunden ohne Termin um halb drei – überhaupt noch dran? Du siehst beim Blick in andere Gesichter: Nicht nur Du denkst das. Wenn Du an der Reihe bist, beantragst Du, weil der Rückflug nach Argentinien naht, einen Expressführerschein, der innerhalb von 48 Stunden fertig sein … »nee, weeß ick nich, kann nix vasprechn, sehnSe ja selbst, wat hier los is, wa?, unser janzes System is im Eima«.

Jetzt musst Du nur noch schnell, also sehr langsam Deinen Berliner Wohnsitz im Bürgeramt wieder abmelden, und zurück in Buenos Aires, stellst Du dann fest, dass Du den verlorenen Führerschein ja gar nicht mit nach Deutschland genommen hattest.

Jetzt hast Du jedenfalls zwei, einen mit und einen ohne Vollbart.

Führerschein

Der Depp, der den Bürgermeister nicht grüßt, und eine Präsidentin am Abgrund

von CHRISTOPH WESEMANN

Argentinien hat gestern gewählt, und weil ich aus unerfindlichen Gründen offiziell immer noch nicht Argentinier bin, habe ich nur zuschauen dürfen, wie ein Freund im Viertel Villa Devoto am Nachmittag seine Stimme abgab. Da hatte Hauptstadtbürgermeister Mauricio Macri in Palermo bereits erfolglos versucht, einem jungen Wahlhelfer die Hand zu schütteln. Der verweigerte den Handschlag, weil er Anhänger der argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner ist, und drehte bald als Hashtag #ElBoludoQueNoSaluda (Der Depp, der nicht grüßt) auf Twitter seine Runden. Man legte ihm allerlei in den Mund.

Sin Chori no hay saludo

»Ohne Chori gibt’s keine Begrüßung«, sagt er auf diesem Bild – eine Anspielung darauf, dass Cristinas Anhänger auf Stimmenfang gern die argentinische Variante der Rostbratwurst verteilen.

Zum zweiten Mal nach 2011 gab es wieder Vorwahlen, die im Prinzip bedeutungslos sind, weil erst im Oktober Entscheidendes geschieht. Dann werden die Hälfte der 257 Abgeordneten im Nationalparlament und ein Drittel der 72 Senatorensitze neu vergeben. Die Abstimmung gestern freilich wird als Stimmungstest für die umstrittene Präsidentin betrachtet, die in den vergangenen Monaten und Jahren vor allem die Mittelschicht gegen sich aufgebracht hat. Kollege Jorge, der auch nicht wählen durfte, obwohl er schon genauso versaut politisch denkt wie ein Argentinier, lästert nebenan, die Vorwahlen »bieten der Königin Gelegenheit, in den nächsten drei Monaten noch ein bisschen Geld unters Volk zu streuen, falls die ›Umfrage‹ nicht so toll ausfallen sollte«.

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So toll ist sie dann tatsächlich nicht ausgefallen. Cristinas Regierungsbündnis Frente para la Victoria (Front für den Sieg) bleibt zwar auf nationaler Ebene die stärkste Kraft, hat aber deutlich verloren. Keine der fünf bevölkerungsreichsten Provinzen – Buenos Aires, Córdoba, Mendoza, Santa Fe  und die Hauptstadt – hat es gewonnen. Selbst Santa Cruz, die Heimatprovinz der Präsidentin, holte sich die Opposition. Cristina erreicht nach jetzigem Stand – noch wird ausgezählt, wir sind ja in Argentinien, das dauert also – nur knapp 26 Prozent. Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2011 hatte sie noch 54 Prozent geholt – umgerechnet 11,8 Millionen Stimmen. Jetzt sind es gerade um die sechs Millionen.

Das Ergebnis ist auch deshalb eine Katastrophe, weil zum ersten Mal 16-Jährige haben wählen dürfen – eine umstrittene Reform, die Cristinas Regierung durchgesetzt hatte, in der nicht ganz falschen Annahme: je jünger, umso kirchneristischer. Tatsächlich ist La Cámpora, der Jugendverband der Kirchners, der im Stil mitunter an die FDJ der Deutschen Demokratischen Republik erinnert, eine der großen Stimmungsmacher und -fänger, vor allem in den armen Nordprovinzen, wo man mit T-Shirts und einer kostenlosen Busreise zur Demo nach Buenos Aires minderjährige Argentinier glücklich machen kann.

In Zeitungen werden nun die ersten Abgesänge angestimmt. Das, was gestern geschah, nennt Clarín heute eine »gewaltige Abstrafung für den Kirchnerimus im ganzen Land«. Abwarten. Jorge hat ja dem unzufriedenen Volk im Namen der Präsidentin schon Wahlgeschenke versprochen.

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Bisschen demografische Geografie oder geografische Demografie gefällig? 37,3 Prozent der wahlberechtigten Argentinier leben in der Provinz Buenos Aires, die von der Fläche (307 000 Quadratkilometer) fast so groß ist wie Deutschland (357 000 km²). Allein 15 der 40 Millionen Einwohner leben hier. Dort siegte Sergio Massa, Bürgermeister der Stadt Tigre und einst Kabinettschef von Cristina Kirchner1. Doch aus dem Verbündeten ist ein Abtrünniger geworden, der der Präsidentin und ihrem Kandidaten eine schlimme Niederlage zufügte.

Buenos Aires, Santa Fe, Córdoba, Mendoza und die Hauptstadt, die großen fünf der 24 Provinzen, repräsentieren 67 Prozent aller 30 530 323 Wahlberechtigten, die in Wahrheit Wahlgezwungene sind – denn in Argentinien muss man. Wer es nicht tut, riskiert eine Geldstrafe und darf, so erzählte es eine der Stimmauszählerinnen, drei Monate lang keinerlei Anträge bei Behörden stellen. Gewählt wird übrigens in Schulen – 13 500 im ganzen Land hatten gestern von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Aus Angst vor Betrug und Fälschung der Ergebnisse, berichtete Clarín, hätten sich 38 033 parteiunabhängige Bürger als Wahlbeobachter gemeldet – sieben Mal so viele wie vor zwei Jahren. Auch das zeigt, wie aufgeladen die politische Stimmung im Lande augenblicklich ist. Denn bei der Wahl im Oktober könnte sich einiges entscheiden: Wenn Cristina 2015 ein drittes Mal als Präsidentin kandidieren will, muss sie vorher die Verfassung ändern, die nur zwei Amtszeiten am Stück erlaubt. Cristina könnte auch das Regierungssystem umbauen – weg von der präsidentiellen hin zur parlamentarischen Demokratie. Sie wäre dann eine Art Bundeskanzlerin. Aber auch dafür müsste ihr Bündnis nach dem Oktober eine Zweidrittelmehrheit im Parlament haben.

Ob sie überhaupt noch einmal antreten will, weiß man nicht, vielleicht weiß sie es selbst nicht. Man darf aber zumindest annehmen, dass der Kirchnerismus, jene linkspopulistische Bewegung, die Argentinien seit 2003 regiert, weiter an der Macht bleiben will. Es gibt jedenfalls genug Kirchneristen, die ungern andere von den Fleischtöpfen fressen lassen würden. Man hat sich schließlich in den vergangenen zehn Jahren an diese Kost gewöhnt.

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(Ach ja, Alkohol durfte übrigens am Vorabend und am Tag der Wahl wieder nicht verkauft werden. Das Gesetz soll unter anderem verhindern, dass sich die Leute die Köpfe einschlagen.)

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  1. Ich hatte Massa irrtümlich zum Kabinettschef von Néstor Kirchner gemacht []

Fußball, Gewalt und Sauerkraut

von CHRISTOPH WESEMANN

Meine Kinder mögen mir bitte verzeihen. Aber natürlich ist heute mein größter Tag gewesen. Gewiss, drei Geburten mitzuerleben war auch super. Aber was hatte ich damit zu tun? Um Missverständnissen und Vaterschaftstests vorzubeugen: Ich meine, mit dem Gebären an sich? Eben. Die Hebamme, 60 Jahre alt, 5000 Babys, hatte damals im Vorgespräch die Erwartungen an mich im Kreißsaal so formuliert: »Halt einfach die Klappe und lass uns machen.«

Das klingt leichter, als es ist – wenn man quasi zu allem eine Meinung hat.

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Und heute bin ich in Olé. Olé ist das größte Sportblatt Argentiniens, also in einem nach Fußball überverrückten Land die wichtigste Tageszeitung. Was? Clarín? Pffff, schreibt Namen bedeutender Persönlichkeiten falsch.

Ich bin natürlich nicht so der Bühnenprofi. Einem Bühnenprofi passiert nämlich nicht, was mir zwei Stunden vor dem Auftritt am Dienstagabend passiert ist: Da kaufte ich mir eine Cola am Kiosk und ließ sie mir, nachdem ich einen Schluck getrunken hatte, an der nächsten Ecke abnehmen. Ein Mann war mir entgegen gekommen. Ich kann mich an die Worte nicht mehr erinnern, aber er fragte ungefähr: »Krieg ich deine Cola?« Es klang nicht fordernd, eher leise und unsicher, und wir hielten auch gar nicht an, sondern ich übergab meine Flasche im Vorbeigehen. »Gracias«, sagte er noch. Ich war sprachlos. Auch über mich selbst.

Und dann meine Rede. La violencia en el fútbol alemán. Die Gewalt im deutschen Fußball. Hooligans und Affenlaute gegen schwarze Spieler, Daniel Nivel und neue Stadien. Mehr Polizei und die Frage: Kann der argentinische Fußball mit seinem viel größeren Gewaltproblem etwas von Deutschland lernen? Antwort: eher nicht. In Argentinien sind Politik und Polizei Teil des Problems.

Ich fand mich nicht gut, und das kommt ja selten vor. Da mich aber von den Zuhörern nur Lob erreicht hat und ich leichtgläubig bin, halten wir fest: Eine große Rede war das.

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Mein Umfeld und ich rätseln jetzt noch, wie die Überschrift von Olé – »Y éste le puso chucrut« – zu verstehen ist. Ich habe fünf Argentinier gefragt und keine klare Übersetzung bekommen. Klar, chucrut ist Sauerkraut, und Sauerkraut ist für Argentinier typisch deutsch. Noch deutscher als Sauerkraut sind übrigens nur die Toten Hosen, wie eine andere argentinische Zeitung mal schrieb.

Die Überschrift könnte bedeuten: Er brachte das Sauerkraut, also die deutsche Perspektive, mit in die Konferenz.

Oder ich selbst bin das Sauerkraut.

Was Opa mal erzählen wird

von CHRISTOPH WESEMANN

Liebe Porteños,

ich werde heute Abend in Eurer Stadt, die längst auch meine geworden ist, einen Vortrag halten. Die argentinische Abgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann will, dass ich erzähle, wie in Deutschland mit Gewalt im Fußball umgegangen wurde und umgegangen wird. Und was glaubt Ihr, habe ich auf die Frage, ob ich auf Deutsch oder auf Spanisch sprechen wolle, wohl geantwortet?

Genau.

Wisst Ihr, ich werde meinen Enkel noch davon erzählen, dass ich in Eurem Congreso de la Nación einen Auftritt hatte. Bueno, es ist der Fraktionssaal, in dem ich spreche, vielleicht auch nur ein angrenzendes Hotel, aber Ihr, Ihr wisst doch genau, wie das mit dem Übertreiben ist, oder?

Man erzählt’s nachher so oft, bis man direkt die Präsidentin unterrichtet hat – und es auch noch glaubt.

Übrigens: Als ich neulich in Córdoba war, ist mir aufgefallen, dass es Argentinier gibt, die man auf Anhieb versteht, weil sie nicht so ein Hauptstadthektiknuschelkuddelmuddelspanisch reden wie Ihr. Wenn Ihr also nachher etwas von mir wissen wollt, sprecht bitte deutlich und langsam. Benutzt nach Möglichkeit Wörter, die ich kenne, ich weiß, so viele sind das nicht. Lenkt mich bitte auch nicht mit übertriebenen Gesten vom Verstehen ab. Männer, knöpft Euer Hemd zu, damit ich nicht neidisch Brustfell gucken muss. Frauen, schmeißt Eure Mähne nicht so wild, ich bin verheiratet.

Ach, am besten fragt Ihr gar nichts, liebe Porteños.

Ich muss sowieso schnell weg. Die Kinder sind bei Freunden und Freundinnen, weil ich wieder ein paar Tage alleinerziehend bin. Auf mich wird gewartet!

Ach ja, lacht bitte über meine zwei Scherze, die ich eingebaut habe. Die sind wirklich gut. Ich habe jeweils dreißig Sekunden wildestes Gelächter eingeplant und werde mir auch noch zwei, drei Beruhigungsfloskeln auf die Handinnenseite schreiben. Lasst mich nicht hängen; ich habe zwar jemandem im Saal, der die Witze anlacht, aber nur er und ich, das wäre doch ein bisschen dürftig. Der erste Scherz kommt gleich am Anfang und geht auf Deutsch so: »Oh, Verzeihung. Entschuldigt bitte meinen starken Akzent. Es ist der Traum meines Lebens, zu sprechen wie ein Argentinier. Oder noch besser: wie ein Porteño.«

Brüller. Sag ich doch. Wie die größte Tageszeitung des Landes meinen Namen schreibt, ist aber auch einer: Herrjeh, da schaffst du’s einmal in Clarín, und dann heißt du Cristhoph Wesermann.

Pep Guardiola, los comegatos, el taxista que maldice y un hijo

von Christoph Wesemann y Moní (traducción)

Si Newell’s Old Boys de Rosario ganara la Copa Libertadores a fines de julio y después tuviera que jugar la final de la copa mundial des clubes contra Bayern en Marruecos, yo llamaría a Pep Guardiola para ofrecerle mis servicios de informante en forma gratuita (libre de impuestos).

He visto dos veces al equipo de la provincia de Santa Fe en vivo y en directo y ya puedo anticipar la forma de jugar de los comegatos. Naturalmente Pep está aprendiendo alemán. Pero para estar seguro de que entienda mis instrucciones acerca de la presión horizontal simultáneo con el desplazamiento vertical, vamos a hablar en su idioma. Sólo espero que con su castellano culto logre entender mi argentino popular con un fuerte acento porteño.

KatzeEsta vez Newell’s Old Boys, también llamado Ñuls, líder de la primera división tuvo que vérselas con el club capitalino All Boys del barrio de Floresta.

Juego de lunes por la nochecita. Tránsito de fin de jornada. Avenidas principales obstruídas. Calles laterales cerradas. Policías fumando a los costados. Unos pocos cientos de metros antes de llegar a destino, los tres carriles que se utilizan como si fueran cinco, se convierten en uno solo.

El taxista que está bien a la izquierda toca la bocina, abre el vidrio y señaliza con su dedo la necesidad de hablar.

¿Qué está pasando? El tachero larga de todo: durante medio minuto todos los insultos y maldiciones imaginables, todos hijos de puta, pelotudos, maldita obra, ¿me escuchás?, la c.… de tu hermana, la p… que me parió, me los paso todos por el forro …., estos idiotas.

Tenés razón, amigo. Gracias por la conversación.
»¿Escuchaste eso?«
»Si, cada palabra, papi.«

¿Pero a dónde tenemos que ir? Preguntemos al tipo joven con camiseta de All Boys cómo llegar al Estadio Islas Malvinas. Este nos responde enseguida con otra pregunta. »¿Querés ir a la entrada de Ñuls?«
»¡Hey, pará que yo no como gatos!«
Gran jajajajaja.

Claro, si uno se identifica como hincha del equipo local, tendría que encontrar el estadio de una. Por otra parte, tiene capacidad para 21 500. No es una cancha, es sólo una canchita, que bien se puede pasar por alto alguna vez.

Al final la capital vence a la provincia por 2:1. Y el niño de 7 aprovecha la ocasión del triunfo para insultar con un »hiiiijos de puuuuutaaa« a grito pelado a los invitados que se van retirando y la gente lo aplaude entusiasta.

Die Herkunft der angeblichen Quilmes-Läuse (Richtigstellung)

von CHRISTOPH WESEMANN

Ich entschuldige mich in aller Form bei den Fans des Quilmes Atlético Club für die Unterstellung, meinen Sohn neulich im Fußballstadion mit Kopfläusen versorgt zu haben. Ich wurde unzureichend eingebunden. Leider erst heute, also viel spät, hat mich die Schuldirektorin des Siebenjährigen korrekt informiert.

Betreff: Zweite Antiläuse-Session

Liebe Familien,

wir haben beobachtet, dass die Läusefälle in der Schule zugenommen haben. Wir setzen auf unsere Alltagserfahrungen und darauf, dass wir von Ihnen wissen, dass es sehr produktiv war, den gemeinsamen Kampf zu fördern. Wir schaffen es gemeinsam, zumindest für eine Zeit, den Ansteckungsherd zurückzudrängen.

Nachdem ein paar Monate vergangen sind, ist es jetzt nötig, die Aktion zu wiederholen. Deshalb bitten wir Sie, an diesem Wochenende bei Ihren Kindern eine Antiläusebehandlung vorzunehmen, die dann – wieder einmal – einmal erfolgreich ist. Auf unsere Teamarbeit!

Herzlicher Gruß

(Übersetzung von mir)

Ich trete als Kolumnist dennoch nicht zurück. Ich bleibe im Amt.

Auf Spanisch klingt die Rundmail so:

Queridas Familias:

Hemos observado que se han incrementado los casos de pediculosis en el Colegio. Basados en nuestra experiencia cotidiana y en aquello que muchos de Uds. nos han transmitido evaluamos que fue muy productivo promover un combate en conjunto. Logramos entre todos, al menos por un tiempo, disminuir los focos de contagio.

Pasados unos meses se vuelve necesario repetir la acción. Los invitamos entonces a que este fin de semana del 8 y 9 de junio les realicen el tratamiento antipediculosis a sus hijos para que triunfe, una vez más, ¡nuestro trabajo en equipo!

Un afectuoso saludo

 

Pep Guardiola, die Katzenfresser, der fluchende Taxifahrer und ein Sohn

von CHRISTOPH WESEMANN

Wenn die Newell’s Old Boys aus Rosario Ende Juli die Copa Libertadores gewinnen sollten und dann im Weltpokalfinale in Tokio1 Marokko gegen die Bayern spielen, werde ich Pep Guardiola anrufen und mich als Informant auf Honorarbasis (steuerfrei) anbieten. Ich habe die Truppe aus der Provinz Santa Fe jetzt zweimal live gesehen und kann das Spiel der so genannten »Katzenfresser« lesen. Pep lernt natürlich deutsch, aber um sicher zu gehen, dass er meine Anweisungen zum horizentalen Pressing mit gleichzeitiger Vertikalverschiebung auch kapiert, werden wir in seiner Sprache reden. Ich hoffe nur, dass er mit seinem Gelehrtenspanisch mein eher volkstümliches Argentinisch mit starkem Buenos-Aires-Akzent auch versteht.

Diesmal hatten es die Newell’s Old Boys, der Tabellenführer der ersten Liga, auch Ñuls genannt, übrigens mit dem Hauptstadtklub All Boys aus dem Viertel Floresta zu tun. Montagabendspiel. Feierabendverkehr. Verstopfte Hauptstraßen. Gesperrte Nebenstraßen. Rauchende Polizisten am Rand. Ein paar hundert Meter vorm Ziel soll aus den drei Spuren, die aber benutzt werden, als wären es fünf, nun eine Spur werden. Der Taxifahrer ganz links lässt mal kurz die Hupe los, macht die Scheibe runter und zeigt mit dem Finger Gesprächsbedarf an. Was ist denn los? Er gibt alles: eine halbe Minute feinster Schimpfwörter und Flüche, alles Hurensöhne, Trottel, scheiß Baustelle, hörst du, die F**** deiner Schwester, die Hure, die mich geboren hat, sollen mir doch alle einen blasen, diese Idioten.

Recht hast du, mein Freund, danke fürs Gespräch.

»Hast du das gehört?«

»Jedes Wort, Papa.«

Aber wo müssen wir überhaupt hin? Fragen wir doch den jungen Mann im All-Boys-Trikot nach dem Weg zum Estadio Islas Malvinas. Der kommt gleich mit einer Gegenfrage. »Willst du zum Eingang von Ñuls?«

»Hey, ich ess‘ doch keine Katzen!«

Großes Hahaha.

Klar, wenn man sich als Fan der Heimmannschaft ausgibt, sollte man vielleicht das Stadion auf Anhieb finden. Andererseits: Fassungsvermögen 21 000. Das ist keine Cancha, das ist eine Canchita, die man durchaus mal übersehen darf.

Am Ende steht ein 2:1-Sieg der Hauptstadt über die Provinz. Und der Siebenjährige nutzt die Chance zum Triumphieren, beschimpft aus voller Kehle die abrückenden Gäste als »hiiiijos de puuuuutaaa« – und bekommt Szenenapplaus.

  1. Da verlasse ich mich mal wieder auf Lebenserfahrung (wie immer Tokio, wo denn sonst) und bekomme gleich eine dezente Kurznachricht mit Link von Leser Wacho_Chorro: »Morsche, zieh Deinen Bericht zurück. Dicker Fehler drin.« []

Heil dem großen argentinischen Volk (und dem Deutschen im Poncho)!

von CHRISTOPH WESEMANN

Ach, dieser Deutsche! Ist mal wieder allein mit seinen drei Kindern. Es gelingt ihm aber ohne größere Probleme, den Siebenjährigen und die Vierjährige um 7.10 Uhr in den Schulbus zu setzen. Er muss dann nur noch mal schnell hoch – zur Schultasche. Um halb neun schiebt er die Eineinhalbjährige zum Kindergarten und macht unterwegs Pläne. Schlafen, auf der Terrasse die Herbstsonne genießen, ja!, aufräumen eventuell, also eher nicht. Er wird jedoch von der Kindergärtnerin kalt erwischt.

»Kommst du zum Fest?«
»Welches Fest?«
»Guckst du nie ins Mitteilungsheft?«
»Doch, jeden Tag«, sagt der Deutsche und denkt: Wenn ich an einem Lügendetektor angeschlossen wäre, würde der jetzt explodieren.

Kindergarten

Morgen ist argentinischer Nationalfeiertag. Am 25. Mai 1810 begann das Vizekönigreich des Río de la Plata, sich von Spanien zu lösen. Zentrum der so genannten Mai-Revolution war Buenos Aires. Sechs Jahre später enstand Argentinien als unabhängiger Staat. Der 25. Mai und der 9. Juli (1816) sind für Argentinier bedeutende Termine, also Weltereignis aufwärts. Und im Kindergarten soll gefeiert werden.

Gruppentanz

Der Deutsche spurtet nach Hause zur Morgentoilette und kommt eine Stunde später standesgemäß wieder: in Poncho und mit Mate. Die anderen Eltern, ausnahmslos Argentinier, begutachten ihn. Deutsche gucken so nur bei einem Chinesen in Lederhose.

Bevor die Gruppe der Großen zu tanzen beginnt, wird – selbstverständlich! – die Nationalhymne gesungen.

 

Hört, ihr Sterblichen! Den geheiligten Ruf:
Freiheit, Freiheit, Freiheit!
Hört den Lärm gesprengter Ketten:
Seht auf dem Thron die edle Gleichheit.

Schon zeigten ihren würdevollen Thron
die vereinigten Provinzen des Südens!
Und die Freien der Welt antworten:
Heil dem großen argentinischen Volk!
Und die Freien der Welt antworten:
Heil dem großen argentinischen Volk!

Refrain:
Ewig sei der Lorbeer,
den wir zu erlangen wussten.
den wir zu erlangen wussten.
Mögen wir von Ruhm gekrönt leben …
oder wir schwören ruhmreich zu sterben!
oder wir schwören ruhmreich zu sterben!
oder wir schwören ruhmreich zu sterben!

Der Fluch und die Läuse-Kolumne

von CHRISTOPH WESEMANN

Am 3. Juli 2012 kletterte ich mit meiner Frau und drei Kindern in ein Flugzeug, um die nächsten Jahre in Buenos Aires zu leben. In der Nacht, irgendwo über dem Atlantik, sagte ich River Plate ab und ließ mein Herz für die Mannschaft aus dem Hafenviertel schlagen. Als wir argentinischen Boden betraten und auf unsere 13 Koffer warteten, erfuhr ich, dass meine Boca Juniors am Abend das Finale der Copa Libertadores gegen Corinthians verloren hatten. Ich wusste zwar erst jetzt, dass wir so weit gekommen waren, war aber wegen der Niederlage augenblicklich zerstört. Ich wollte niedersinken und theatralisch trauern, aber dann kam das Gepäck, und wir mussten ja auch los. Juan Román Riquelme war zurückgetreten, der einzige Boca-Spieler, den ich kannte, ja, auch das noch.

Quilmes-Newell's 2

Quilmes-Newell's 3

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Quilmes-Newell's

In der Ligatabelle stehen jetzt Vereine vor uns, von denen ich bis vor einem Jahr noch nie etwas gehört hatte: Lanús. All Boys. Rafaela. San Martín. Angeblich gibt es sogar einen Klub namens Godoy Cruz, und der ist auch noch Fünfter. Wir sind Drittletzter. Wenn das so weitergeht, nehme ich, bevor wir nach Deutschland zurückkehren, noch Bocas Abstieg mit.

Es scheint ein Fluch auf mir zu liegen, wahrscheinlich bekomme ich eines Tages, wie die sieben schwarzen Katzen von Independiente im Racing-Stadion, einen Abschnitt bei Wikipedia, weil sich herausgestellt hat: Meine Sippe und mich mit 13 Koffern für ein paar Jahre nach Buenos Aires zu schicken war nur ein großes Komplott von River Plate.

Mein Sohn findet Boca auch gut. Ich habe mich auf gar keine Diskussion eingelassen, ich werde noch früh genug jeden Einfluss auf ihn verlieren, er lässt sich ja schon jetzt wenig von mir sagen, was seine Mutter übrigens überhaupt nicht schlimm findet.

Ich will es als Fußballphilosoph nicht übertreiben, aber es ist doch so: Ich habe es meinem Sohn leicht machen wollen. Boca ist ein Erfolgsklub: 24 Meisterschaften, nur ein Verein hat mehr, und es spielt gar keine Rolle, welcher. Die meisten Spiele im Leben gehen aber nun einmal verloren. Man will immer gewinnen, und meistens verliert man. Vieles ist Kampf und Krampf. Man lauert auf Großchancen, um sie dann zu vergeben. Und wer nie ausgewechselt worden ist, obwohl es gerade ziemlich gut lief, hat Entscheidendes verpasst: die Hoffnungslosigkeit, die Reha fürs kranke Herz und das Comeback.

 

Nun habe ich mit meinem Sohn einen anderen Verein besucht und darüber eine Kolumne geschrieben, als Gastbeitrag für das wunderbare Blog Argifutbol – Argentinischer Fußball auf Deutsch. Darauf wollte ich hinaus – und außerdem die übrig gebliebenen Textreste weiterreichen, man soll ja nichts verkommen lassen.

Ein Lausbub bei den Bierbrauern von Quilmes

Seit mein Sohn bei den Cerveceros gewesen ist, hat er Läuse. Wegen der angedeuteten Kausalität zwischen der Cancha von Quilmes und dem Kopfkratzen des siebenjährigen Kolumnistenkindes könnten mich die Bierbrauer aus der kleinen Stadt im Speckgürtel von Buenos Aires locker verklagen. Ich habe nämlich keine Beweise, ich kann nur sagen: am Abend Estadio Centenario, am Morgen Pediculus humanus capitis.

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Danü hat wieder zwei zauberhafte Bilder gemalt – eins zeige ich hier. Wir trafen nämlich die Katzenfresser aus Rosario.

Katze

Eine tolle Dokumentation mit deutschem Untertitel gibt es über den Quilmes Atlético Club und seine Fans übrigens auch.

Zwei Schnellumzieher im Luna Park

von CHRISTOPH WESEMANN

Ach ja, die Pet Shop Boys und ihr als Popkonzert getarntes Musical: Neil Tennant und Chris Lowe, zusammen auch schon 111 Jahre alt, tragen noch immer alle unmöglichen Klamotten – vom orangefarbenen Trenchcoat bis zur schwarzen Federjacke. Macht am Ende mehr Garderobenwechsel als bei Kylie Minogue und Madonna. Aber zieht sich auf dieser Welt eigentlich jemand schneller um als die Pet Shop Boys? Selbst die Krawatte sitzt dann.

Pet Shop Boys

Schön war’s gestern Abend im Luna Park (wo übrigens Argentiniens Fußballgott Diego 1989 Hochzeit feierte). Nur das Publikum wirkte ein bisschen müde und philharmonisch. Andererseits: Wenn die eine Hand die ganze Zeit das Smartphone hochhält, kann die andere nun mal nicht klatschen. Generation Youtube.


Argentinische Helden

Diego Maradona, gezeichnet von Danü (c)

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Steckbrief

Wir sind schnell.
Wir sind Wortmetze. Wir haben einen profunden geistes-
wissenschaftlichen Hintergrund. Wir sind böse, sexy und klug. Wir können saufen wie die Kutscher, haben Kant gelesen und nicht verstanden, aber das merkt keiner, und schlafen nie.


2012 von Christoph Wesemann in Buenos Aires gegründet. Derzeit im Exil. (Berlin)